Samstag, 20. Februar 2021

Briefe die das Leben schreibt! Kurzgeschichte

 


Briefe, die das Leben schreibt!

 Der alte, riesige Sekretär steht nun völlig nutzlos herum. Er ist abgegriffen, die rechte Ecke der Schreibplatte abgebrochen. Die Schreibplatte selbst zerkratzt und bekritzelt.

 

Jahrelang ist Paul hier gesessen, hat seine Briefmarken im Kegel der Schreibtischlampe unter der Lupe eingehend betrachtet und dann sortiert.

 Der Aufbau hat in der Mitte zwei Türen, einem Tabernakel gleich, verziert mit geschnitzten Jagdszenen und alten ganz abgegriffenen Messinggriffen.

 Rechts und links gibt es je drei Laden und darunter je ein offenes Fach. Sie hat alle Laden und Fächer ausgeräumt und ausgewischt. Eigentlich hätte sie das gar nicht tun müssen, er wird sicher in irgendeinem Depot des Altwarenhändlers landen und dort neuerlich verstauben. Wer kauft schon so ein altes Stück?

 Sie schließt die Augen und streicht mit den Fingerspitzen über die Kanten und Ecken.

Was ist das? 

Unter der Platte außen gibt es eine Erhebung, die sie vorher noch nie gesehen oder gespürt hat. Es ist ihr, als würde sich der Knopf bewegen. Zaghaft zwar aber unter größerem Druck lässt er sich verschieben und seitlich erscheint eine Lade. Sie ist bis zum Rande mit Briefen voll. Sie sind in kleine Päckchen zu je fünf Briefen mit je einem roten Band zusammen gefasst und sehen sehr alt aus.

Sie erkennt ihre eigene Handschrift.

Es sind Liebesbriefe, die sie ihm geschrieben hatte, als ihre Liebe noch ganz jung war und ihre Gedanken voller Sehnsucht und grenzenlos.

Er hat sie nie beantwortet, sagte immer, das ist „Weiberkram“, was gesagt ist, ist gesagt und bleibt gesagt für immer.

 Ihre Ehe war gut und harmonisch, er war ein zärtlicher Mann, verlässlicher Partner.

Und nun eröffnet sich hier ein kleines Fenster in seine Seele, das er ihr nie gewährt hatte. Ein Mann ist schließlich ein Mann!!!!

 Er liebte sie und das hat er immer gehalten und gelebt!

Sie hört noch immer sein tiefes Lachen, wenn er glücklich war, wenn er merkte, dass sie glücklich war.

 Aber Liebesbriefe schrieb er ihr nie!!

„Ich bin weder Napoleon und Du nicht Josephine, noch bin ich  Goethe“, pflegte er zu sagen und zwinkerte ihr zu.

 Seine Liebesbriefe waren die vielen kleinen Aufmerksamkeiten, die er ihr geschenkt während der Jahre hat, die Blumen, die er ihr gerne ins Haar gewoben hat, sein Lächeln, wenn er kurz von seinen Briefmarken aufgeschaut hat! 

Nun ist er gegangen. Ebenso leise, wie er gelebt hat.

Sie lächelt und wischt sich eine kleine Träne aus dem Gesicht!

 

 

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