Eine Kirche irgendwo in Indien
Engel:
„Hallo hört mich da oben jemand?“
Erzengel Michael: „Ja, Engerl, was ist denn? Du sollst eine Kirche
bauen und nicht dauernd mit mir telefonieren!“
Engerl:
„Ich weiß nicht, wie ihr euch da oben das vorstellt. Wir Engel haben es schon
sehr schwer! Da habe ich einen Bau-Plan, der muss noch aus der Zeit vor
Christi-Geburt stammen!“
Erzengel Michael: „Hältst du ihn auch richtig? Dreh ihn einmal nach
rechts, oder links.“
Engerl:
„Hier, da wo ich jetzt stehe, soll ich eine Kirche bauen? Bin ich Petrus?
Da stehen ein
Multiplex-Kino und ein Einkaufszentrum. Am Plan ist das ein großer leerer
Platz.
Vielleicht bin ich
aber auch in der falschen Stadt?“
Erzengel Michael: „Nein, nein, Du bist schon richtig. Versuche mit dem
Bürgermeister in Kontakt zu treten, vielleicht macht er Platz für die Kirche?“
Engerl:
„Der Bürgermeister wird sich schön bedanken, wenn ich da was abreißen lassen
will. Außerdem gibt’s ja eh´ eine Menge Kirchen in der Umgebung, die sowieso
nicht voll sind. Also, wozu brauchen die dann eine Neue?“
Erzengel Michael: „Du sollst nicht kritisieren, sondern Deine Aufgabe
erfüllen!“
Engerl:
„Manchmal seid ihr da oben schon sehr schrullig und die Organisation lässt zu
wünschen übrig.“
Erzengel Michael: „Man kann solche heiligen Missionen nicht
hinterfragen, nur gehorchen!“
Engerl:
„Von wegen! Da wurde ich doch vor einigen Jahren völlig unüberlegt nach Indien
geschickt. Engel kann man ja hin und her schicken, wir haben ja keine sehr
starke Standesvertretung, sprich Gewerkschaft. Die stecken scheinbar mit dem
Chef unter einer Decke, äh Wolke!“
Erzengel Michael: „Gib Acht, was Du da sagst, Du sprichst über den
Herrn!“
Engerl:
„Naja, weil’s wahr ist! Also, wo waren wir? Ahja in Indien!
Wo man hinblickte
Hindu! Da stand nur ein einzelner Mann, ich glaube Untergruppe Franziskaner,
der sollte nun Alle missionieren.
Der wusste gar nicht
wo er anfangen soll! Rückfrage im Himmel anlässlich seines Abendgebetes ergab,
Schritt für Schritt, nichts übereilen.“
Erzengel Michael: „Na siehst Du, der hat den Weg eingehalten!“
Engerl: „Und was habt ihr da oben gemacht? Zuerst einmal schicktet ihr mich zur
Unterstützung, weil ich Erfahrung habe beim missionieren. Dachte man damals! Nur weil es mir einst
gelungen ist, eine einsame ältere Frau dazu zu bringen in einer verlassenen
Fabrik eine kleine Notküche für Bedürftige einzurichten. Ich glaube sie hieß
Maria Theresa.
Es waren aber einige
kleinere Albträume aus dem Archiv nötig und dann ein silberner Traum mit Engel,
die sie im Himmel belohnen. Hat immerhin sechs Monate gebraucht, dann war sie
so weit.“
Erzengel Michael: „Na also, war ja positiv!“
Engerl:
„Alles relativ. Sie hat gekocht und alle sind gekommen! Sie wurden alle bekehrt
und beteten täglich vor der Essensausgabe. Ohne Essen hätte das allerdings
nicht funktioniert. Das nennt man glaube ich, Nötigung.
Naja, irgendwas muss
man schon bieten!“
Erzengel Michael: „Höre ich da Sarkasmus heraus?“
Engerl:
„Gleich als wir ankamen hat nun der Franziskaner dort im tiefsten Indien
begonnen, einen Brunnenschacht zu graben. Denn ohne Bewässerung geht gar
nichts. Ich konnte ihm ja nicht helfen, bin ja nur ein Engel. Aber ich habe zu
Mittag, wenn die Sonne am höchsten stand, die Wolken hin und her geschoben und
ihm ein wenig Schatten gebracht.
Erzengel Michael: „Das war ja sehr hilfreich von Dir.“
Engerl:
„Da sind dann doch einige der Bauern aus der Umgebung gekommen und haben
erstaunt geschaut. Aus Mitleid und weil sie ja nichts zu tun haben, so ohne
Wasser und in großer Hitze, haben sie ihm dann geholfen.“
Erzengel Michael: „Na siehst Du, gutes Beispiel wirkt immer.“
Engerl:
„Es hat funktioniert und das Wasser konnte aus der Tiefe heraufgeholt werden.
Wir feierten einige Tage durch. Dann wurden Kohl und diverses Gemüse angebaut.
In der Wartezeit auf die Ernte zimmerten sie sogar eine kleine Kirche und
hörten dem Pfarrer zu, was er ihnen so alles aus der Bibel vorlas. Ich war tief
befriedigt, es ist mir doch tatsächlich gelungen, eine Kirche bauen zu helfen,
sogar mitten in Indien!“
Erzengel Michael: „Der Himmel hat es Dir gedankt, kleines Engerl!“
Engerl:
„Sie bekamen Medikamente und kleine Kreuze, ließen sich taufen und sangen die
Kirchenlieder mit großer Begeisterung. Sie schwörten ihrer alten Religion ab
und die Kinder bekamen christliche Namen, die ihnen der Pfarrer zwar vorsagte,
die sie aber trotzdem schwer aussprechen konnten.“
Erzengel Michael: „Sie werden alle ins Paradies eingehen, Amen!“
Engerl:
„Die Ernte stand bevor, das täglich gegossene Gemüse war eine Pracht! Der Kohl
lag dunkelgrün und saftig in den Krumen, auch das andere Gemüse war bereits
reif.
Die Einwohner kamen
täglich zu dem Feld um den Erfolg zu bestaunen.“
Erzengel Michael: „Sie werden Gott gepriesen haben, Halleluja!“
Engerl:
„Dann kamen die Anderen. Nämlich die Rinder, Kühe und Bullen aus der Umgebung
und begannen langsam und genüsslich den Kohl und das Gemüse zu fressen. Es war
ein selten gewordenes Festmahl für sie.
Fassungslos stand der
Pfarrer am Rande des Feldes, einen Holzknüppel schwingend, und musste zusehen,
wie die zu „Christen“ missionierten Brüder und Schwestern sich schützend vor
das liebe Vieh stellten, weil es ihnen schließlich ja heilig war, Christentum
hin oder her.“
Erzengel Michael: „Schrecklich! Konntest Du da gar nichts tun?“
Engerl:
„Nein, denn sie hatten sich sowieso gewundert, wieso in den Geschichten, die der
Pfarrer vorlas, so wenig von den heiligen Kühen die Rede war. Nur einmal wurde von
einem goldenen Kalb geredet und eine Kuh in einem Stall in Bethlehem erwähnt.
Und nun waren sie endlich leibhaftig da!“
Erzengel Michael: „Na das war ja eine riesige Blamage!!!“
Engerl: „Ja, irgendwas lief da schief, doch mich trifft keine Schuld, ich habe meinen Auftrag erfüllt, die Kirche steht, dort irgendwo in Indien!“
Erzengel Michael: „Komm einmal zurück, wir werden den Plan überprüfen
und vielleicht einen anderen Platz für eine Kirche finden! Vielleicht in der
Sahara oder so, da ist ja Platz genug!“
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