Der Mann und sein Schreibtisch.
von Joana Angelides
Der Schreibtisch
eines Mannes ist sein Heiligtum, sein alleiniges Refugium, sein Schlachtfeld,
seine Burg.
Es gibt welche, die
sind wie eine Ehefrau. Sie stehen immer da, man kann sich anlehnen, seine Arme
um sie schlingen, seinen Kopf drauflegen. Es gibt meist Kaffe, wenn man den
Raum betritt, fürsorglich von einem guten Hausgeist hingestellt. Man kann die
Krawatte lockern, oder sogar abnehmen in seiner Gegenwart. Steht der Schreibtisch
zu Hause, stehen auch die Pantoffel bereit.
Es gibt meist keine
Überraschungen, alles ist auf seinem Platz. Die Politur ist schon ein wenig
abgenützt und hin und wieder klemmt eine Lade, sie quietscht und knarrt, wenn
man sie zu öffnen versucht, verweigert sich manchmal. Nicht immer, aber immer
öfter. Dann lässt man/n es und verschiebt es auf Morgen. Oder irgendwann.
Man kann sich auch
dahinter symbolisch vergraben und Unangenehmes delegieren. Alles steht auf
seinem Platz und wenn einmal nicht, erregt das Unverständnis und Entrüstung.
Wenn man müde ist,
kann man einfach das Licht ausknipsen, sich umdrehen und schlafen gehen.
Allerdings gibt es
auch Schreibtische, die mit einer Geliebten zu vergleichen sind. Das sind jene
Schreibtische, die nicht zu Hause stehen. Sie stehen meist im Büro, sind meist
etwas schlanker als das schon länger in Gebrauch befindliche Modell zu Hause.
Auch ist die
Oberfläche meist poliert, von Alltäglichem verschont und gelegentlich mit
Blumen geschmückt. Die Laden und Türen laufen wie auf Rädern, man muss nur hin
und wieder was investieren um mühelos zum Innersten vorstoßen zu können.
Man nähert sich meist
frisch rasiert, nach Rasierwasser duftend, mit gebügeltem Anzug.
Selten kann man noch
vor Bürobeginn Zeitung lesend dort lümmeln und wenn jemand das Zimmer betritt, muss
man höflich antworten, anstatt nur zu brummeln.
Man kann auch
jederzeit diesen Schreibtisch verlassen, ohne sich rechtfertigen zu müssen!
Sollte man am
Wochenende Lust verspüren, kann man ihn jederzeit aufsuchen, man hat ja die
Ausrede von viel Arbeit oder Konferenz im Büro.
Er ist allseits
bereit, steht glänzend im Raum und niemals wird er ein Wort darüber verlieren,
wenn er ihn nach einer Weile wieder verlässt, er hat ja schließlich Frau und
Kinder daheim.
Nun gibt es aber auch
andere Arten von diesen Möbelstücken.
Weder mit Ehefrau
noch mit Geliebter zu vergleichen
Da ist ein
Schreibtisch, aufgeräumt, nichts zu sehen, als die Schreibunterlage, eventuell
ein Bild, ein Aschenbecher, allerdings nur, wenn der Besitzer Raucher ist.
Sagt dies nun, dass
der Mann, der hinter diesem Schreibtisch für gewöhnlich sitzt, nichts arbeitet?
Oder ist er eher fleißig, ordentlich oder gar penibel ordnungsliebend?
Meist ist er nur zu
faul um zu suchen.
Er hat auch weder
Sekretärin, die hin und wieder zusammen räumt, noch Geliebte. Dafür wäre er
auch zu faul. Denn es ist schließlich ja mühsam, sich immer danach wieder
anzuziehen und nach Hause zu fahren.
Im Gegensatz zu jenem
Schreibtisch, total bedeckt mit einem unübersichtlichen Berg von Papieren,
Zetteln mit Notizen, Stiften und Aschenresten, einem aufgeschlagenen Buch,
darauf eine Brille. Diese Schreibtische stehen meist im trauten Heim. Der
Eindruck für Außenstehende ist überwältigend! Was für ein beschäftigter Mann,
durch irgendwas wurde er heraus gerissen aus der Arbeit.
Der Vergessliche,
Zerstreute. Er kann sich eine Geliebte gar nicht leisten, würde sich sicherlich
immer versprechen oder irgendwo etwas vergessen. Wäre ja peinlich, wenn das
Schmuckstück für die Geliebte, inklusive Visitenkarte unter dem Berg von
Papieren vermisst und von der Ehefrau dann gefunden wird.
In solchen Fällen
empfiehlt es sich aber, Frau und Geliebte prinzipiell mit "Mausi" zu
titulieren, dann fallen einen viel schneller Erklärungen ein!
Man kann sicher nicht
alle Schreibtische und ihre Benützer generell in oben genannte Gruppen
einteilen, Ausnahmen bestätigen die Regel.