ABSCHIED UND
ABFAHRT
von Joana Angelides
Am nächsten Morgen hörte man
das Klappern der Teller und Tassen aus dem Frühstückszimmer im ganzen Chalet.
Die Bediensteten hatten schon sehr früh damit begonnen, die Spuren des letzten
abendlichen Gelages zu beseitigen, den Tisch und die Sessel wieder ins
Frühstückzimmer zu tragen und das Buffet für die jungen Leute anzurichten.
Da das Haus fast bis zur Morgenröte
beleuchtet war und es lebhafte Geräusche gab, war anzunehmen, dass man auch
spät aufstehen würde.
Auch an Jean dem Chef des
Personal war die vergangene Nacht nicht spurlos vorübergegangen, da ja die
Szenerien sehr anregend waren und die Dienstmädchen willig, war bei ihm eine
bleierne Müdigkeit und Erschöpfung zu spüren, doch er ließ es sich nicht
anmerken.
Er ließ noch einen letzten
Blick durch den Raum gleiten, korrigierte noch Dieses und Jenes und begab sich
dann ins Haupthaus, um in der Küche einen belebenden Kaffee zu konsumieren, der
ihn wieder etwas auf die Beine bringen sollte. In den nächsten Tagen wird dann
in Bellevue Ruhe einkehren.
Nachdem die Paare im
Morgengrauen endlich von einander ließen und ermattet einschliefen war vorerst
Totenstille im Chalet. Da alle Türen offen waren, konnte man die tiefen
Atemzüge hören, oder manchen Seufzer, wenn Träume das Erlebte widerspiegelten.
Irgendwann wurde man wach und
es begab sich dann jeder in sein eigenes Zimmer um die verbliebene Nacht dort
zu verbringen.
Als Clemens ging, deckte er
den nackten Körper von Francois mit dem seidenen Laken zu, löste die
Blütenblätter von den Stielen und streute sie über sie. Schlaftrunken wickelte
sich diese in das Laken ein, lächelte und schlief weiter.
Amelie wurde ebenfalls noch
vor Paul wach, setzte sich auf und betrachtete den schlafenden Paul. Sie prägte
sich sein schlafendes Gesicht ein, strich ihm eine Locke aus dem Gesicht, hob
ihre Tunika vom Boden auf und ging mit einem Lächeln auf ihr Zimmer. Bevor sie
noch ein wenig weiter schlief, duschte sie lauwarm und strich selbstvergessen
über ihren Körper. Sie hatte ihn erst in diesen Tagen entdeckt und spürte ihn
nun sehr intensiv.
Anne-Marie löste sich aus den
Armen von Denis, der sie noch immer leicht umfing und glitt aus dem Bett. Sie
nahm ihre Tunika auf, schlang sie über den Arm und suchte die Pfauenfeder. Die
wollte sie nach Paris mitnehmen, als Andenken an diese Nacht, dann lief sie
hinüber in ihr Zimmer.
Gegen 10.00h vormittags
trudelten sie dann nacheinander im Frühstückszimmer ein. Der erste war Denis,
er hatte wieder seine sportliche Golfkleidung an, den Spencer einfach über der
Schulter geknotet und die Mütze unter dem Arm. So sah er gar nicht mehr wie
Gustav Klimt aus.
Dann kam Francoise. Sie hatte
ihre blonde Haarmähne im Genick gebunden und ließ sie einfach über den Rücken
bis zum Gürtel offen hinunterfallen. Sie trug wieder das leichte Sommerkleid
mit dem schwingenden Rock und die goldenen Sandalen und sah wie der Sommer in
Person aus.
Anne-Marie lief mit
elastischen Schritten die Treppe herab und trug ihren eleganten Hosenanzug zur
Schau. Ihre Füße steckten in weißen Pumps und passten zu ihrer übergroßen
Lacktasche.
Amalie jedoch ging die Treppe
sehr langsam herab und ließ ihre Hand vorsichtshalber über das Geländer
streichen. Wie sie vorausgesehen hatte, war ihre Haut so empfindlich, dass die ungewohnt
enge Kleidung bei jeder Bewegung Schauer und nervöse Zuckungen bei ihr
hervorrief und sie sich ganz und gar nicht an Berührung mit Stoff gewöhnen
konnte. Ihr Körper war noch immer in einer gewissen Spannung und Erregung und
jede Berührung erzeugten einen gewissen Druck in ihrem Unterbauch und auch das
Nervensystem hatte sich noch immer nicht beruhigt. Sie wusste nicht, wie sie
die Autofahrt überstehen wird. Ihr Sexus hatte über dieses Wochenende eine ganz
andere Bedeutung erfahren, sodass sie meinte, noch immer jeden Moment vor einem
neuen Orgasmus zu stehen. Ihre Knie waren weich und die Brustspitzen schmerzten
durch die Reibung der Bluse. Ob sie je wieder an einem solchen Treffen
teilnehmen wird dürfen? Sie wagte nicht, es zu fragen.
Paul stürmte wie ein
Wirbelwind als Letzter herein, verbreitete sofort gute Laune, plauderte mit
Jedem seiner Gäste und war der vollkommene Gastgeber.
Er hatte für jede der Mädchen
ein kleines Geschenk verpackt und überreichte es Ihnen mit einem Handkuss.
Heute war das Frühstück eben
nur ein Frühstück unter Freunden, keine Spur von lustgeladenen oder erotischen
Blicken oder Berührungen. Es war als hätte es die vergangenen zwei Tage nie
gegeben.
Als dann die Dienerschaft die
Gepäckstücke hinuntertrug und half die Autos damit zu beladen war der Moment
des Abschieds gekommen.
Sie umarmten und küssten sich
ein letztes Mal unter Lachen gegenseitig innig, jeder nahm seinen Platz ein,
die Autotüren fielen zu und die Autos setzten sich in Bewegung. Ein letztes
Winken aus den herunter gekurbelten Fenstern, dann fuhren sie die Auffahrt
hinunter und verschwanden in der Biegung.
Paul stand oben an der Treppe,
winkte zurück, zog an seiner Zigarette, drehte sich um und ging ins Haus.
Ein wundervolles Wochenende,
voller schwüler, lustgeschwängerter Ausschweifungen, hemmungsloser Erotik und
grenzenloser Lust war wieder einmal vorbei.
Doch es wird sich wiederholen,
vielleicht mit den Selben oder vielleicht mit anderen Protagonisten, oder in
Variationen.