Freitag, 16. Oktober 2020

Meine kleine Fischtaverne, Kurzgeschichte, Reisebericht

 

Meine kleine Fischtaverne

von Joana Angelides

 


 

In dieser kleinen griechischen Taverne, nicht weit weg vom Trubel der Touristenströme,

aber doch noch unberührt vom Tourismus, treffen sich fast nur Stammgäste. Der Wirt kennt sie alle beim Namen und kennt auch ihre kleinen und größeren Probleme; denn manche seiner Gäste haben nicht nur ihr Herz bei ihm ausgeschüttet, sondern auch ihre Familienfeste in seinem Lokal gefeiert, Freud und Leid liegt sozusagen eng beieinander.

 

Da sind zum Beispiel die drei Baumeister Kosta, Lefteri und Harry. Drei völlig verschiedene Charaktere und doch seit Jahren in Freundschaft verbunden, zusammengeschweißt durch ihre gemeinsame Arbeit, verschiedene Erlebnisse, Erfolge und auch Pleiten.

 

Sie sind immer auf der Suche nach Aufträgen. Das war früher leichter als heute, viele Grundstücke wurden in dem kleinen Ort schon verbaut, es stehen nun Appartementhäuser darauf. Nur hin und wieder hält sich trotzig eines der kleinen Sommerhäuser zwischen den großen Häusern. Das sind die Themen, die unsere drei Baumeister bewegen.

 

Nacheinander kommen sie in die Taverne und bestellen durch lautes Zurufen dreimal Ouzo beim Wirt. Dieser nimmt die Bestellung durchzustimmendes Nicken des Kopfes zur Kenntnis. Er bringt drei kleine Fläschchen gemeinsam mit einer Schale Eiswürfel und einen Teller mit pikanten Häppchen und stellt alles auf den Tisch. Sodann bringt er auch noch einen Korb mit frischem Brot und eine große Karaffe mit kaltem Wasser. Die drei Freunde gießen den Ouzo langsam und bedächtig in die Gläser und geben je nach Geschmack ein oder zwei Eiswürfel dazu. Sofort färbt sich der Ouzo durch die schmelzenden Eiswürfel milchig ein. Sie stoßen an prosten sich zu und sehen sich dabei an. Dann nehmen sie einen kleinen Schluck und wenden sich den Häppchen am Teller in der Mitte zu. Es ist eine Auswahl des reichhaltigen Angebotes an Vorspeisen. Es ist bemerkenswert mit welcher Liebe jedes kleine Tomatenstück, jeder in Olivenöl angebratene Paprika zerteilt wird und gemeinsam mit einem Stück Weißbrot im Mund verschwindet.

Es ist Freitag nachmittags und sie unterhalten sich über die vergangene Woche, über die Hitze in der nahen Stadt der sie soeben entkommen sind und auch über den letzten Bestechungsskandal und über alle anderen kleinen Begebenheiten. Ihr dunkles, zufriedenes Lachen mischt sich mit dem Rauschen der Wellen und den gedämpften Geräuschen aus der Küche zu einer Symphonie der Lebensfreude.

Am übermütigsten ist immer Harry. Wenn einer seiner Freunde etwas Passendes zum Besten gibt oder einen Witz gut platziert, schlägt er mit der rechten Hand über den Tisch in dessen Hand ein und ruft ihm ein Prost zu, um gleich anschließend auch sein Glas zum Mund zu führen. Ihre Unterhaltung wird immer lustiger und lauter. Eigentlich sollte Harry nach Hause gehen, da seine Frau mit dem Essen auf ihn wartet, doch er kann sich nicht von seinen Freunden trennen und erzählt immer wieder lustige Geschichten und Anekdoten über die alle lachen, obwohl sie schon alle kennen. Nun kommen auch noch andere Gäste in das Lokal, die Tische werden besetzt und das Spiel für den Wirt beginnt wieder von neuem.

Einer wird besonders laut und freudig begrüßt und am Tisch für ihn Platz gemacht. Es ist Vassili, einer der Zulieferer für die Projekte der drei Baumeister. Er hat schon eine Stunde zuvor telefonisch einen großen Fisch am Rost   bestellt und setzt sich nun zu den Freunden; nicht ohne vorher eine große Geste der Begrüßung nach rückwärts in die Tiefe des Lokales zu senden und damit gleichzeitig zu signalisieren:

“Ich bin da, Ihr könnt servieren!”

 

Der Wirt ist schon unterwegs und bringt neuerlich einen Korb mit frischem Brot, vier Weingläser und einen zusätzlichen kleinen Teller. Den kleinen weißen Teller deshalb, da anzunehmen ist, dass auch Vassili von den kleinen Häppchen die noch am Tisch übrig geblieben sind, etwas nehmen wird. Dann eilt er wieder zurück und holt die bereits vorbereitete Fayence mit dem großen, am Rost durchgebratenen Fisch und stellt sie mit einer wahrlich königlichen Geste in die Mitte des Tisches. Einen leichten weißen Tischwein, die Lieblingsmarke der Freunde hat er unter dem Arm eingeklemmt und stellt ihn ebenfalls hin.

 

Der Fisch liegt nun in seiner ganzen Pracht hier mit leicht geöffnetem Maul und zwischen zwei Petersilienstämmchen lässt er die Zähne durchblitzen, das eine sichtbare Auge starrt ins Leere. Seine Außenhaut ist von der Holzkohle geschwärzt und in den Einschnitten ist das weiße Fleisch zu sehen.  Heute Morgen hat er noch gelebt und sich in den Fluten des Mittelmeeres getummelt Die Vergänglichkeit des Lebens wird in diesem Moment dem Betrachter nicht wirklich bewusst, es gewinnt schon mehr die Vorfreude auf den bevorstehen Genus die Oberhand.  Erst wenn ich diese Momente in meiner Erinnerung abrufe, drängt sich dieser Gedanke in mein Bewusstsein.

Ein großer Teller mit Salat, sowie eine kleine Schüssel mit einer Mischung aus Olivenöl und Zitrone folgen noch nach. Der Kopf wird nun von Vassili vom Körper des Fisches getrennt und zum Tellerrand geschoben. Mit der Gabel unter Zuhilfenahme der Finger wird nun die obere Hälfte des Fisches abgehoben und auf den vor ihm stehenden Teller gelegt. Das mit Zitrone vermischte Olivenöl wird mit einem Löffel sorgfältig über den Fisch gegossen. Mit einer einladenden Geste fordert er die Freunde auf, sich ebenfalls zu bedienen.

 

Der golden schimmernde Wein wird in die Gläser gefüllt, diese gehoben und alle prosten sich zu.

Kosta greift, wie immer, wenn sich die Möglichkeit ergibt, zum Kopf des Fisches. Er liebt es, diesen sorgfältig zu zerteilen und jedes kleinste Stück genüsslich in den Mund zu schieben. Nur wirkliche Kenner und Genießer von Fischen können einen Fischkopf mit einer solchen Perfektion zerteilen und auslösen.

Harry winkt ab. Seine Frau wartet; was ihn jedoch nicht daran hindert nach einigen Minuten doch zuzugreifen und sich dem verlockenden Genus hinzugeben.

Der Vierte im Bunde, Lefteri hat selbst kleine Fische bestellt und bekommt diese soeben serviert. Es sind kleine Goldbarben, die ein wunderbar zartes Fleisch haben und zu den “Edelfischen” gehören. Auch er bittet die Freunde zuzugreifen.

 

Es ist immer wieder ein wunderbarer Anblick, wenn Menschen voller Lebensfreude mit sich und der Natur vereint, sich dem Augenblick so hingeben können wie unsere Freunde.

 

Dieses Mahl wird sich sicher bis in den späten Nachmittag hinziehen.

 

 

Der Schlangenbaum, Erotik, Fantasie

 

Der Schlangenbaum

von Joana Angelides




 

Oh, es gibt die unterschiedlichsten Hexen.

Es gibt solche und solche und meine Hexe gehört zu den Solchen.

Zu jenen Hexen, die dich jeden Tag neu verbrennen.

 

Einige Male schon konnte ich beobachten, wie Esmeralda hinter dem Haus um einen Baum herumschlich, den ich früher noch nie bewusst gesehen habe. Oder war er früher gar nicht da?

Der Baum hatte einen dünnen Stamm, in sanften Biegungen nach oben strebend und dünne Äste.

 

Sie hob dann die Arme, lehnte sich an den Stamm und ich sah, wie sich ihre Lippen bewegten als würde sie ihm was zuflüstern. Sie bewegte dabei ihre Hüften ebenso, wie ihre Schultern im Takt irgendeiner Musik, die offenbar nur sie hören konnte. Sie umschlang den schlanken Stamm abwechselnd mit einem ihrer Beine und presste die Schenkel an. Dann bog sie sich zurück und ich konnte die vollen festen halbrunden Kugeln ihrer Brüste sehen.

Am Ende ihres Tanzes warf sie sich dann auf den Boden zu den Wurzeln des Baumes und blieb dort eine Weile liegen. Dann stand sie wieder auf und tat als wäre nichts geschehen und schlenderte ins Haus.

 

„Was machst Du denn immer bei dem Baum?“, fragte ich sie einmal neugierig.

„Es sind der Schlangenbaum und ich hole mir da Energie und Kraft, ich werde es heute Abend beweisen!“

 

Diese Antwort erregte mich natürlich immer. Den ganzen restlichen Tag konnte ich an nichts Anderes denken und meine Augen suchten, meist vergebens den Körper oder doch wenigstens den Schatten meiner Hexe irgendwo im Haus.

 

Es war auch heute so. Der Abend war schon weitgehend fortgeschritten und die letzten Gäste verließen das Lokal, Ich beeilte mich und ließ einiges einfach für Morgen stehen. Ich hatte es eilig ins Schlafzimmer hinauf zu kommen.

 

Als ich die Türe öffnete, brannte zwar die kleine Lampe am Fußende, doch von Esmeralda war noch nichts zu sehen. Auch als ich aus dem Bad kam, konnte ich sie nicht entdecken. Da hörte ich ihr leises Summen von draußen hereindringen und schaute aus dem Fenster. Da sah ich, wie sie sich förmlich um den Baum gewunden hatte, beide Schenkel umfassten den schlanken Stamm und sie bewegte sich verhalten, aber sehr intensiv im Rhythmus irgendeiner Melodie. Sie war lediglich mit einem dünnen grünen Schal bekleidet, ihre dunkle Haut schimmerte durch. ihr schwarzes Haar bedeckte ihren Rücken und die eingeflochtenen Glöckchen klirrten mit jeder Bewegung.

Ich rief leise ihren Namen, doch sie schien mich nicht zu hören!

Meine Erregung stieg ins Unermessliche, ich wollte an ihrer Ekstase teilhaben, wollte die Hitze spüren, die da immer von ihr ausging und lief, nackt wie ich war hinunter. Sie hörte mich nicht kommen, war vertieft in ihre Bewegungen. Ich näherte mich ihr, bis wir Hautkontakt hatten. Ich spürte, wie die Energie durch sie hindurch auch meinen Körper erfasste und unsere beiden Körper vereinten sich zu einem vibrierenden Tanz. Sie warf beide Arme zurück und zog meinen Kopf nach vor und ihre vollen Lippen schlossen sich um meinen Mund, ihre Zunge wurde fordernd und wild. Ich spürte wie sich die Welt um mich drehte und plötzlich begann auch der Baum sich zu biegen und zu winden und wir landeten zu Dritt auf dem warmen, von der Sonne des Nachmittags aufgeheizten Boden. Der Stamm des Baumes ringelte sich um uns, seine Rinde fühlte sich weich und schuppig an und er umschlang uns mit krampfartigen Bewegungen. Die Baumkrone schien mir wie ein überdimensionaler Schlangenkopf mit geöffnetem Maul und seine Äste waren wie Zungen, die über mein Gesicht glitten und zwei glühende grüne Augen versenkten ihren Blick in den meinen.

Esmeralda hatte nun ihre Beine um mich geschlungen, ihre festen Schenkel hielten mich fest wie ein Schraubstock und ihre Brüste drängten sich an meinen Brustkorb.

Wir waren ein Knäuel aus Beinen und Armen, das Züngeln der Schlange und unsere Küsse wurden zu einem Inferno, das Blut rauschte in unseren Adern und die Luft begann mir auszugehen. Die unzähmbare Lust begann meinen Körper zu erfassen und als sich unsere beiden Körper vereinigten kam es zu nicht endenwollenden Explosionen und Entladungen, zu einem Feuerwerk und züngelnden Flammen, die uns ringsum einschlossen und wir verglühten, ohne zu brennen.

Wir beruhigten uns nur langsam, erst der sanfte Nachtwind der Sommernacht ließ uns langsam wieder zu uns finden. Wir standen da, angelehnt an den schlanken Stamm des Baumes, rangen nach Atem und hielten uns aneinander fest, als würden wir ertrinken.

 

„Oh, was war das denn? Der Baum wurde lebendig……“, ich schrie es fast.

„Nein, das dachtest du nur, es ist eben der Schlangenbaum, denn die Sage nachsagt, dass eine ungehorsame Schlange vor vielen Jahren von einer Hexe verflucht und in diesen Baum verwandelt wurde. Sie muss nun für alle Ewigkeiten hier als ein Baum aufrecht stehen und darf sich nur in Neumondnächten ein wenig bewegen. Ist aber nur eine Sage.“

 

Sie schnippte mit den Fingern, hob ihren grünen durchsichtigen Schal auf und zog mich hinter sich her, hinauf ins Schlafzimmer. Dort warf sie mich auf das Bett und schwang sich leidenschaftlich über mich.

 

„Aber heute werden wir nachholen, was wir gestern versäumten, weil ich zu spät kam und du schon eingeschlafen warst!“

Die Nacht fand ihre Fortsetzung bis wir die ersten Vögel aus dem Garten hörten. Es war eine dunkle Nacht, denn es war Neumond und der kurze Schlaf danach war tief und voll wilder Träume.

 

 

 

 

 

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