Mittwoch, 10. März 2021

Einer langen Reise Ende, makabre Kurzgeschichte

 

 Einer langen Reise Ende.

Von Joana Angelides

 

 

Er sperrt seine Wohnungstüre auf.


Wahrscheinlich hat Olga, die Wirtschafterin seiner Eltern, die Wohnung noch kurz vor seiner Rückkehr durchgeputzt, gelüftet und trotzdem spürt man das Vakuum eines leeren Raumes. Das Loft wirkt unbewohnt, seelenlos. Naja, nach drei Jahren Abwesenheit!

Wo ist nun sein Gepäck? Oh Gott, er hat es am Flughafen vergessen…….

Das Loft scheint größer zu sein, als er es in der Erinnerung hat. Die Sonne zaubert Kringel auf den tiefroten, den Raum beherrschenden Teppich, der einseitig links in ein dunkles Blau übergeht. Im Kamin brennt Feuer, Seltsam…

 

Über dem Kamin hängt das ebenfalls tiefrote Bild von Manny, seinem Freund, einst gemalt zum Einzug in das neue Loft. Manny ist zwar Arzt, aber nebenbei malt er auch und zwar gar nicht schlecht. Es ist ein tiefrotes quadratisches Bild, nur im unteren Drittel rechts, farblich übergehend in ein dunkles Blau. Korrespondierend mit dem Teppich.

 

Die schwarze Sitzgarnitur beherrscht den Raum, die schwarze Marmorsäulen-Lampe mit dem Deckenfluter ist an. Der Kontrast zu den weißen, großen Bodenfliesen ist markant.

Und da, auf der Sitzgarnitur lümmelt lasziv Lyss, in einem durchsichtigen fast Nix.

Er starrt sie an.

„Was machst Du da, Du bist doch tot?“, stottert er.

„Du doch auch!“, flüstert sie und streckt einen Arm nach ihm aus.

„Ich bin nicht tot!“, seine Stimme klang hohl.

„Naja, noch nicht!“, flüsterte sie, „aber fast, Du wirst es nicht schaffen!“

„Was sagst Du da? Wieso sollte ich was nicht schaffen, was soll dieser Unsinn, verschwinde, Du bist eine Halluzination, Du bist gestorben im Pamir vor drei Monaten!“

„Mein Körper ist tot, ich aber, meine Seele und meine Gefühle leben weiter, solange ich mich noch nicht von Dir gelöst habe!“ 

„Aber ich habe mich gelöst! Bin im schweren Fieber im Hospiz in Tadschistikan die Wände hochgestiegen, habe nächtelang nach Dir gerufen, in meinen Fieberfantasien Dich festgehalten. Ja, damals bin ich fast gestorben!“


„Du bist aber heute am Flughafen zusammengebrochen und liegst nun auf der Intensivstation im Koma! Ärzte um Dich herum, auch Dein Freund Manny, sie haben Dich angeschlossen an Apparate, an Schläuchen, aber Du schaffst es nicht! Komm her……..“, flüstert sie leise.

Er taumelt zu ihr hin, fällt auf die Knie und lässt sich von ihr umarmen, atmet ihren Duft ein, spürte ihre weiche Haut………  sieht das helle Licht! Er lässt sich von ihr umarmen, festhalten. Er liebt sie, als wäre nichts geschehen, hört ihr leises Stöhnen und ihren erlösenden Schrei, ihr befriedigtes Lachen. Es macht ihn fast verrückt, er schwebt dem hellen Licht entgegen.


**

 „Schwester, Zimmer 12, Notalarm, er entgleitet uns!“, schreit der Oberarzt. Sofort eilen zwei Schwestern und die Stationsschwester über den Gang und schieben zwei Notfallwagen vor sich hin.

Der Patient wird ganz flach hingelegt, der Arzt schreit die Medikamentendosen, die Nadeln bohren sich in sein Fleisch.

 

Der Monitor zeigt eine gerade Linie, der Ton ist gleichbleibend, tödlich.

„Nichts, er atmet nicht mehr!“, sagt die Oberschwester und schaut auf ihre Uhr, „Eintritt des Todes 15:30Uhr“, wollte sie eben notieren.

„Nein, schnell Defibrillator! Schnell!“. Der Oberarzt will nicht aufgeben.

Es braucht drei Stromstöße und die Maschine beginnt wieder zu piepsen, am Monitor entstehen aus der geraden Linie wieder Zacken. 

„Wir haben ihn wieder!“, flüstert die Oberschwester. Ein Aufatmen geht durch das Team.

Dr. Manuell Bayer beugt sich über seinen Patienten.

„Na also, alter Schwede, wir haben Dich ja wieder. Reiß´ Dich zusammen, so einfach kannst Du nicht gehen!“, flüstert er leise.

Der Arzt verordnet noch einige Medikamente, gibt Zeitabstände vor und ordnet an, dass jemand dauernd den Monitor im Beobachtungszimmer im Auge behalten muss.

„Ich bin auf der Station, will sofort benachrichtigt werden, wenn sich was ändert!“, sagt er noch, bevor er das Team verlässt.

**

Der Patient liegt noch immer flach, atmet leicht. Seine Augenlider gehen aber unruhig hin und her.

 „Nein, nein“, flüstert Lyss nahe an seinem Ohr, „komm, lass los. Was willst Du noch auf dieser Welt? Wir haben uns geschworen, dass wir ewig zusammen bleiben wollen. Ich brauche Dich!“

 

„Ach Lyss, ich brauche Dich auch, ich bin im Hospiz im Pamir nur sehr langsam und schrittweise aus dem Dahindämmern erwacht, doch ich habe mir letztlich doch vorgenommen zu leben. Ich habe noch meinen Roman zu vollenden!“

 

Er küsst sie, fast verzweifelt, greift fester zu, doch sie wirkt plötzlich so filigran, er greift durch sie hindurch, sie scheint sich aufzulösen.

 

„Nein, bleib da!“, flüstert er. Das Licht im Raum wird heller, Schleier versperren ihm die Sicht, er greift nach ihr, doch sie war plötzlich weg. Einfach so.

 **

Der Patient im Spital öffnet zaghaft die Augen, da war es wieder, das helle Licht! Es war das Licht der Deckenbeleuchtung.

Der Monitor zeigt eine regelmäßige gezackte Linie, man hört seinen Herzschlag und der Tropf an seinem Arm arbeitet, kaum hörbar.

 

„Peter, da bist Du ja wieder! Willkommen im Leben!“, tönte die brummige Stimme von Dr. Manuell Bayer.

„Lyss?“, fragte Peter leise.

„Peter, Lyss ist tot. Das weißt Du doch. Ihr hattet einen Unfall im Gebirge, im Pamir. Du lagst dort zwei Monate in einem christlichen Hospiz, die meiste Zeit im Koma.  Die Rückreise nun hat Dich einfach überfordert. Du hast auch einen kleinen Virus mitgebracht, aber wir haben das im Griff!“, klärte ihm der Freund auf.

„Wie lange bin ich nun da? War ich gar nicht zu Hause?“

„Vier aufregende Tage, mehr tot als lebendig! Aber nun geht es langsam bergauf und nein, Du bist sofort vom Flughafen eingeliefert worden. Du bist dort  zusammengebrochen!“

„Lyss war da, sie wollte mich abholen….“, flüsterte Peter, dann schlief er unmittelbar wieder ein. Aber sein Atem ging nun ruhiger und war auch tiefer.

„Das, Lieber, haben wir verhindert!“, lächelte Manny, der Freund, löschte das Deckenlicht und verließ leise den Raum.



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Das Faktum M A N N, Glosse

 

Das Faktum  M A N N 

von Joana Angelides





Nach meiner Scheidung hatte ich beschlossen, zukünftig den männlichen Teil der Bevölkerung zu ignorieren und mich auf ganz andere, schönere und erfolgversprechende Dinge zu konzentrieren.

Auf die Kunst zum Beispiel.

Leider habe ich da offenbar Michelangelo, Donatello und Genossen völlig unterschätzt. Ihre Darstellungen des Männlichen springen einem schon ganz gewaltig ins Auge, denn besonders in den großen Museen Italiens, Griechenlands und Frankreich begegnet man überall muskelstrotzenden, stolz dreinblickenden, überdimensionalen männlichen Statuen. Sie zu ignorieren fällt daher schwer. Alles an ihnen ist ausgeprägt und betont… nur die prägnantesten Stellen, auf die man halt als Frau auch hinblickt, sind immer, und wenn ich „immer“ schreibe, dann meine ich es auch so, klein geraten. Als ob die Schöpfer dieser Statuen sie verschämt verstecken wollten. Obwohl, Größe liegt nicht immer auf der Hand, sie offenbart sich oft erst nach einer Weile.

Ich bin aber trotzdem doch zur Ansicht gekommen, dass das beabsichtigt war. Denn gerade solche offensichtlichen Untertreibungen reizen halt eben doch, sie genauer unter die Lupe zu nehmen! Und ich denke nicht, dass sich da die Betrachter früher von den heutigen sehr unterscheiden.

Durch diese optischen Reize und Gedankensprünge meinerseits bin ich zur Erkenntnis gekommen, dass es egal ist, worauf man sich konzentriert, man kann nicht die halbe Menschheit ignorieren. Besonders da es ja auch nicht mehr als Tabu gilt, zur Kenntnis zu nehmen und darüber zu sprechen, dass es auch gleichgeschlechtliche Beziehungen gibt. Durch eingehende Recherchen bei meinen Intimfreundinnen tat sich da eine mir bisher unbekannte Welt auf. Egal, ob man nun Männer oder Frauen an sich heranläßt, die Probleme die Gleichen sein können.

Außerdem muss man zugeben, dass die Kunst, Literatur und die Geschichte hauptsächlich von den Beziehungen beider Geschlechter in Schwung gehalten wird, so lange die Erde sich dreht! Obwohl sie in manchen Momenten still zu stehen scheint.

Mein Fazit eines einsamen Abends bei einem Glas Rotwein und der samtenen Stimme von Julio Iglesias aus dem CD-Player:

Männer sind schwierig, aber so ganz ohne sie geht es offenbar auch nicht!

  

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Surreale Zeitenwende, Satire

  Surreale Zeitenwende Von Joana Angelides   Wir leben in einer Zeit, in der der Schulterschluss von politischen Machthabern und Super...