1. Die kleine Fee
von Joana Angelides
Ganz tief im großen
Märchenwald, gleich dort wo der See zwischen den Bäumen liegt, saß die kleine
Hilfsfee Silja auf einem Stein, hatte den Kopf in die Hände gestützt und
seufzte tief.
Ihr Gesicht spiegelte
sich im Wasser und sie fand, daß sie so gar nicht hübsch war. Es gab auch
niemand der es je zu ihr gesagt hätte.
Das lag vor allem
daran, daß sie noch nicht in den Kreis der Waldfeen aufgenommen wurde. Sie hat
noch kein weißes Schleiergewand und noch keine kleinen goldenen Flügel bekommen
daher konnte sie auch nicht fliegen.
Dies alles mußte man
sich erst erwerben.
Solange sie sich jedoch nicht bewährt hatte,
war daran überhaupt nicht zu denken. Sie mußte für die Waldfeen kleine Dienste
machen, mußte ihre Schleierkleider waschen und bügeln und die Flügel putzen,
ihre Haare kämmen und immer für sie da sein.
Heute war die kleine Silja schon rechtschaffen müde.
Sie legte ihren Kopf auf den Arm und wäre fast eingeschlafen, als sie die Stimme
der Waldfee Fari erschrecken ließ.
„Silja wo sind meine
goldenen Schuhe geblieben, ich kann sie nirgends finden.“ Die Waldfee Fari
schwebte über den See und blickte ganz ängstlich.
Silja sprang ganz
erschrocken auf.
„Ich habe sie
hingestellt, gleich neben das Kleid!“
„Da sind sie aber
nicht“, Fari weinte ganz bitterlich. Wenn sie die Schuhe verloren hatte, dann
wurde sie bestraft und mußte ihre Flügel und das Schleierkleid hergeben und
mußte wieder ganz von vorne anfangen und eine andere Fee rückte an ihre Stelle
auf.
„Vielleicht hat sich
jemand einen Scherz erlaubt,“ sagte die kleine Fee Silja und bekam ganz große
runde Augen
„Kein guter Scherz,
bitte hilf mir, sie zu finden!“ Sagte Fari ganz flehentlich zu Silja.
Diese schloß die
Augen und begann nachzudenken.
Da war einmal der
schlaue Fuchs, immer flink unterwegs. Nein der war es sicher nicht. Was sollte
der mit Schuhen anfangen!
Die kleine
Hasenfamilie war zu sehr beschäftigt auf die kleinen Häschen aufzupassen, damit
sie nicht irgendwo hineinfallen.
Der große braune Bär
lag seit Tagen in seiner Höhle und las ein interessantes Buch über
Wintervorräte, der war es auch nicht.
Die Eichhörnchen
hatten heute Besuch vom anderen Märchenwald und sammelten schon den ganzen Tag
Nüsse. Die hatten gar keinen Platz in ihrer Höhle für Schuhe.
Die Eule war eine
große Dame, sie war die Schulleiterin des Märchenwaldes, immer freundlich und
hilfsbereit. Sie saß schon den ganzen Tag am großen Baum und strickte, die war
es sicherlich nicht. Außerdem liebte sie ihre Pantoffel, und die Schuhe der Fee
waren ihr viel zu klein.
Der Frosch lag im
Wasser auf einem Blatt der Seerose und wartete auf Fliegen. Da würde man die
Schuhe sehen.
Birr die Schlange lag
ganz faul auf einem Ast und hatte nur ein Auge offen, damit ihr nur ja nichts
entgeht.
„Hallo Birr,“ rief
die kleine Silja zum Ast hinauf, „hast du gesehen, wer die Schuhe von Fari
genommen hat?“
Birr öffnete nun auch
das zweite Auge und wiegte sich auf dem Ast hin und her. Sie wäre fast hinuntergefallen.
„So kleine zarte
Schuhe, golden und sehr glänzend?“
„Ja ja,“ riefen Silja
und Fari fast gleichzeitig.
„Nein,“ sagte sie und
schloß wieder ein Auge.
„Bitte, du mußt was
gesehen haben,“ flehte Silja, “wieso weißt du, daß sie golden und glänzend
sind?“
Eine ganze Minute war
die Schlange ruhig. Fari weinte und große Tränen rollten über ihre Wangen.
„Hör auf zu weinen,
ich kann das nicht sehen,“ rief Birr die Schlange.
Sie ließ sich langsam
auf den Boden gleiten und kam ganz nah zu Silja heran und richtete sich etwas
auf, um ihr ins Ohr flüstern zu können.
„Die Elster war
vorhin da und hat alles Glänzende eingesammelt, da hat sie wahrscheinlich auch
die Schuhe mitgenommen. Sie wird sie ganz oben im großen Baumwipfel versteckt
haben, wo sie alles Glänzendes versteckt. Du wirst sie nur wiederbekommen, wenn
du ihr was anderes Glänzendes bringst, das aber schöner sein muß als die
Schuhe!“
„Ohje, wo nehmen wir
den so was her?“ Seufzte die kleine Hilfsfee Silja.
In diesem Moment
schwebte der Waldelfe Mo vorbei und landete ganz sanft am Boden.
„Öffne Deine Haare,
Silja, und lege dich auf die Wiese, Deine Haare sind so schön und glänzen
golden in der Sonne, wie ich es noch niemals gesehen habe! Die Elster wird
kommen und versuchen, sie dir wegzunehmen und inzwischen hole ich die Schuhe
aus dem Nest!“
„Du findest meine
Haare schön?“ Silja errötete und wußte gar nicht wohin sie blicken sollte.
„Ganz gewiß, du bist
die schönste Hilfsfee im ganzen Wald!“ sagte Mo
„Na los,“ stupste sie
Fari schon ganz ungeduldig.
Die kleine Hilfsfee
Silja legte sich also auf den Waldboden und breitete ihre Haare aus. Die beiden
anderen versteckten sich hinter den Büschen.
Es dauerte keine zwei
Minuten kam die diebische Elster mit einem erstaunten Krächzen von einem der
hohen Bäume heruntergeflogen und landete neben den goldenen Haaren von der
kleinen Hilfsfee und versuchte sofort einige Haare wegzunehmen.
In diesem Moment
erhob sich der Waldelfe Mo und schwang sich zu dem hohen Baum hinauf.
„Ich hab‘ sie, ich
hab‘ sie “, schrie er aus vollem Halse.
Die Elster ist so
erschrocken, daß sie von den Haaren abließ und irritiert in die Höhe sprang.
Als sie merkte, daß
man sie nur getäuscht hatte, flog sie schimpfend weg und versteckte sich in dem
hohen Baum.
Überglücklich nahm
die Waldfee Fari die Schuhe in Empfang und küßte den Waldelfen Mo und auch die
kleine Hilfsfee Silja.
„Das werde ich euch
nie vergessen,“ versprach sie und flog hinauf zum Feenschloß.
Die kleine Hilfsfee und der Waldelfe setzten sich auf
den Stein am Rande des Sees und schauten gemeinsam ins Wasser, wo sie sich
spiegelten.
„Oh,“ sagte der
Waldelfe Mo,“ schau wie du schön bist, wie der Goldstaub um dich herumwirbelt und
du hast plötzlich auch Flügel, so wie ich!“
Er sprang auf und
schaute sie ganz bewundernd an.
Die kleine Elfe stand
da, ein weißes Schleierkleid umschmeichelte sie, die Haare glänzten noch
goldener durch den Goldstaub auf ihnen und die kleinen Flügel waren
durchsichtig und golden wie Libellenflügel.
Sie bückte sich
wieder zum Wasser hinab und blickte hinein.
„Ich bin eine Waldfee,
danke dir Fari!“ Rief sie voller Freude.
Die beiden nahmen
sich bei der Hand und tanzten auf dem weichen Waldboden und dann flogen sie
gemeinsam hinauf zum Feenschloß.
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