Die ganze Welt ist gegen mich!
Ich weiß auch nicht genau, woran es liegt, dass die ganze Welt gegen
mich ist!
Immer, wenn ich knapp vor der Lösung eines Problems stand, dann baute
sich irgendwoher eine neue Schwierigkeit auf.
Die einzige Erklärung ist:
Es muss an meinen roten Haaren liegen! Stellen sie sich vor, ein Mann
mit feuerroten Haaren!
Wobei rothaarige Frauen überall bevorzugt werden! Sie regen die
Fantasie der Männer an, las ich in einer Zeitschrift, sie sind besonders
sinnlich!
Also, entweder habe ich die falsche Haarfarbe oder das falsche
Geschlecht.
Schon in meiner Schulzeit war da ein
Mathematikprofessor, der mir mit Akribie immer jene Aufgaben stellte, die ich
gerade nicht lösen konnte. Es war doch klar, er wollte verhindern, dass ich der
Klassenbeste bin, zumindest nicht in Mathematik.
Ich wusste schon damals, es lag daran, dass
ich rote Haare hatte.
Beim Abitur wurde ich abgelenkt durch ein
Bildnis Wolfgang Goethes, das mir gegenüber an der Wand hing. Er blickte mich
scheinbar spöttisch, ja skeptisch an. So skeptisch, dass ich an den Antworten,
die ich niederschrieb zweifelte und diese nicht abgab.
Zu seiner Zeit waren rote Haare sicher auch
kein gutes Omen.
Ich musste zum Abitur ein Jahr später nochmals
antreten. Diesmal hing das Bild einer Winterlandschaft da. Es störte mich nicht
weiter, ich hatte einen Pullover an.
Ich wollte Jus studieren, dem Recht seinen
Platz in der Welt verschaffen, Unschuldige verteidigen! Doch ich scheiterte an
einer ........ Putzfrau! Just an jenem Morgen, als ich die Treppe dieser
geheiligten Stätte hinaufstieg, um zu inskribieren, fegte sie eben mit großem
Schwung und nassem Tuch darüber und ich rutschte aus. Da ich im Anschluss daran
wochenlang mit einem komplizierten Beckenbruch im Spital lag, versäumte ich
alle Fristen.
Ob die Putzfrau ebenfalls eine Abneigung
gegen rote Haare hatte?
Ich wurde Polizist, da konnte ich eine Kappe
tragen.
Meine berufliche Karriere war ein mühsamer
Weg. Immer wieder stieß ich auf Ablehnung, wurde bei Beförderungen übergangen.
Wieso merkte niemand, wie klug und tüchtig ich war, trotz meiner roten Haare?
Wieso geschieht es immer wieder, dass ich,
der letzte in einer langen Schlange vor dem Postschalter mit der Nase letztlich
immer an das Schild „Geschlossen“ stoße? Der Postbeamte hat mich sicher schon
die ganze Zeit beobachtet!
Er mag auch keine Männer mit roten Haaren.
Eine totale Mauer von Ablehnung baute meine
Schwiegermutter auf. Gleich beim ersten Zusammentreffen spürte ich ihre
Ablehnung. Das Essen war versalzen und außerdem sah sie mich böse an, als ich
den Rotwein über das Tischtuch goß.
Ich glaube, sie hatte ebenfalls etwas gegen
rote Haare, oder sogar überhaupt gegen die Farbe rot und wollte von Anfang an keine
Enkelkinder mit roten Haaren.
Auch bei der Trauung musste ich den
eiskalten Blick des Pfarrers ertragen, er dachte sicher dauernd an Judas
Ischariot. Ich glaube seine Hände zitterten leicht, als er uns segnete.
Es ist mir in der Folge gelungen, meiner
Schwiegermutter einen Streich zu spielen, denn alle meine fünf Söhne haben
rotes Haar. Sie werden es aber sicher im Leben sehr schwer haben.
Ich habe ihnen Basketballmützen gekauft.
Ich denke, auch mein Friseur hatte eine
Abneigung gegen männliche Kunden mit rotem Haar, denn seit ich mir bei ihm die
Haare schneiden ließ, wurde mein Haar immer schütterer und fielen mir am Ende
ganz aus.
Was ist nun ein rothaariger Mann mit einer
Glatze? Er ist nur mehr ein halber Mann.
Ich sah es auch an den prüfenden Blicken der
Menschen, denen ich begegnete.
Ich las es in ihren Augen:
Was
bildet sich der Rothaarige denn ein, so ein Feigling, tarnt sich mit einer
Glatze!
Mir macht man Nichts vor!
Schuld ist nur der Friseur, ich habe es
allen erklärt, bin durch die Stadt gelaufen und habe es hinaus geschrien!
Doch sie wollten es nicht hören, schüttelten
nur den Kopf über mich.
Nur hier, auf Station VI der Psychiatrie
haben sie Verständnis, die haben mir eine rote Perücke gebracht, die ich nun
tragen kann.
Nur leider kann ich mich nicht sehen, denn
Spiegel bringen sie mir keinen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen