Der Kasperl und das
Krokodil.
von Joana Angelides
Der Kasperl ist in unsere Kultur
eingegangen, genauso wie sein Krokodil und der Polizist, die der Kasperl immer
besiegt.
Warum nur? Wir identifizieren uns mehr oder weniger geknickt, mit dem
Kasperl. Einerseits, weil wir doch immer wieder merken, dass auch wir im Leben
manchmal einen solchen abgeben, andererseits, weil wir gerne eine Keule in der
Hand hätten und den diversen Krokodilen rund um uns auf die Schnauze hauen
würden; es nur nicht dürfen, weil wir eben in einem anderen Stück des Lebens
spielen, als der Kasperl auf seiner kleinen Bühne.
„Aber morgen, da zeige ich es ihm.....“, Solches sich vorzunehmen
befreit uns vom momentanen Druck und läßt unser Auge blitzen und uns gleich
zwei Meter groß zu werden.
Schon beim Einsteigen in die U-Bahn merken wir, dass wir auch nicht
größer sind, als die anderen Fahrgäste und beim Eintritt ins Büro drücken wir
uns schon ein wenig an der Wand entlang, weil die gewaltige Stimme des Chefs
durch die gepolsterte Türe hindurch zu hören ist.
So um 10.ooh, nach der Kaffeepause ist es soweit. Wir atmen tief auf,
nehmen als Waffe einen Akt in die Hand und stürmen, an der Sekretärin vorbei
das Chefzimmer.
Wir grüßen kaum, den Blick über den Chefsessel hinweg in den blauen
Himmel gerichtet beginnen wir energisch unsere Stimme zu erheben.
„Ich bin heute da, um Ihnen meine Meinung zu sagen und unterbrechen sie
mich bitte nicht! Ich arbeite seit
Jahren in ihrem Büro, sie kennen mich kaum. Ich heiße Berger und nicht Taler,
wie sie immer meinen. Ich weiß schon, sie wollen mich nur auf eine gewisse Bedeutungslosigkeit
zurück stutzen. Tal ist ja schließlich niedriger und unscheinbarer als ein
Berg. Also merken sie es sich endlich, BERGER mein Name und ich arbeite in der
Buchhaltung!“
Wir stampfen mit dem rechten Fuss leicht auf, um unseren Worten auch
Nachdruck zu verleihen, und machen eine energische Handbewegung um eventuelle
Einwänden des Chefs von Anfang an abzuwürgen.
„Jetzt rede ich! Da ich vor kurzem geheiratet habe und Nachwuchs
erwarte, erwarte ich nun ihrerseits eine Gehaltserhöhung, denn sonst würde ich
mir eine andere Stelle suchen müssen und sie können sich ihre Bücher selber
halten.“
Ja, genauso werden wir morgen unser Begehren vortragen, wenn der Chef
im Büro sein wird und um keinen Ton weniger laut und aggressiv. Dann legen wir den
angeforderten Akt auf seinen leeren Schreibtisch und gehen tief einatmend
wieder raus.
Das war die Generalprobe.
Abends, beim nach Hause fahren in der U-Bahn, nehmen wir uns nun vor,
um wenigstens eine Teilbefriedigung zu erreichen, mit dem Drachen von einem
Hauswart Schlitten zu fahren. Was bildet die sich denn ein? Immer hat sie was
auszusetzen. Man streift die Schuhe nicht genügend ab, man schließt die
Haustüre zu laut oder man pfeift auf der Treppe, wenn sie schläft! Schließlich hat man ja als Mieter auch seine
Rechte!
Pfeifend und innerlich wieder zwei Meter groß, biegt man um die Ecke.
Da steht sie schon, bewaffnet mit einem Besen und einem grimmigen Blick in
unserer Richtung hebt sie den Kopf und sucht furchtlos unseren Blick. Die
gepfiffene Melodie bleibt uns auf der Lippe stecken.
Wir straffen den Rücken, Schultern zurück und schließen die Hände in
der Tasche zu Fäusten und zeigen dem Hauskrokodil unsere Zähne.
Lächeln ist sicher noch immer die angenehmste Art, Zähne zu zeigen.
Muß ja nicht heute sein, wir sind heute sowieso im Streß und außerdem
beginnt ja gleich der Krimi im Fernsehen. Aber Morgen!
Pfeifend stürmen wir die Treppe hinauf, schließlich schläft der
Hausdrachen ja erwiesener massen nicht und man hat ja sicher auch seine Rechte
als Mieter. Die Türe fällt uns leider aus der Hand und wir hoffen, dass der
Knall doch bis unten hörbar war. Irgendwie müssen wir uns schon durchsetzen!
Das liebend Weib kann man nun auch nicht unbedingt als Krokodil
bezeichnen, oder wenn doch, dann stillschweigend und nur im Innersten.
Zumindest verbal könnte man nun ja die Keule schwingen und lautstark
nach dem Abendessen rufen, doch irgendwie überlegt man dann doch, dass der
Kasperl auch schon einmal gegen die Hexe verloren hat, oder zumindest sehr
verstrubbelt aus dem Kampf hervorging. Es war ein anstrengender Tag, man ist
müde und resigniert.
Aber was ist denn das? Wieso schnappt denn der Goldfisch nach einen?
Schwups, zwischen der Faust ein wenig gequetscht und links und rechts je ein
Klaps. Was glaubt denn der, will nach dem Herrl schnappen? Ha, jetzt schwimmt
er aber sehr schuldbewußt wieder im Kreise. Na also!
Schließlich ist man ja nicht der Wurstel oder Kasperl, mit dem man
alles machen kann!
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