Vergangenheit
Von Joana Angelides
Seit einigen Tagen beobachte ich eine nette alte Dame mit weißen
Haaren, gestützt auf einem Stock.
Sie kommt immer so um 16.ooh beim unteren Belvedere in den Park
und setzt sich immer auf die selbe Bank, etwas entfernt vom Eingang. Sie lässt
sich nieder und hält ihr Gesicht hoch, der Sonne entgegen und lächelt. Sie
trägt einen kleinen neckischen Hut und Sonnenbrillen. Hin und wieder verstreut
sie etwas Vogelfutter und kleine Spatzen kommen sofort eilfertig herbei, als würden
sie auf sie warten und picken das Futter auf. An sich soll es ja verboten sein,
im Park Futter so zu verstreuen, aber das scheint sie nicht zu interessieren.
Sie bleibt immer ca. 1 Stunde sitzen, dann erhebt sie sich und
geht wieder langsam dem Ausgang zu.
Sie hat meine Neugier geweckt und ich setzte mich vor einigen
Tagen neben sie. Nicht nur ich habe sie bemerkt, auch der Parkbetreuer kommt
jedes Mal langsam herbei und es scheint, als würde er sie ebenfalls beobachten.
Er kehrt ein wenig den Staub und die herabfallenden Blätter weg und sammelt die
Dinge ein, die manche einfach fallen lassen. Dabei summt er immer eine kleine
Melodie leise vor sich. Er scheint sein sehr fröhlicher, ausgeglichener Mensch
zu sein. Ich glaube ich habe die Melodie erkannt, es ist der Kaiserwalzer von
Johann Strauß.
Wenn die alte Dame die Beine übereinandergeschlagen hat, scheint
es mir, als würde sie mit einem Bein nach der Melodie wippen, oder sie wippt
ein wenig mit Kopf. Offenbar hört sie die Melodie auch und sie gefällt ihr. Der
Parkwächter, geht immer langsam vorbei und entfernt sich wieder, um den Mist in
einen der Papierkörbe zu kippen, dann fängt er wieder von vorne an.
„Sie kennen die Melodie, die der alte Mann da summt?“, ich nahm
meinen ganzen Mut zusammen.
„Ja, sie erinnert mich an einen jungen Mann, mit dem ich zu dieser
Melodie immer getanzt haben. Doch das ist schon sehr sehr lange her!“, lächelte
sie verträumt.
„Was wurde aus dem jungen Mann?“, fragte ich neugierig.
„Oh, das weiß ich nicht. Eines Tages war er irgendwie
verschwunden. Doch ich habe ihn nie vergessen!“, lächelte sie wieder vor sich
hin.
Wir schwiegen uns dann noch eine Weile an und sie ging wieder weg,
wie jeden Tag.
Ich blieb noch ein wenig sitzen und beobachtete den Parkwächter.
Er war gerade wieder mit seiner Tour fertig geworden, nahm seinen Besen und die
Schaufel und wollte sich entfernen.
Ich stand auf und ging zu ihm hin.
„Entschuldigen Sie, darf ich Sie etwas fragen?“
„Ja, was wollen Sie denn wissen?“, er nahm seine Kappe herunter
und fuhr sich durch das graue Haar.
„Offenbar sind Sie der Parkwächter hier und ich beobachte Sie nun
schon einige Zeit. Immer wenn die alte Dame kommt und hier Platz nimmt, tauchen
auch sie auf und beginnen den Kies zu säubern! Dabei summen sie immer wieder
denselben Walzer. Wenn sie dann wieder geht, gehen Sie auch? Ich finde das
auffallend. Mir fällt sowas auf, ich bin Journalist“, fügte ich erklärend
hinzu.
„Na gut, ich bin kein Parkwächter. Ich war viele viele Jahre in
Übersee, habe dort mein Glück gesucht und gefunden. Nun bin ich wieder in meine
Heimatstadt zurückgekehrt und durch Zufall habe bin ich wieder meiner alten
Liebe begegnet, eben diese alte Dame. Ich konnte sie in all diesen Jahrzehnten
nicht vergessen, habe sie aber aus dem Augen verloren. Nun lebe ich wieder in
Wien und genieße diese wenigen Augenblicke um in ihrer Nähe zu sein!“
„Warum sprechen Sie sie nicht an, geben sich zu erkennen?“
„Nein, da fehlt mir der Mut!“, er schüttelte den Kopf. Er setzte
seine Kappe wieder auf und wandte sich ab.
Ich hörte ihn noch murmeln:
„Vielleicht, irgendwann, vielleicht!?“, dann entfernte er sich
langsam.
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