Vereint
von Joana Angelides
Die kleine alte Dame trippelt langsam den Weg zum Bahnhof.
Neben ihr der Schutzengel vom Dienst. Sie hat keinen eigenen
Schutzengel, weil sie ja so selten das Haus verlässt.
Sie gehen vorbei an den Geschäften mit den bunten Auslagen, vor denen
Leute stehen und abwägende Blicke auf die angebotenen Waren werfen. Sie hat
kein Auge dafür. Mit ihrer kleinen Rente kann sie sich ja all diese Dinge
sowieso nicht kaufen. Sie muss froh sein, wenn es sich für das Nötigste ausgeht
und sie außerdem noch ein wenig auf die Seite legen kann für ihr Begräbnis, wie
sie allen erzählt.
Ihr Ziel ist der Bahnhof. Dort sitzt sie nun oft stundenlang, neben ihr
der Schutzengel und passt auf sie auf.
Manches mal setzte sich der Bahnhofsvorstand ein Weilchen zu ihr und
fragte sie, wie es ihr geht. Er kennt sie gut, sie ist die Witwe eines seines
ehemaligen Vorgesetzten. Vor vielen Jahren hatte dieser hier gearbeitet und sie
holte ihn damals öfters von der Arbeit ab. Dann ging er in Pension und er hörte
einige Jahre nichts mehr von ihm.
Bis sie plötzlich auftauchte, sich auf diese Bank setzte und den Zügen
nachsah. Sie erzählte ihm anfangs vom Tod ihres Mannes. Eines Tages sprach sie
darüber nicht mehr und erweckte den Eindruck, als wollte sie ihren Mann abholen
und wartet hier nur auf ihn. Sie hatte Bilder dabei und zeigte sie jeden, der
mit ihr sprach. Doch mit der Zeit wollte sich keiner mehr die Bilder anschauen
und die Menschen gingen rasch vorbei und lächelten nur. Dann betrachtete sie
die Bilder alleine und lächelte dabei still vor sich hin, bis sie sie wieder in
ihre kleine Tasche einsteckte.
Heute jedoch erwartete sie eine Überraschung. Ihre Bank war besetzt.
Sie verlangsamte den Schritt und näherte sich zögernd. Es war ein Bahnbediensteter
in voller Uniform, so wie sie ihr Mann immer getragen hatte. Von ihr und auch
dem Engel neugierig betrachtet. Sie grüßte leise und setzte sich an das andere
Ende der Bank. Der Engel stelle sich hinter sie.
Eine Weile saßen sie stumm nebeneinander.
„Der Zug aus St.Pölten kommt heute zu spät, er sollte schon da sein“,
sagte sie und lächelte den Mann schüchtern an.
Sie glaubte ein kleines Nicken gesehen zu haben und blickte wieder
geradeaus. So saßen sie wieder stumm nebeneinander, bis der Zug aus St.Pölten
einfuhr. Einige Fahrgäste stiegen aus, andere ein. Rasch leerte sich der
Bahnsteig wieder und es trat wieder Ruhe ein, nur durch Weinen eines kleinen Kindes unterbrochen.
Sie rückte näher an ihn heran. Er bemerkte es kaum. Sie blickte zu ihm
auf. Das einfallende Sonnenlicht blendete sie und sie glaubte in den Zügen
des Fremden, ihren Mann wieder zu
erkennen.
Der Engel erkannte das sofort und überlegte sich, ob er etwas tun
müsste, doch ihm fiel nichts ein.
So lange hatte sie gewartet, dass er wiederkam und nun war es so weit.
„Wir werden zusammen nach Hause gehen, ich werde Kaffee kochen und es
ist wieder wie früher.“
Sie rückte noch näher und schob ihren Arm unter den seinen. So saßen
sie eine Weile schweigend nebeneinander. Mit der freien Hand holte sie die
Bilder aus ihrer Tasche und schob sie in seine Hand.
Der Engel achtete darauf, dass keines der Bilder zu Boden fiel.
„Erinnerst Du Dich?“, Fragte sie.
Sie glaubte wieder dieses Nicken zu bemerken, legte ihren Kopf an seine
Schulter und schloß die Augen. Ein glückliches Lächeln legte sich über ihr
Gesicht, sie spürte seine Kraft und schmiegte sich noch näher an ihn.
Der Bahnhofsvorstand stand am Ende des Perrons und sprach mit dem
jungen Mann, der die jüngste Aktion leitete. Sie hatten am ganzen Bahnhof
lebensgroße Puppen in Uniform aufgestellt und die Reaktionen der Reisenden
beobachtet. Im Gespräch bewegten sich
die beiden Männer langsam in die Richtung der besetzten Bank.
Die alte Dame schien zu schlafen. Er konnte den Engel nicht sehen, der
hinter ihr stand und Ihren Kopf hielt und betete.
Der Vorstand neigte sich zu ihr hinunter, um sie zu wecken. Er rüttelte
sie leicht an der Schulter, doch sie rutschte ganz langsam nach unten und zog gleichzeitig ihren Arm
unter dem der Puppe hervor. Die Bilder aus der Hand der Puppe fielen ebenfalls
zu Boden und lagen nun verstreut zu ihren Füßen.
„Mein Gott“, entfuhr es ihm, er sah sofort, dass sie tot war. Das
glückliche Lächeln auf ihrem Gesicht berührte ihn und er richtete sie wieder
auf und lehnte sie wieder an die Puppe an. Dann erst griff er zum Telefon.
Der Engel hatte längst die Seele und das Lächeln der alten Dame in den
Himmel hinauf geleitet.
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