Donnerstag, 25. April 2024

DIE EICHE im WALD, Novelle

 

DIE EICHE IM WALD

Novelle

„Paul, wohin gehst Du denn?“ Anna schaut ihn fragend an. Eigentlich bräuchte sie ihn gar nicht fragen, sie weiß es.
Er geht, wie fast jeden Tag, zu der alten Eiche auf der Lichtung im Walde.
Es schien, als hätte ihn dieser Baum in seinen Bann gezogen. Er erklärte ihr, er spüre den Geist der Druiden, wenn er unter dem Baum stand.

Doch sie versteht ihn nicht, sie schüttelt immer nur den Kopf.

„Ich gehe ein wenig spazieren, bin ja mittags wieder da!“
sagte er halb abgewandt, nimmt seinen Hut und den Stock von der Ablage und schließt die Türe.

Der Wald beginnt mittelbar hinter dem Haus, das sie nun seit zwei Jahren bewohnten, nachdem sie nach der Pensionierung aus der Stadt hierhergezogen waren.
Angenehme Kühle umfängt ihn, als er den schattigen Weg zwischen den Bäumen erreicht. Die Geräusche des Waldes waren für ihn anfangs geheimnisvoll, doch nun schon sehr vertraut. Es knacken Äste, es zwitschern Vögel und er merkt, dass immer wieder kleine Bewohner des Waldes zwischen den Bäumen hin und her huschen. Die Geräusche von außen werden von den Bäumen und dem Moos rundherum an ihrer Rinde verschluckt.

Die Sonne dringt nicht wirklich Durch die Äste der Bäume, sie zaubert aber, sich durch den leichten Wind bewegende Kringel auf den Waldboden.
Das Geheimnisvolle dieses Waldes für ihn ist, dass ihm gerade diese Kringel immer wieder den Weg weisen zu jener Eiche, die er nun seit Wochen täglich besucht.


Es leuchtet immer abwechselnd ein Lichtpunkt nach dem Anderen inmitten einer größeren Anzahl auf und er beschreitet diesen imaginären Pfad, benutzt ihn als Wegweiser.

Unter der mächtigen Eiche am Rande der Lichtung erlöschen sie plötzlich immer und er ist am Ziel.


Das erstaunt ihn jedes Mal und er beschließt eines Tages, sich aus einer anderen Richtung dem Baum zu nähern.


Doch auch da waren zwischen den Kringel am Boden, immer wieder hellere Punkte die leuchteten und ihn leiteten.

Diese Eiche zieht ihn magisch an. Es ist, als würde sie auf ihn warten. Ihre Blätter scheinen zu ihm zu sprechen, sie wispern und flüstern. Es ist wie eine Heimkehr zu fernen Orten aus fernen Tagen. Aufwühlende Gefühle aus seinem Innersten kommen hoch und legen sich drückend wie ein Ring um seine Brust. Eine seltsame Erregung erfasst ihn jedes Mal.

Der kleine Bach hinter der Lichtung plätschert dahin und unterbricht die Stille.

Nicht weit weg von dem Baum liegen einige große Steine, wie zufällig angeordnet und doch bilden sie einen Halbkreis, nach Osten offen.
Sie scheinen wie mit gewaltiger Faust dort hingeschleudert worden sein.
Der Dichte Nebel, der sich manchmal zwischen den Steinen am Boden bildet, raubt ihm jedes Mal fast die Sinne.

Er lehnt sich gerne an diese Steine an und stellt dabei fest, dass sich die Geräusche rundum veränderten, je nachdem, welchen der Steine er wählt.

Wenn er an dem großen Mittelstein des Halbrundes lehnt, hört er viele Stimmen, ohne jedoch die Worte zu verstehen, auch Geräusche, wie aufeinanderschlagende Schwerter glaubt er zu hören.
Nach einer Weile, sich der Stimmung hingebend, sammeln sich meist rings um ihn einige Leute, die scheinbar im Wald leben. Sie sprechen nie mit ihm, sammeln Holz und Kräuter und verschwinden wieder in der Tiefe des Waldes. Es ist jedes Mal, als würden sie ihn gar nicht wahrnehmen.

Als er diese Begegnungen einmal im Gasthaus erwähnt, bekommt er keine Antwort. Sie sehen sich an und beginnen dann von anderen Dingen zu sprechen.
Nur der alte Sebastian, der immer neben dem großen keramischen Kamin in der Ecke sitzt, blickte ihn lange an und es schien ihm, als wollte er etwas sagen. Doch dann beschäftigte er sich wieder intensiv mit seiner Pfeife. Er hatte sein langes weißes Haar rückwärts zusammengebunden, seine nackten Füße steckten in ganz alten Sandalen.


Heute ist es sehr still im Wald, es ist, als würde der Wald den Atem anhalten. Es fällt ihm wieder ein, was er über Eichen gelesen hatte. Die Kelten nannten die Eiche „Dru“ und „id“ heißt Weisheit. Das erinnert an „DRUIDEN“. Also war die Eiche das Symbol der Weisheit für die Kelten. Wieso spürte er hier, zwischen der Eiche und der Anhäufung der Steine diese geisterhafte Verbindung.


Er lehnt wieder an seinem Lieblingsstein, dem Mittelstein, der am größten ist und lauscht in den Wald hinein, als ihn eine weibliche Stimme aus seinen Träumen reißt:

„Kommst Du heute Nacht zur Bezeugung einer Partnerschaft? Heute ist zunehmender Mond. Der Druide kommt auch um diesen Bund für ein Jahr und einen Tag zu bestätigen. Der Bach ist klar und rein, die Beiden werden ihre Hände und Füße in den Bach strecken und sich unter Wasser die Hände reichen. Das Versprechen wird in dem Wasser bis zu den Weltmeeren getragen. Das Ritual ist dann beschlossen.“
Er ist so erstaunt, dass er nur nicken kann, doch bevor er Näheres erfragen kann, war die Frau wieder im Wald verschwunden, ihre Gestalt löste sich zwischen den mächtigen Stämmen auf. Es war das erste Mal, dass er direkt angesprochen wurde, ja beachtet.       

Anna konnte nur den Kopf schütteln, als er ihr mitteilt, er wird abends noch einmal in den Wald zur Eiche gehen.


„Es wird doch dann Dunkel, Du siehst nichts am Rückweg. Ich verstehe das nicht, die Eiche wird auch morgen noch dort auf Dich warten!"


Er antwortete ihr nicht und machte sich bei einbrechender Dunkelheit auf den Weg.


Als er bei der Eiche ankam, waren schon einige Leute versammelt. Einige kannte er schon vom Sehen, einige waren ihm fremd. Das Paar stand in der Mitte, war mit Blumenkränzen geschmückt, in das lange blonde Haar der Frau waren Blüten und Blätter des Waldes befestigt. Sie trug ein langes, fein gewebtes Gewand, durch einen Gürtel gehalten. Der Mann hatte ein grob gewebtes Hemd an, das ihm bis zu den Knien reichte und ebenfalls mit einem Gürtel gerafft war.

Ein alter Mann mit weißem Bart und langem Haar stand neben ihnen und die anderen hielten respektvollen Abstand. Er erinnerte ihn an irgendjemand. Doch er kam nicht dahinter.

In der Mitte des Steinrundes war ein Scheiterhaufen aufgebaut und brannte lichterloh. Die Frauen brachten unentwegt Holz, um das Feuer am Leben zu halten.

Es war ein allgemeines Gemurmel zu hören. Er wurde wie immer, kaum beachtet und blieb an den Baum gelehnt, stehen.

Das Paar in der Mitte beugte sich zu dem Bach und reichte sich unter Wasser einige Male die Hände. Der alte Mann beugte sich ebenfalls vor und hielt ihrer beiden Hände in den seinen und murmelte unverständliche Worte, dann formte er seine Hände zu einer Kelle und ließ das Wasser über die Köpfe der beiden abfließen.

Die Umstehenden klatschten in die Hände und die Stimmen wurden immer lauter. Sie verteilten sich auf der Lichtung, in respektvollem Abstand zu den Steinen und begannen die mitgebrachten Spesen zu verzehren.
Das Paar mit den Blumenkränzen im Haar mischte sich unter die anderen und wurde immer wieder von ihnen berührt, geküsst und mit weiteren Blumen überschüttet.
Ihm schien es, als würde dieses Fest Stunden dauern. Die Männer tanzten um das Feuer, entledigten sich ihrer Kleider, es sah unwirklich aus im Schein der Flammen.


Es kam zu Scheinkämpfen mit Fäusten und Schwertern. Es wurde gegessen und getrunken, sie sangen ihm unbekannte Lieder, sie klangen melancholisch-tragend.

Er drückte sich an den Baumstamm und beobachtete das unwirkliche Treiben mit großen Augen. Da er kaum beachtet wurde, beschloss er, sich mit fortschreitender Nacht und nach diesem Rausch der Sinne, wieder auf den Heimweg zu machen. Der Wald war dunkel, geheimnisvoll und er stolperte auf dem Wege mehr oder weniger mühsam wieder zum Haus zurück.

 
Erst zu Hause merkte er, dass seine Jacke durch den Funkenflug einige kleine Brandlöcher davongetragen hatte.
Auch sein Gesicht war von Ruß geschwärzt und seine Augenbrauen waren beeinträchtigt.

Als er am nächsten Tag seine Geschichte im Gasthaus erzählte, wurde er mehr oder weniger ausgelacht.

„Ach Paul, nein, das müssen Sie geträumt haben. Sie sind sicher eingeschlafen, und die Schatten des Waldes gaukeln abends die absonderlichsten Bilder vor. Gehen sie da nicht mehr hin, mitten in der Nacht!“ Der Apotheker, schüttelte den Kopf.

„Aber, wenn ich Ihnen sage, ich bin nur deswegen in den Wald gegangen, um an diesem Ritual teilzunehmen. Wenn man jetzt in den Wald gehen würde, man würde Spuren finden, das Feuer war ja sehr mächtig. Das Gras müsste niedergetreten sein, Reste des Festes müsste man dort finden!“

Betretenes Schweigen und Achselzucken war die Folge. Sie wandten sich wieder ab und langsam kamen die Gespräche wieder in Gang.


Es zog ihn zurück in den Wald. Er konnte es gar nicht erwarten, die Stelle in Augenschein zu nehmen.
Der Wald war wie immer voll der Geräusche, die er schon kannte. Die Sonnenkringel lagen auf dem Fußboden und veränderten stetig ihre Gestalt. Doch heute fehlten die hellen Punkte, die ihn immer leiteten. Doch er kannte den Weg auch so und stürmte voran, um rasch zu seinem Baum zu kommen.
Da stand Sebastian mit einem Rechen in der Hand, sammelte allerlei Dinge ein und warf sie in einen großen Plastiksack. Kehrte die Reste eines Lagerfeuers zusammen und grüßte ihn freundlich.


„Was machen sie da?“ Er schaute Sebastian erstaunt an.


„Ach, da waren vor einigen Tagen eine Gruppe von Kindern da, die haben so viel Mist und Reste zurückgelassen, das kann man nicht so lassen. Der Wald muss sauber bleiben. Ich kehre zusammen.“

Er warf den Kopf nach rückwärts, das Band löste sich und seine weißen Haare fielen ihn auf die Schulter. So im Gegenlicht sah er sehr würdig und sehr alt aus.

Paul schloss seine Augen und rief sich die Bilder der Nacht wieder in Erinnerung. Sollte dies alles ein Geheimnis zwischen ihm und Sebastian bleiben? Wussten denn die anderen im Dorf nicht, was sich im Wald abspielt?
Wenn ja, dann wollten sie scheinbar nicht darüber sprechen.

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"NOVELLEN GLOBAL"



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