Der
Zauberer Paron und der schwarze Felsen
Als der schwarze Rabe
mit an sehen mußte, wie die Hexe Bora in den Spiegel gefangen genommen wurde,
flog er davon, um den Zauberer Paron zu suchen.
Dieser Zauberer, das
wußte er, hatte sehr große Kräfte und konnte aus dem Reiche der Finsternis
Hilfe holen. Die Hexe mußte unbedingt wieder befreit werden. Doch der Rabe
wußte auch, zuerst mußte er den großen schwarzen Felsen erreichen, in dessen
Inneren er zusammen mit der Hexe Bora gelebt hatte.
Denn nur von dort
konnte er mit dem Zauberer Kontakt aufnehmen.
Inzwischen ist im Feenreich wieder
Ruhe eingekehrt. Die Feenkönigin hatte einen neuen Spiegel machen lassen, den
sie ja schließlich für ihre Garderobe brauchte. Alle Schäden im Schloß wurden
behoben, und wieder alle Vorhänge frisch genäht und aufgehängt.
Das Zauberbuch der
Hexe Samantha wurde wieder vorsorglich weg gesperrt, damit sie ja nur nicht
wieder falsche Zauberverse verwenden konnte.
Die kleine Hexe
Samantha mußte gleich am nächsten Tag wieder vormittags in die Schule gehen und
am Nachmittag im Garten arbeiten. Sie lernte alles über Kräuter, Blumen und
Sträucher und wie man sie am besten einsetzten konnte.
Der Rabe war am großen schwarzen Felsen angekommen und
krächzte laut. Am Fuße des Felsen lag der Nebel des Morgens und darunter waren
einige Felsbrocken verstreut, die bei der Flucht der Feen und Elfen
hinuntergestürzt waren. Da aber die böse Hexe Bora ihre Zauberkraft verloren
hatte, konnte sie die Gesteinsbrocken nicht mehr hinaufschaffen.
Der Rabe flog direkt
auf das große Loch im Felsen zu, krächzte noch einmal und verschwand in der
Tiefe des Felsens.
Sofort verstummten
die Vögel im Wald, die Eichhörnchen liefen wie in Panik den Stamm hinauf zu
ihren Nestlöchern, ein paar Molche verkrochen sich unter dem Laub. Sogar die
kleinen Häschen getrauten sich nicht aus dem Erdloch hinaus. Es herrschte
Totenstille.
Alle hatten nun Angst
vor dem was nun geschehen wird.
Der Rabe setzte sich
im Innenraum auf seinen Platz, einem hohen Stab neben dem großen tiefen Sessel
der Hexe und blickte in die Runde. Wo war nur die große Kristallkugel, die die
Hexe immer drehte und in die sie hineinblickte und die bösen Kräfte aus der
Schattenwelt rief.
Ahja, da war sie ja.
Aber wie sollte er sie drehen? Er konnte es nicht mit seinen Flügeln und seinem
Schnabel. Er überlegte und schloß dabei das linke Auge. Das rechte Auge starrte
ins Feuer am Kamin.
„Ja, so wird das
gehen,“ sagte er laut zu sich selbst. Er erhob sich in die Luft, breitete seine
Flügel aus und flog zu dem Tisch hin und nahm das Tischtuch in seinen Schnabel,
dann flog er langsam im Kreise um den runden Tisch und bewegte so die Kugel.
Den Zauberspruch konnte er natürlich nicht sagen, denn dann hätte er das
Tischtuch aus dem Schnabel verloren.
So kam nur ein
unnatürliches Krächzen aus ihm heraus.
Aber scheinbar hatte
das genügt und ein plötzlicher Donnerknall erschütterte die Höhle. Weißer und
roter Nebel schoß empor, Rauch kam aus allen Fugen des Fußbodens und ein
Stampfen war zu hören.
Der Rabe ließ vor
lauter Schreck das Tischtuch los und flüchtete sich hinter den Sessel der Hexe.
„Wer hat mich
gerufen?“ hallte es durch die Höhle und eine furchterregende Gestalt richtete
sich auf. Es war der Zauberer Paron. Er hatte einen schwarzen Umhang um, auf seinem
Kopf trug er einen Spitzen Hut. Mit seinen langen Fingern strich er durch
seinen Bart und seine Augen blitzten.
„Ich,“ tönte es
hinter dem Sessel hervor.
„Wer ist Ich,“ er
fuhr herum und drehte sich einmal im Kreise und sein schwarzer Umhang blähte sich
auf und einige Tassen und Töpfe von den Regalen fielen herab.
Der schwarze Rabe
flog mit einigen kleinen Flügelschlägen in die Höhe und setzte sich am Kopfende
des Stuhles hin.
„Und, was willst Du?
Wo ist die Hexe Bora?“
Da erzählte der Rabe
dem Zauberer die ganze Geschichte von Anfang an. Als er geendet hatte, brach
der Zauberer in schallendes Gelächter aus.
„Sie hat sich in
einen Spiegel fangen lassen?“ Er schlug sich mit der Hand vor lauter
Schadenfreude auf den Bauch.
„Und was willst du
von mir?“
„Wir sollten sie retten,
Wir sollten nach Avalon fliegen und dem Elfen Mo, die Truhe wieder abnehmen.“
„Oh nein, wie stellst
Du Dir das vor? Ich kann doch nicht einfach nach Avalon fliegen und dort die
Hexe und den Elfen Mo suchen. Noch dazu wo sie in dieser großen Truhe gefangen
gehalten wird und aus lauter Glasscherben besteht.“ Er grölte laut, als er sich das so
vorstellte.
„Ja willst du denn,
daß das Feenreich über uns triumphiert? Daß die Feenkönigin gewinnt?“ der
schlaue Rabe drückte ein Auge zu und betrachtete den Zauberer listig.
Vielleicht konnte er
seinen Ehrgeiz wecken.
„Naja, das ist
natürlich ein Argument. Aber ich alleine werde das nicht können. Sollte es mir
gelingen die Hexe zu befreien, dann stelle ich aber Bedingungen!“
„Ja? Welche denn?“ fragte der Rabe.
„Ich werde in diese
Felsenhöhle einziehen, und die Hexe wird mir Untertan. Alle Schätze, die sie
angehäuft hat, gehören in Hinkunft mir.“ Er stellte sich vor dem Raben in
voller Größe auf und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Natürlich!!“ schrie
der Rabe, ohne nachzudenken. Zuerst wollte er die Hexe befreien, über das
andere konnte man nachher noch immer reden, dachte er.
„Ich will das aber
niedergeschrieben haben.“ Rief der Zauberer und nahm ein großes Blatt Papier vom Tisch der Hexe zur
Hand.
Der Rabe nahm das
große Tintenfaß und öffnete es, riß sich eine Schwanzfeder aus und begann zu
schreiben.
Der Zauberer blickte
ihm dabei über seinen Kopf hinweg zu und korrigierte hin und wieder eines der
Worte.
Als der Rabe fertig
war, faltete er das Blatt Papier zusammen und ließ es in seinem weiten Umhang
verschwinden.
Dann hob er seine
beiden Hände über den Kopf, drehte sich im Kreise und rief:
„Halagraziwuzudumdum, kommt ihr Mächte der Finsternis
aus Euren Höhlen, Tiefen und Höhen der schwarzen Berge und versammelt Euch auf
der großen Lichtung vor dem Felsen!“
Dann erhob er sich
ungefähr einen Meter in die Höhe und flog durch den Felsenspalt ins Freie und
senkte sich auf die Lichtung.
Im Walde war Totenstille,
kein Blatt rührte sich, alles hielt den Atem an.
Da kamen sie alle, aus der Luft aus der Erde, aus den
Felsspalten und Felshöhlen. Dunkle Gestalten, mit Augen ganz groß und Feuer
versendenden Fingern. Mit großem Getöse und Gepfauche sanken sie auf die Lichtung
nieder.
„Was wünschst du,
Herr und Gebieter?“ Riefen sie.
Der Zauberer Paron
stellte sich auf einen großen Stein, der in der Mitte der Lichtung lag und
verschränkte seine Arme.
„Wir haben uns hier
versammelt um die Hexe Bora aus ihrem Gefängnis unter der Insel Avalon zu
befreien. Sie ist dort in einen Spiegel gefangen und kann nur entfliehen, wenn
wir den Spiegel wieder zusammensetzen.“
„Avalon ist aber
weit“, riefen alle gleichzeitig aus.
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