Kennen
Sie meine Tante Frieda?
Von
Joana Angelides
Gestern hielt mich ein Mann auf der Straße an und
fragte höflich, ob ich seine Tante Friede kenne.
Ich verneinte, kenne keine solche Dame. Ich selbst
habe drei Tanten, sie heißen aber alle drei anders.
Dann ging ich weiter.
Doch er war hartnäckig.
„Eigentlich sollten Sie sie kennen! Sie wohnt hier in
der Nähe!“, sagte er und hielt mir einen Zettel hin, auf dem eine Adresse
stand.
Ich muss zugeben, das war hier in der Nähe, doch ich
kenne Tante Frieda trotzdem nicht. Ich schüttelte verneinend den Kopf.
Dann ging ich weiter.
Leider habe ich nicht mit der Hartnäckigkeit des
Mannes gerechnet. So leicht ließ er sich nicht abschütteln.
„Sie hat so einen kleinen Hund, so einen Fox-Terrier,
der immer bellt und Lucky heißt!? Vielleicht haben Sie sie doch gesehen?“
Langsam begann er, mir auf die Nerven zu gehen.
„Hören Sie, ich kenne Ihre Tante nicht und auch nicht
Lucky den Hund!“.
Dann ging ich weiter.
Er war aber sofort wieder neben mir.
„Sie ist nicht zu übersehen, sie trägt auch immer so
einen großen Hut mit Blumen darauf und einen Sonnenschirm!“
Langsam kroch in mir die Wut empor. Ich blieb stehen.
„Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, diese Dame ist mir
unbekannt! Da gehen viele Damen mit Hut
und Hund und Schirm spazieren, wie soll ich wissen, welche davon Ihre Tante Frieda
ist?“, schrie ich ihn an. Einige Passanten blieben stehen.
„Na sehen Sie, Sie haben sie doch gesehen! Wie können Sie sonst wissen, dass sie hier spazieren geht?“
Meine Beherrschung war enden wollend. Ich atmete tief
durch.
„Es interessiert mich einfach nicht, welche davon Ihre
Tante Frieda ist, lassen Sie mich endlich in Ruhe!“, meine Hand hob sich wie
von selbst abwehrend in die Luft.
„Deshalb brauchen Sie mich ja nicht gleich zu schlagen,
ich suche sie ja nur, weil sie verschwunden ist!“, schrie er nun hysterisch.
Die Leute ringsum sahen mich drohend an.
Ich drehte mich um und ging wütend und aufgeregt rasch
weiter. An der Ecke hatte er mich wieder fast eingeholt.
„Sie verstecken sie wahrscheinlich, oder haben sie
sogar entführt!“, schrie er nun laut hinter mir her.
Wieder blieben einige Leute stehen und blickten mich nun
furchtsam an.
Ich drehte mich um und packte ihn an der Gurgel, er
röchelte und fiel zu Boden.
Eigentlich wollte ich nur, dass er mich in Ruhe lässt!
Einer der Passanten hatte inzwischen die Polizei
gerufen, der Beamte wendete einen polizeilichen Griff an und drehte mir meinen
Arm auf den Rücken.
Ich war verhaftet!
Da ich nicht wusste, wo sich Tante Frieda befand, ich
aber als gewalttätig eingestuft wurde, kam ich in eine Einzelzelle.
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