Montag, 25. April 2022

Die Vampire tanzen, vampirig

 

Die Vampire tanzen.

von Joana Angelides






Ob er heute wieder da sein wird?

Sie schlendert durch den bereits in Dunkelheit versinkenden Park gegenüber ihrem Haus. Um zu ihrem Haus zu gelangen, mußte sie den Park durchqueren, um nicht einen großen Umweg in Kauf nehmen zu müssen.

In den vergangenen Tagen hatte sie immer um die gleiche Zeit eine seltsame Begegnung mit einem sehr einsam wirkenden Mann, der wie ein Schatten aus dem Nichts auftauchte. Er war sehr schüchtern, sehr zurückhaltend, aber ausgesprochen freundlich.

Er mußte sie schon von weitem hören können, denn sie sah ihn jedesmal von der Parkbank aufstehen und in Richtung der Biegung des Weges blicken, wenn sie den Park am oberen Ende betrat.

Sie tat dies sehr leise, sich am Tor vorbeidrückend, um von ihm nicht gleich bemerkt zu werden. Und trotzdem stand er jedesmal auf, schon, wenn sie den ersten Schritt in den Park setzte, um sich dann wieder zu setzen.

 

Am ersten Tag ihrer Begegnung hätte sie ihn fast übersehen. Er saß ganz am Ende der Bank, fast von Gebüsch verdeckt. Sie wäre an ihm vorbeigegangen, ohne ihn zu bemerken, wenn ihr nicht die Tasche von der Schulter gerutscht wäre und zu Boden fiel.

Er sprang aus der Dunkelheit hervor und hob die Tasche auf und überreichte ihr diese mit einer eleganten, sehr altmodisch wirkenden Verbeugung.

Seine dunklen brennenden Augen nahmen sie sofort gefangen. Sie lächelte ihn dankend an.

 

So kamen sie ins Gespräch.

Er liebt den Park, nachts wenn es dunkel ist, wenn die Schatten undurchdringlich werden und es kleine Geräusche gibt, undefinierbar und verhallend.

 

Sie erzählte ihm, dass sie sich eigentlich im Park fürchtet und bisher immer versuchte noch vor Eintritt der Dämmerung diesen zu queren, um zu ihrem Haus zu kommen. Vor allem hatte sie Angst vor den Fledermäusen, die immer um die Lampen herumschwirrten und so seltsame Geräusche von sich gaben.

Sein Lachen war kehlig und es kam ihr einen Augenblick lang sogar unheimlich vor.

Eigentlich fand sie es ja sehr ungewöhnlich, dass er jeden Abend hier saß und scheinbar auf etwas wartete, das nie kam.

Auch heute war er wieder hier und schien zu warten. Sie steuerte auf die Bank zu und setzte sich neben ihn, ließ aber einen größeren Abstand zwischen ihnen beiden.

„Es wird kalt werden, der Winter kommt“, sagte sie.

„Ja, die Blätter sind schon teilweise abgefallen und gelb gefärbt. Die Kälte umgibt uns und der Wind zerrt an unseren Kleidern. Auch die Tage werden kürzer und die Nebel kriechen in Bodennähe.“ Er sagte das völlig leidenschaftslos, ohne besondere Betonung und doch spürte sie, dass es ihm Angst machte.

„Wo wohnen sie denn?“

Er machte eine vage Bewegung in Richtung des alten verfallenen Fabriksgeländes.

Sie wußte, dort lebten einige Obdachlose, hatten sich eingenistet in den zugigen Gängen und Hallen der alten Sargfabrik.

Sie schaute ihn mit einem verstohlenen Blick von der Seite an. Eigentlich sah er gar nicht wie ein Obdachloser aus. Seine Kleidung war schwarz, sein Umhang ebenfalls, seine Schuhe waren zwar altmodisch, aber völlig in Ordnung.

„Dort können sie doch nicht wohnen, das Gebäude ist ja halb verfallen!“

„Ich habe Freunde dort, die ich täglich besuche. Wenn sie möchten, könnten wir hinübergehen und ich stelle sie vor?“

„Naja“, sie war sehr unentschlossen.

Er ignorierte ihr Zögern und stand auf.

„Aber ich werde sie tragen, dort ist der Boden aufgeweicht und der heutige Regen machte den Boden dadurch grundlos“.

Bevor sie sich dagegen wehren konnte, hatte er sie auf den Arm genommen. Er trug sie mit einer Leichtigkeit, als würde er schweben. Oder schwebten sie wirklich?

 

Am großen Tor der Fabrik setzte er sie behutsam ab und ging vor ihr in die Dunkelheit.

Um nicht alleine am Tor stehen zu bleiben bemühte sie sich unmittelbar hinter ihm zu gehen und nirgends anzustreifen, es war alles voller Spinnweben und irgendwo hörte sie Wasser tropfen. Das Geräusch ihrer Schritte hallte nach.

 

„Ich möchte wieder zurück“ flüsterte sie.

 

„Wir sind gleich da, haben sie keine Angst!“

Er drehte sich zu ihr um und sie konnte sein bleiches Gesicht mit den dunklen brennenden Augen im Halbdunkel sehen.

 

In diesem Moment kamen aus eben diesem Halbdunkel der großen Halle zwei weibliche Gestalten in ungewöhnlich langen Kleidern auf sie zu und aus einer der beiden Türe an der Seite trat ein sehr großer, hagerer Mann und begrüßte sie beide mit einem Kopfnicken.

 

„Du kommst spät, die Party läuft längst“ Er sprach kehlig, mit einem leisen Vorwurf in der Stimme.

Die beiden Frauen nahmen sie in die Mitte und zogen sie tiefer in die Halle hinein und erst jetzt konnte sie sehen, dass sich mehrere Menschen im Hintergrund aufhielten und einige eng umschlungen im Vordergrund tanzten. Rechts waren einige Nischen, in denen sich Pärchen aufhielten, die eng umschlungen da saßen und die Welt um sich vergessen schienen.

Es sah alles sehr unwirklich und auch irgendwie desolat aus.

Pärchen hielten sich eng umschlungen, einige Gesichter auf den Hals des Anderen gedrückt lagen sie halb in den Sitzgarnituren, scheinbar völlig bewegungslos.

 

Während dessen spielte im Hintergrund eine Musik, die aus dem Nichts zu kommen schien.

 

Im fahlen kalten Licht der Fabrikslampen konnte man nichts Genaueres erkennen. Die Lampen hingen sehr hoch oben und schwangen leicht hin und her und erzeugten bewegliche Schatten an den Wänden, vorgaukelnd, es wären viel mehr Menschen im Raum, als tatsächlich da waren.

Die Lampen warfen auch Schatten an die Wände und es kam ihr vor, als würden schwarze Gestalten, Fledermäusen nicht unähnlich, durch den Raum schweben.

Einige der Anwesenden waren ganz in Schwarz gekleidet, andere wieder waren jene typischen Obdachlosen, die kurios anmutende Kleidungsstücke kombiniert hatten. Diese wurden von den schwebenden, schwarz gekleideten Gestalten regelrecht umschlungen, hingen kraftlos in ihren Armen.

 

An den Wänden lehnten einige der Tänzer, bleich und völlig ermüdet, hielten sich kaum noch aufrecht und schauten mit völlig leeren Augen in den Raum.

 

Sie befreite sich aus den Armen der beiden Frauen und suchte mit den Augen nach dem Mann der sie hier hergebracht hatte. Doch sie konnte ihn nicht finden und geriet in Panik.

Sie wurde auch einige Male zum Tanz aufgefordert, doch es gelang ihr immer wieder sich zu verweigern.

Das Gefühl der immer stärker aufsteigenden Panik in ihr trieb sie den Weg, den sie gekommen war zurück.  Sie verlor einen ihrer Schuhe, als einer der schwarz gekleideten Männer sie am Arm festhalten wollte.  Um besser laufen zu können, warf sie auch den zweiten weg.

Endlich hatte sie den Ausgang des Gebäudes erreicht!

 

Dann lief und lief sie durch den Morast des Geländes ohne stehen zu bleiben und ließ die unheimlichen Geräusche und Musik hinter sich. Sie blieb erst wieder stehen, als sie im Park war und die Lichter der Häuser am anderen Ende sehen konnte.

Jetzt erst merkte sie, dass sie die ganze Zeit den Atem angehalten hatte.

Sie holte nun einmal tief Luft und lief auf diese Lichter zu. Endlich stand sie völlig verschmutzt, zitternd und ohne Schuhe vor ihrem Wohnhaus. Mit bebenden Fingern fand sie das Türschloß und begann erst wieder normal zu atmen, als die Türe hinter ihr ins Schloß fiel.

 

Was war das? Hatte sie eine Vision, war das eine Täuschung der Sinne im dämmrigen Park?

 

Völlig erschöpft ließ sie heißes Wasser in die Badewanne ein und gab sich dem wohltuenden, sie umschmeichelnden Naß hin.

Als sie am Morgen beim Frühstück saß und der Duft des frisch gebrühten Kaffe durch die Wohnung zog, erschien ihr das Erlebnis des vergangenen Abends so unwirklich, dass sie überlegte, ob es nicht doch ein schrecklicher Traum war.

 

Doch die Tatsache, dass sie ihre Schuhe nicht finden konnte und der Mantel im Vorraum sehr verschmutzt am Boden lag, holte sie in die Wirklichkeit zurück. Sie nahm sich vor, in den nächsten Tagen doch lieber den Umweg zu wählen, anstatt durch den Park zu gehen.

 

Wie immer kaufte sie ihre Zeitung am Kiosk und stieg in den Bus ein. Er war nicht sehr voll und sie fand einen Platz und begann zu lesen.

Der Schrei der ihr entfuhr veranlaßte alle Mitfahrer sie anzustarren.

 

Sie mußte es immer und immer wieder lesen:

 

„In den frühen Morgenstunden wurde eine Polizeistreife auf das stillgelegte Firmengelände der Sargfabrik Mühlmann & Co aufmerksam, da dort seltsame Musik, Licht und viele Stimmen zu hören waren. Sie forderten Assistenz an und betraten das Gelände.

Die Polizei fand zahlreiche Obdachlose die auf Gerümpel und alten Möbeln lagen und saßen. Sie waren teilweise betrunken, teilweise völlig apathisch oder bewußtlos. Sie wiesen zahlreiche Wunden, Bissen gleich, am Hals und den Handgelenken auf. Sie hatten sehr viel Blut verloren und eben diese Tatsache gibt viele Rätsel auf; die Vorkommnisse werden untersucht. Die aufgefundenen Opfer verschiedener Altersstufen konnten noch nicht einvernommen werden und befinden sich noch in ärztlicher Betreuung.

Die oberen Stockwerke mit dem noch vorhandenen Sarglager wurden versiegelt. Das Gelände wurde geräumt und abgesperrt“.

 

 

 

Die Mutation des Katers Lord, vampirig

 

Die Mutation des Katers Lord.

von Joana Angelides



 

Vor einigen Tagen ist gegenüber von mir ein junges Mädchen eingezogen. Sie ist wohl nur nachts aktiv, da bei Tage die Vorhänge immer zugezogen sind, und man keine Bewegung wahrnimmt. Anfangs hat mich das nicht sonderlich interessiert, und ich habe nur selten von meinem Zeichenbrett aufgeschaut. Aber irgendwie wurde dann doch meine Neugier geweckt. Man will ja schließlich wissen, wer so in der Nachbarschaft wohnt.

 

Auch Lord, mein Angorakater, wollte das ergründen. Vor ein paar Tagen sah ich ihn auf dem Geländer des Balkons balancierend hinüberschleichen. Unhörbar und vorsichtig sprang er herunter und versuchte, zwischen den Vorhängen der Balkontüre etwas zu erspähen. Man konnte sein leises Miauen hören. Er schlich den Balkon entlang. Aber scheinbar war nichts Interessantes zu beobachten, und so kam er wieder zurück. Er nahm zu meinen Füßen Platz und rollte sich ein. Ich konnte ein unwilliges Schnurren hören, wie mir schien. Und er war angespannt. Das zeigte sein Schwanz ganz deutlich. Die Spitze blieb keinen Moment lang ruhig. Sie ging hin und her, und auch die Ohren waren dauernd in Bewegung.

 

Die Unruhe meines Katers steckte mich an. Zwischen den einzelnen Zeichnungen legte ich immer öfter den Bleistift fort und blickte hinüber zu dem leeren, einsamen Balkon.

Heute legte sich die Dämmerung schon früh über die Stadt. Es war Herbst, und die Tage wurden kürzer. Da, eine Bewegung gegenüber. Ein nackter Arm erschien zwischen den Vorhängen, und die Balkontüre wurde einen Spalt breit geöffnet. Dieser nackte Arm erregte mich. Er war wie eine lockende, mich fordernde und zugleich in die Schranken weisende Geste. Ich stand auf und trat an die Balkontüre. Auch Lord hatte die Bewegung bemerkt und schoss augenblicklich zwischen meinen Füßen hindurch. Ich beobachtete ihn, wie er wieder über das Geländer balancierend auf leisen Pfoten den gegenüberliegenden Balkon erreichte und durch den Türspalt im Zimmer  verschwand. Ja, so eine Katze hat eben andere Möglichkeiten als wir.

 

Ich kehrte zu meinem Schreibtisch zurück, knipste die Lampe an und versuchte weiterzuarbeiten. Doch meine Gedanken waren bei Lord. Was machte er da drüben so lange? Normalerweise war er sehr scheu. Dieses ‚Hingezogensein’ zu meinem Gegenüber wunderte mich. Inzwischen war es dunkel geworden, und meine Neugier wurde  immer intensiver. Ich trat auf den Balkon hinaus und begann, meinen Kater zu rufen. Da öffnete sich die Türe ganz, und meine neue Nachbarin erschien. Auf dem Arm trug sie Lord, der sich an sie schmiegte und sich mit geschlossenen Augen von ihr kraulen ließ.

 

Sie trug ein langes, schwarzes Hauskleid, sehr weit und mit glitzernden Effekten ausgestattet, die bei jeder Bewegung kleine Lichtpunkte aussandten. Ich bemerkte ihren tiefen Ausschnitt, gerahmt  von Lords felligem Körper. Mein Kater genoss es sichtlich, mit ihrer nackten Haut in Berührung zu kommen. Ihr Lächeln war geheimnisvoll und verhalten. Es schien durch die Dunkelheit zu mir herüberzuleuchten. Ihr langes Haar berührte ihre Schultern und umrahmte ihr blasses Gesicht mit dunklen, brennenden Augen. Sie neigte den Kopf etwas seitwärts und entließ Lord mit einer kurzen Bewegung auf den Boden.

 

Dort entdeckte ich eine weitere Katze, die neben ihren Beinen stand, und sich mit erhobenem Schwanz an ihnen rieb. Beide, Lord und diese fremde Katze, rieben nun ihre Köpfe aneinander, und  eine seltsame Vertrautheit schien zwischen ihnen zu sein. Sie schnurrten und knurrten und wälzten sich schließlich auf dem Boden. Ich hob meine Hand und deutete einen Gruß an. Meine Nachbarin hob die linke Schulter und ihre kleine entzückende Hand. Inzwischen war Lord auf meinen Balkon zurückgekehrt und schmiegte sich an mein Bein. Es war eine Geste, mit der er um Entschuldigung bat für sein langes Ausbleiben. Wir gingen hinein. Der Abend verlief sehr ruhig. Ich las, und Lord saß an der Balkontüre und schaute unentwegt hinüber. Meine Nachbarin musste weggegangen sein, denn es brannte kein Licht, und keine Bewegung war auszumachen.

 

Die Nacht  schritt voran, dunkel und spröde wie schwarzes Glas. Ich lag in meinem Bett und wälzte mich hin und her. Ich hatte den Eindruck, dass diese dunklen, brennenden Augen über mir wachten. Dieses geheimnisvolle Lächeln und die vollen Lippen kamen mir immer näher. Lord lag am Fußende meines Bettes. Ich hörte sein leises Schnurren, das mir seltsam verändert vorkam. Es war lauter, unruhiger. So, als würde er schlecht träumen. Ich sprang auf und öffnete die Balkontüre etwas weiter, um frische Luft hereinzulassen. Dann legte ich mich wieder auf mein Bett. Mit offenen Augen starrte ich an die Decke und sah vereinzelt Lichter von draußen sich am Plafond treffen und wieder verschwinden.

 

Allmählich spürte ich, wie sich endlich der Schlaf einstellte. Er kam wie ein Schatten über mich, senkte sich langsam herab.  Ich schloss  die Augen, und der Schatten legte sich warm und weich auf mich. Ich spürte den Hauch des tiefen Schlafes. Geheimnisvolle Wesen flüsterten mir unglaubliche Worte ins Ohr. Die Bettdecke wurde zu einem  fordernden, drängenden Körper, mich umschlingend und umschließend. Ich spürte weiche, warme Lippen, die meinen Hals berührten, und dann einen stechenden Schmerz, als sich kräftige Zähne in meinen Hals bohrten. Doch ich empfand diesen Schmerz wie das Liebkosen mit roten Rosen voller Dornen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Es hob mich empor. Ich schwebte zwischen Himmel und Erde, und ihr weißes Gesicht leuchtete über mir.

 

War es ein Traum? Ich öffnete meine Augen und versank in einem tiefschwarzen Augenpaar mit grünen Lichtern und einem furiosen Feuerwerk. Ihr federleichter Körper löste sich von meinem, hielt über mir Sekunden lang inne, um sich dann schwebend in  Richtung der Balkontüre zu entfernen. Dort saß Lord mit funkelnden Augen. Sein Fell war gesträubt. Mein Angorakater hatte ein prächtiges Volumen. Seine Augen zeigten ein eigenartiges Feuer, und seine spitzen Eckzähne waren deutlich zu sehen. Wir waren eine Einheit, spürten unsere totale Übereinstimmung. Schlagartig wurde mir klar, dass Lord und ich in eine andere Welt eingetreten waren. Eine Welt, die darauf wartete, von uns weiter erforscht und ausgelotet zu werden. Dieser wunderbare Körper, der vor wenigen Minuten in mir aufgegangen war, schwebte wie selbstverständlich zum gegenüberliegenden Balkon und verschmolz mit der Dunkelheit des Raumes.

 

Wusstest du, dass Vampire Haustiere haben? Ich habe Lord, meinen Angorakater.



 

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