Mein Liebster im Sarg
von Joana Angelides
Eigentlich wirkt
der Sarg so mitten im Wohnzimmer schon störend. Mir ist das gar nicht so
aufgefallen, aber als letztlich meine Mutter zum Kaffee da war, hat sie den
Überwurf etwas angehoben und die Haltegriffe bemerkt.
Meine Erklärung, er
war groß und gediegen und ein Schnäppchen, hat sie mit groß aufgerissenen Augen
und einer angehobenen Augenbraue quittiert.
Ja, und irgendwie ist
er schon sehr groß, aber was soll ich denn machen! Bloody besteht darauf, dass
er im Wohnzimmer stehen darf und nicht in das kleine Schlafzimmer verbannt
wird. Es stört ihn dort das Heiligenbild an der Wand. Ich kann es aber nicht
entfernen, es ist von Großmutter und hing schon immer dort.
Achja, Bloody ist
meine neue große Liebe. Kennengelernt haben wir uns in der Disco vor ein paar
Wochen und er hat mich dann nach Hause gebracht. Es war Liebe auf den ersten
Blick.
Wir haben uns dann
die ganze Nacht, zusammen gekuschelt auf der Wohnzimmerbank, unterhalten.
Er wußte soviel, hat
von vergangenen Jahrhunderten erzählt, von Persönlichkeiten der Geschichte, ich
habe nur so gestaunt.
Erst als schon der
Morgen nahte, ist Bloody gegangen.
Am nächsten Tag
trafen wir uns wieder in der Disco. Wie selbstverständlich gingen wir wieder zu
mir nach Hause.
Da fiel mir zum
ersten Male auf, dass er seinen Mantel, es war mehr ein schwarzer Umhang nicht
auszog, sondern mit diesem auf meiner Bank im Wohnzimmer Platz nahm.
In dieser Nacht
küssten wir uns zum ersten Mal.
Seit dieser Nacht
sind wir ein Liebespaar und Bloody ist bei mir eingezogen. Ich wollte es so.
Dann ließ ich mir eben diesen Sarg nach Hause liefern. Was erstens sehr
erstaunt in dem Bestattungsinstitut quittiert wurde und außerdem von meiner
Nachbarin durch die Vorhänge hindurch sehr misstrauisch beobachtet wurde.
Mein Bloody ist
nämlich ein Vampir.
Er wohnte schon seit
zweihundert Jahren in der Gruft einer adeligen Familie am nahen Friedhof. Aber
dort ist es ziemlich ungemütlich. Der Sarg, in dem er die letzten zweihundert
Jahre schlief, ist aus Stein. Außerdem will die Stadtverwaltung dort renovieren
und er müsste sich ein neues Quartier suchen.
Wissen sie, welche
Probleme so ein Zusammenleben mit einem Vampir mit sich bringen?
Jeden Morgen, noch
vor Sonnenaufgang müssen alle Vorhänge in der Wohnung zugezogen werden. Oder
der Deckel des Sarges muss geschlossen bleiben, es darf kein Lichtstrahl hineinfinden.
Schwierig wird das
nur am Wochenende, wenn Besuch kommt. Da haben wir eben die Lösung gefunden,
dass Bloody sich in den Sarg legt und ich schließe den Deckel. Über dem Sarg kommt
ein dicker Überwurf. Eben jener Überwurf, den meine Mutter anhob.
Es darf sich nichts
im Raum kreuzen und natürlich darf ich auch nicht mehr mit Knoblauch kochen!
Der Spiegel im Bad
musste abmontiert werden, es darf sich kein Lichtstrahl drin brechen.
Wenn ich abends von
der Arbeit nach Hause komme, benütze ich die Hintertüre beim Fleischer und hole
mir ein vorbereitetes Päckchen mit Leber und einem Fläschchen Blut ab. Meine
Ausreden und Erklärungen sind abenteuerlich!!!!
Aber die Nächte sind
unbeschreiblich schön, wir heben ab und fliegen durch das Universum, wir
erleben die Erfüllung der Liebenden und ich möchte diese Nächte nicht mehr
missen.
Es ist halt nur
schade, dass er erst zum Vampir wurde, als er schon das biblische Alter von 60
Jahren erreicht hat.
Wie soll ich ihn denn
meinen Freunden vorstellen? Als väterlichen Freund mit großen Eckzähnen und
einem stechenden Blick aus seinen schwarzen Augen?
Vorige Woche habe ich
ein paar weiße Hemden mit Rüschen und weiten Ärmeln gekauft, dann schließlich,
Vampir hin oder her, die Hemden muss man waschen!!
Wir haben auch
überlegt, ob er eigentlich was arbeiten sollte. Aber was? Er könnte höchstens
als Nachtwächter gehen oder in einer Blutbank arbeiten. Aber, dann wäre ich ja
in der Nacht wieder alleine!
Sein Ansinnen, einmal
seine Freunde einzuladen, habe ich abgelehnt. Wo sollte ich soviel Blut
hernehmen für die Drinks?
Natürlich bin ich
sehr darauf bedacht, dass seine Zähne nicht in die Nähe meines Halses kommen.
Denn wer besorgt dann die Nahrung für uns beide und was würde mein Chef sagen,
wenn ich nur nachts arbeiten könnte? Ganz zu Schweigen von meiner Mutter, die
doch so stolz auf mein tadelloses Gebiss ist und über so große Eckzähne sehr
erschrocken wäre.
Und schließlich, wer
will schon fünfhundert Jahre ein junges Mädchen sein?
Wir haben
beschlossen, ein Vampir in der Beziehung ist genug.
Und außerdem ist es
ja auch sehr praktisch, wenn man eine Beziehung einfach nur durch Öffnen der Gardinen
lösen kann und es löst sich alles in Staub auf!
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