Gefangen im Glasturm
von Joana Angelides
In der
Hoffnung, meine Liebe heute bei mir zu sehen,
fang ich den Tag an, schicke ihr eine schöne Rose und wünsche,
dass ihr meine Neigung immer so schön vorkommen möge,
als diese Blume aussieht".
(aus: Briefe an Charlotte von Stein von Johann Wolfgang von Goethe)
fang ich den Tag an, schicke ihr eine schöne Rose und wünsche,
dass ihr meine Neigung immer so schön vorkommen möge,
als diese Blume aussieht".
(aus: Briefe an Charlotte von Stein von Johann Wolfgang von Goethe)
Geliebter,
beim Lesen dieser Zeilen, stieg in mir die Erinnerung an eine nie
vergessene Zeit der Leidenschaft wieder empor und das sehnsuchtsvolle Ziehen in
meiner Brust betäubte mich fast.
Du weißt, wie sehr ich kühle Blüten auf meiner nackten Haut liebe. Wie
oft hast du das Bettlaken mit Blütenblättern überschüttet, deren Duft mich
betäubt hat, deren Kühle mir angenehme Schauer schenkten. Heute sehne ich mich
nach Wärme, Weichheit, doch es ist mir verwehrt.
Du hast spielerisch kleine Blüten in meinem Haar verteilt, mich mit den
zitternden Blütenknospen der Mimose an den Ohrläppchen und an der Nasenspitze
liebkost.
Und ich liebte diese Spiele.
Doch du hast meine ganze Leidenschaft und Lust an die Oberfläche
geholt, wenn du mit einer Schale loser, dunkelroter Rosenblätter neben mir kniend
die Blätter zwischen deinen Fingern zerriebst, mir den Duft einatmen ließest.
Der betörende Duft dieser Blüten lassen die Sinne sich schärfen und
wenn ich eine Rose berührte, sahen meine geschlossenen Augen die Gärten von Marrakesch
mit ihren vielen Rosenbäumchen und
flüsternden Springbrunnen.
Die Rose, die Blume des Orients, mit ihrem Ursprung in Persien, sie ist
für mich die Blume des Eros schlechthin.
Wir waren dann immer alleine im ganzen Universum. Wir dachten es ist
für ewig, bis, ja bis das Böse in unser Leben trat.
Es kam in Gestalt des Prinzen Amir, der die Zustimmung zur Heirat mit
mir von meinem Vater erpresste. Es gab da ein Versprechen vor langer, langer
Zeit und das wollte er nun eingelöst wissen.
Meinem Vater blieb nichts Anderes üblich, als sein Wort zu halten, es
hing sehr viel davon ab. Vor allem auch die Familienehre und der Fortbestand
seines Einflussbereiches.
Ich wurde dann sofort von allem isoliert, konnte meine Räume nicht mehr
allein verlassen und wir sahen uns nur mehr von Ferne. Ich konnte nicht mehr
mit dir sprechen, konnte dir keine Erklärungen geben.
Deine brennenden Augen glühten fast in deinem Gesicht, wenn du zwischen
den Sträuchern und Rosenbüschen zu mir herübersahst und ich verlor bei deinem
Anblick des Öfteren das Bewusstsein.
Mein Geliebter, ich sitze nun in einem gläsernen Turm, mit keiner
Möglichkeit zu fliehen. Ich konnte Amir nicht lieben, konnte ihm keine Kinder
schenken. Ich erweckte seinen Zorn und seine Wut und er ließ mich von seinem
Zauberer in diesen gläsernen Turm verbannen.
Hier soll ich nun bis zum Ende meiner Tage bleiben.
Die einzige Gesellschaft, die ich habe sind Blumen aus Glas, die sich
am Turm emporranken. Sie sind kalt und leblos, duften nicht.
Alles rund um mich ist aus Glas, Das Bett, der Stuhl und der Tisch,
jeder Gegenstand. Ich habe nur eine Decke, um mich vor der nächtlichen Kühle zu
schützen.
Und nun sitze ich in diesem gläsernen Turm, rund um mich eine endlose
Wüste bis zum Horizont und schreibe diesen Brief an dich. Ich weiß, dass du ihn
niemals bekommen wirst, doch ich spüre deine Gedanken, wie sie blind durch die
Finsternis irren, spüre deinen ohnmächtigen Zorn über dein Schicksal.
Seit einigen Tagen höre ich in meiner Einbildung zarte Flügelschläge,
als würden mich deine sehnsüchtigen Gedanken in der Weite der Wüste suchen. Aus
diesem Grunde habe ich beschlossen, diesen Brief an dich zu schreiben. Wenn ich
hier sterben, oder mich vielleicht auch in Glas verwandeln werde, wird er
gefunden und du kannst so mein Schicksal so erfahren.
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