FLIEDER AUF NACKTER HAUT
Es gibt nichts
Schöneres für sie im Frühling, als mit dem Gesicht in einen großen Strauß
Flieder einzutauchen. Die sich kühl anfühlenden Blüten und Blätter zauberten
eine herrliche Atmosphäre von Frische und geheimnisvollen Düften herbei.
Immer, wenn sie
eines dieser kleinen, filigranen Fliederbäumchen oder einen Strauß Flieder sah,
tauchte auch ein geheimnisvoller Mann aus ihrem Inneren auf, der untrennbar
damit verbunden ist.
Es war einer jener
Tage, fast schon Frühsommer, an denen sie nachmittags gerne am Ende der Wiese
hinter dem Haus auf einer Liege lag und las. Die Erde war feucht und roch
wunderbar. Es gab keinen Zaun, dichter Grünwuchs begrenzte die Wiese und eine
Böschung fiel ab zu dem kleinen Bach.
Über ihr stand der kleine Fliederbaum in voller Blüte und strömte diesen
wundervollen, unverwechselbaren Duft aus.
Sie liebte damals
wie heute, bodenlange, weite Kleider, die den Körper zwar umhüllen, aber nicht
einengen und Bewegungsfreiheit gewähren.
Sie hatte einen
kleinen Zweig mit Fliederblüten abgeschnitten und drehte ihn zwischen den
Fingern. Hin und wieder führte sie ihn zum Gesicht und atmete den Duft ein.
Sie mußte
eingeschlafen sein, dann sie merkte nicht, dass sich ihr jemand von der Seite
her näherte.
„Erschrecken Sie
nicht, ich will Sie nicht stören, ich werde Sie malen!“
Ein Schatten fiel
über sie und sie blickte in das Gesicht eines jungen Mannes mit einem dunklen
Kinnbart, dunklen Augen und längerem Haar das ihm bis auf die Schultern fiel.
Er hatte etwas
weiter weg eine Staffelei aufgebaut, ein kleines Tischchen daneben gestellt und
darauf seine Utensilien abgelegt. Er hatte die Sonne im Rücken, sie konnte
seine Gesichtszüge daher nicht klar erkennen.
Seine Stimme war
ruhig, weich und dunkel, sein Ton jedoch sehr bestimmt, als würde er keine
Widerrede dulden.
Sie mußte lächeln.
Ja, warum nicht? Sie hatte Muße und irgendwie gefiel es ihr, gemalt zu werden.
„Ich werde Sie Flor nennen. Das ist spanisch und
bedeutend Blume, Blüte. Das paßt so schön zu Ihnen.“
Sie nickte, es war
ihr alles Recht. Erst jetzt bemerkte sie seinen Akzent, er war scheinbar
Spanier.
Er brach noch
einige Blütenzweige zusätzlich ab und legte sie ihr in den Schoß. Einen kleinen
Zweig steckt er ihr hinter das Ohr und richtete wie selbstverständlich eine
kleine Haarsträhne so, dass der Zweig gehalten wurde. Dazwischen wich er immer
wieder einen Schritt zurück und kontrollierte das sich ihm bietende Bild.
Sie lehnte sich an
die Rückenlehne der Liege und betrachtete ihn amüsiert.
Welche Leichtigkeit
er doch an den Tag legte, unbekümmert und doch selbstbewußt.
Er begann nun die
Umrisse zu skizzieren und seine Blicke waren teils abwägend, teils forschend
und teilweise nachdenklich auf sie gerichtet.
Nach zwei Stunden,
in denen sie weiter in ihrem Buch las, die Blüten in ihrer Hand und im Schoß
immer wieder hin und her schob, war die erste Sitzung beendet.
Er packte seine
Staffelei und seine Utensilien zusammen und sie vereinbarten, morgen die
Sitzung fortzusetzen.
Er verbeugte sich
vor ihr sehr galant, deutete einen Handkuß an und ging die Böschung hinunter.
Sie blieb noch eine
Weile in ihrer Stellung und drehte den Flieder in ihren Fingern hin und her.
Sie hatte ihn gar
nicht nach seinen Namen gefragt und er hatte ihn auch nicht genannt.
Am nächsten Tag
fand sie sich wieder rückwärts unter dem Bäumchen ein und setzte sich aufrecht
hin, als sie ihn schon kommen hörte.
„Ach Flor, sie sehen wunderbar aus! Sie erinnern
an die Blumenfeen aus den Erzählungen der Poeten!“ Er lächelte sie an und seine
Augen sprühten vor Bewunderung.
Er suchte wieder
die Lage ihres Kleides und die Haltung ihres Körpers so zu arrangieren, wie sie
gestern waren und berührte sie dabei einige Male. Bei jeder dieser Berührungen
schaute er sie groß und fragend an. Seine Blicke begannen bei ihr Wirkung zu
zeigen, sie errötete leicht und konnte seinen Blicken nicht immer ausweichen.
Verlegen räusperte
sie sich.
„Sie nennen mich Flor, ihren Namen aber weiß ich gar
nicht! Wenn sie eines Tages ein berühmter Maler sein werden, werde ich es gar
nicht wissen.“
„Entschuldigen Sie,
das ist meine Schuld, ich heiße Jaime! Jaime de Gordes!“ Er verbeugte sich
wieder leicht und nahm wieder ihre Hand, um einen Handkuß darauf zu hauchen.
„Schön Jaime, ich
werde es mir merken!“
Er ging wieder zu
seiner Staffelei und nahm den Pinsel zur Hand. Nach einigen Pinselstrichen kam
er jedoch wieder zurück.
„Mein Bild soll
nicht nur die Schönheit der Blumenzweige zeigen, sondern auch Ihre Schönheit.
Es ist eine so zarte, duftige, in sich ruhende Schönheit. Der Eindruck
entsteht, dass ihre Schönheit wie eine halb geöffnete Knospe nur auf den Tau
der Liebe wartet, um sich zu öffnen.“
Diese so unerwartet
offenen Worte von einem fast Fremden ließ ihr das Blut in den Kopf steigen. Sie
wußte gar nicht, was sie da erwidern sollte. Eigentlich sollte sie nun die
unangenehm Berührte herauskehren. Doch das Gegenteil passierte. Sie fühlte sich
plötzlich wie genau diese halboffene Knospe, die er genannte hatte. Neugierde
auf diesen Mann stieg in ihr auf und sie lächelte hilflos.
Er hatte inzwischen
noch einige zusätzliche Fliederzweige abgebrochen und arrangierte sie rund um
sie. Er öffnete wie selbstverständlich ihr Kleid vorne und legte diese zwischen
ihre offen und nackt daliegenden Brüste.
Die kühlen Blüten
und die Berührung der Zweige und Blätter erregte sie sehr und ließ ihre Haut
erzittern.
Er streifte mit
seinem Zeigefinger eines der Blätter, welches
ihre linke Brustspitze verdeckte, weg und
berührte sie dabei.
Plötzlich war die
Welt nur mehr Flieder! Vergessen war die
sie umgebende Welt, die noch fast leere Leinwand, die erst Konturen und
vereinzelte Blüten zeigte. Vergessen auch die Einsehbarkeit des Ortes.
Unversehens hielt
er sie zärtlich in seinen Armen und sie küßten sich leidenschaftlich. Zwischen
ihren beiden Körpern wurden die Fliederblüten zerdrückt und dieser Geruch
berauschte sie noch zusätzlich. Er war einfühlsam, zärtlich und seine
Leidenschaft war wie glühende Lava, die sie langsam und verzehrend umfloß. Es
waren Momente, wo sie darin in jäh auflodernden vereinzelten Flammen aufging.
Das Bild machte
fast keine Fortschritte, immer, wenn er Blüten zwischen ihren Brüsten
arrangierte, konnten sie sich nicht mehr voneinander lösen.
Es war ein
wunderbarer Sommer, ausgefüllt mit leidenschaftlichen Gefühlen, Hingabe
vermischt mit Ruhepausen und neckischen Spielen mit Blüten und Blättern. Der
Flieder ging ihnen aus, dann kamen die Pfingstrosen und im Laufe des Sommers
die restlichen Blüten des Gartens an die Reihe.
Dann kam der Tag wo
sie vergebens auf ihn warteten. Der Sommer war schon fast zu Ende, die Tage
kürzer.
Auf der Liege lag
das fertige Bild und einige Blütenblätter waren darüber verstreut. Sie hörte
nie wieder von ihm.
Immer, wenn im
Frühjahr der Flieder zu blühen begann, kam auch die Erinnerung zurück.
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