Meine kleine Fischtaverne
von Joana Angelides
In dieser kleinen
griechischen Taverne, nicht weit weg vom Trubel der Touristenströme,
aber doch noch
unberührt vom Tourismus, treffen sich fast nur Stammgäste. Der Wirt kennt sie
alle beim Namen und kennt auch ihre kleinen und größeren Probleme; denn manche
seiner Gäste haben nicht nur ihr Herz bei ihm ausgeschüttet, sondern auch ihre
Familienfeste in seinem Lokal gefeiert, Freud und Leid liegt sozusagen eng
beieinander.
Da sind zum Beispiel
die drei Baumeister Kosta, Lefteri und Harry. Drei völlig verschiedene
Charaktere und doch seit Jahren in Freundschaft verbunden, zusammengeschweißt
durch ihre gemeinsame Arbeit, verschiedene Erlebnisse, Erfolge und auch
Pleiten.
Sie sind immer auf
der Suche nach Aufträgen. Das war früher leichter als heute, viele Grundstücke
wurden in dem kleinen Ort schon verbaut, es stehen nun Appartementhäuser
darauf. Nur hin und wieder hält sich trotzig eines der kleinen Sommerhäuser
zwischen den großen Häusern. Das sind die Themen, die unsere drei Baumeister
bewegen.
Nacheinander kommen
sie in die Taverne und bestellen durch lautes Zurufen drei mal Ouzo beim Wirt.
Dieser nimmt die Bestellung durch zustimmendes Nicken des Kopfes zur Kenntnis.
Er bringt drei kleine Fläschchen gemeinsam mit einer Schale Eiswürfel und einen
Teller mit pikanten Häppchen und stellt alles auf den Tisch. Sodann bringt er
auch noch einen Korb mit frischem Brot und eine große Karaffe mit kaltem
Wasser. Die drei Freunde gießen den Ouzo langsam und bedächtig in die Gläser
und geben je nach Geschmack ein oder zwei Eiswürfel dazu. Sofort färbt sich der
Ouzo durch die schmelzenden Eiswürfel milchig ein. Sie stoßen an prosten sich zu
und sehen sich dabei an. Dann nehmen sie einen kleinen Schluck und wenden sich
den Häppchen am Teller in der Mitte zu. Es ist eine Auswahl des reichhaltigen
Angebotes an Vorspeisen. Es ist bemerkenswert mit welcher Liebe jedes kleine
Tomatenstück, jeder in Olivenöl angebratene Paprika zerteilt wird und gemeinsam
mit einem Stück Weißbrot im Mund verschwindet.
Es ist freitagnachmittags
und sie unterhalten sich über die vergangene Woche, über die Hitze in der nahen
Stadt der sie soeben entkommen sind und auch über den letzten
Bestechungsskandal und über alle anderen kleinen Begebenheiten. Ihr dunkles,
zufriedenes Lachen mischt sich mit dem Rauschen der Wellen und den gedämpften
Geräuschen aus der Küche zu einer Symphonie der Lebensfreude.
Am übermütigsten ist
immer Harry. Wenn einer seiner Freunde etwas Passendes zum Besten gibt oder
einen Witz gut plaziert, schlägt er mit der rechten Hand über den Tisch in
dessen Hand ein und ruft ihm ein Prost zu, um gleich anschließend auch sein
Glas zum Mund zu führen. Ihre Unterhaltung wird immer lustiger und lauter.
Eigentlich sollte Harry nach Hause gehen, da seine Frau mit dem Essen auf ihn
wartet, doch er kann sich nicht von seinen Freunden trennen und erzählt immer
wieder lustige Geschichten und Anekdoten über die alle lachen, obwohl sie schon
alle kennen. Nun kommen auch noch andere Gäste in das Lokal, die Tische werden
besetzt und das Spiel für den Wirt beginnt wieder von neuem.
Einer wird besonders
laut und freudig begrüßt und am Tisch für ihn Platz gemacht. Es ist Vassili,
einer der Zulieferer für die Projekte der drei Baumeister. Er hat schon eine
Stunde zuvor telefonisch einen großen Fisch am Rost bestellt und setzt sich nun zu den Freunden;
nicht ohne vorher eine große Geste der Begrüßung nach rückwärts in die Tiefe
des Lokales zu senden und damit gleichzeitig zu signalisieren:
„Ich bin da, Ihr
könnt servieren!“
Der Wirt ist schon
unterwegs und bringt neuerlich einen Korb mit frischem Brot, vier Weingläser
und einen zusätzlichen kleinen Teller. Den kleinen weißen Teller deshalb, da
anzunehmen ist, dass auch Vassili von den kleinen Häppchen die noch am Tisch übriggeblieben
sind, etwas nehmen wird. Dann eilt er wieder zurück und holt die bereits
vorbereitete Fayence mit dem großen, am Rost durchgebratenen Fisch und stellt
sie mit einer wahrlich königlichen Geste in die Mitte des Tisches. Einen
leichten weißen Tischwein, die Lieblingsmarke der Freunde hat er unter dem Arm
eingeklemmt und stellt ihn ebenfalls hin.
Der Fisch liegt nun
in seiner ganzen Pracht hier mit leicht geöffnetem Maul und zwischen zwei
Petersilienstämmchen läßt er die Zähne durchblitzen, das eine sichtbare Auge
starrt ins Leere. Seine Außenhaut ist von der Holzkohle geschwärzt und in den
Einschnitten ist das weiße Fleisch zu sehen.
Heute morgen hat er noch gelebt und sich in den Fluten des Mittelmeeres
getummelt Die Vergänglichkeit des Lebens wird in diesem Moment dem Betrachter
nicht wirklich bewußt, es gewinnt schon mehr die Vorfreude auf den bevorstehen
Genuß die Oberhand. Erst wenn ich diese
Momente in meiner Erinnerung abrufe, drängt sich dieser Gedanke in mein
Bewußtsein.
Ein großer Teller mit
Salat, sowie eine kleine Schüssel mit einer Mischung aus Olivenöl und Zitrone
folgen noch nach. Der Kopf wird nun von Vassili vom Körper des Fisches getrennt
und zum Tellerrand geschoben. Mit der Gabel unter Zuhilfenahme der Finger wird
nun die obere Hälfte des Fisches abgehoben und auf den vor ihm stehenden Teller
gelegt. Das mit Zitrone vermischte Olivenöl wird mit einem Löffel sorgfältig
über den Fisch gegossen. Mit einer einladenden Geste fordert er die Freunde
auf, sich ebenfalls zu bedienen.
Der golden
schimmernde Wein wird in die Gläser gefüllt, diese gehoben und alle prosten
sich zu.
Kosta greift, wie immer,
wenn sich die Möglichkeit ergibt, zum Kopf des Fisches. Er liebt es, diesen
sorgfältig zu zerteilen und jedes kleinste Stück genüßlich in den Mund zu
schieben. Nur wirkliche Kenner und Genießer von Fischen können einen Fischkopf
mit einer solchen Perfektion zerteilen und auslösen.
Harry winkt ab. Seine
Frau wartet; was ihn jedoch nicht daran hindert nach einigen Minuten doch
zuzugreifen und sich dem verlockenden Genuß hinzugeben.
Der Vierte im Bunde,
Lefteri hat selbst kleine Fische bestellt und bekommt diese soeben serviert. Es
sind kleine Goldbarben, die ein wunderbar zartes Fleisch haben und zu den
„Edelfischen“ gehören. Auch er bittet die Freunde zuzugreifen.
Es ist immer wieder
ein wunderbarer Anblick, wenn Menschen voller Lebensfreude mit sich und der
Natur vereint, sich dem Augenblick so hingeben können wie unsere Freunde.
Dieses Mahl wird sich
sicher bis in den späten Nachmittag hinziehen.
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