Sonntag, 6. Dezember 2020

FAST EIN ENGEL, Kurzgeschichte, Weihnacht

 


FAST EIN ENGEL


von Joana Angelides


Wie jeden Tag, gegen Mittag kommt ein vielleicht 12-jähriger Bub und führt seine Schwester mit ihrem Tragkorb zu der Stiege bei der Ponte die Pugni in der Nähe vom Campo San Barnaba in Venedig. Dort steht immer ein Maronen und Kartoffel Bräter und bietet seine Ware an. Der Ofen strahlt Wärme aus. Das Mädchen hat einen Korb mit kleinen Blumensträußchen mit, die sie dort feilbietet. Sie setzt sich auf ihrem mitgebrachten Polster auf die vierte Stufe der Treppe und zieht den Umhang enger um sich und lächelt ins Leere. Erst nun bemerkt man, aber nur, wenn man neben ihr steht, dass sie blind ist. Der Bub rückt ihr noch den Schal zurecht und streicht ihr dann über die Wange, was ihr Lächeln vertieft, und läuft die Treppe hinauf und lässt sie allein.  Er wird sie am späten Nachmittag wieder abholen.

Und wie jeden Tag auch, kaum, dass sie dort sitzt, erklingt aus dem zweiten Stock des Palazzos Fini leise Geigenmusik. Sie hebt den Kopf, blickt hinauf und lauscht. Sie liebt es,

Am Balkon des Palazzos steht ein junger Mann und spielt, nur für sie! Er verlässt kaum das Haus, lebt nur seiner Musik. Er hatte als Kind einen Unfall und hinkt seitdem und ein Teil seines Gesichts hat eine üble Narbe, die von der Stirn über das linke Auge bis zur Wange geht und ihn entstellt. Er hasst die mitleidigen und neugierigen Blicke der Menschen und bleibt daher lieber zu Hause.

Er spielt heute „Nessun Dorma“ aus Puccinis Turandot und sie lauscht ihm verzückt! Ihr Lächeln ermutigt ihn. Vielleicht sollte er es doch wagen? Einmal nur ihre Hand berühren, ihre Stimme hören?

Er könnte ja einen Kapuzenumhang nehmen, den Kopf geneigt lassen?

Als er neben ihr steht, hebt sie ihre Hand und reicht ihm eines der Blumensträußchen.

„Das ist ein kleiner Dank, für Ihre Musik. Heute ist vigilia di Natala, Weihnachtsabend, bitte nehmen Sie!“

Er beugte sich herab und sieht zuerst nur ihr bezauberndes Gesicht und dann erst, dass sie blind ist!

 

„Darf ich Ihr Gesicht berühren? Wie ist Ihr Name?“, fragt sie leise und hebt die Hand.

„Ja!  Mein Name ist Angelo“, stammelt er.

„Oh, Angelo, ein Engel! hab mir schon gedacht, dass nur ein Engel so schön spielen kann!“, lächelte sie und tastet sich über sein Gesicht mit geschlossenen Augen, „un bel viso, ein schönes Gesicht!“

„Wirklich, finden Sie?“, fragte er mit leiser, verhaltener Stimme.

„Ja, und eine wunderbare Stimme, una voce meravigliosa!“.

Sie lachte dabei und ihr Lachen klang wie eine silberne Glocke, sodass einige Leute sich lächelnd umdrehten.

„Eigentlich sollte mein Bruder schon wieder da sein, habe schon fast alle Sträußchen verkauft!“, sagte sie dann und ein suchender Ausdruck prägte ihre Miene.

„Darf ich Sie nach Hause begleiten? Es würde mir Freude bereiten!“

Als er dann, das Mädchen am Arm führend, die Treppe hinaufging, streifte er die Kapuze ab. Es war im egal, ob ihn wer ansah, oder nicht. Ihre Schönheit überstrahlte sowieso alles!

 

 

 

 


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