Das vermisste Häschen Haseputz
Der Waldkobold
stützte sich auf seinen Spaten, mit dem er gerade ein tiefes Loch aushob. Er
wollte sich ein Regendach vor seinem Heim, am Fuße der großen Eiche machen.
Immer, wenn es regnete und das Wasser am Stamm herunterlief, stand sein
Wohnzimmer unter Wasser. Er musste zwei
Ständer aufstellen und die Spinne Arachne hatte ihm versprochen ein ganz
dichtes Netz zu spinnen das dann drüber gespannt wird, um das Wasser ablaufen
zu lassen.
Er wischte sich mit
einem Farnblatt den Schweiß von der Stirne. Es war eine schwere Arbeit.
Da kam die kleine
Wühlmaus Polly vorbei und schaute in das bereits gegrabene Loch hinein.
„Soll ich dir
helfen?“ Fragte sie.
„Ja, kannst du mir
denn helfen?“
„Ja, geh weg.“
Sie drehte sich um,
so daß sie ihren kleinen Po in Richtung des Koboldes drehte und begann mit den
Vorderpfoten ganz schnell ein Loch zu graben. Das ging ganz schnell, doch die
Erde warf sie hinter sich und leider flog die ganze Erde bei der Öffnung
zwischen den Wurzeln ins Wohnzimmer des kleinen Koboldes, ohne daß er es
bemerken konnte.
Er schaute ganz
fasziniert zu, wie schnell das ging. Doch nur so lange, bis er die schrille
Stimme seiner Frau aus dem Wohnzimmer hörte.
„Hilfe, aufhören, was
ist denn das?“ Sie stürzte aus dem Wurzelloch hervor, die Erde von ihrem Gewand
und ihren Haaren wegpustend und rang die Hände.
„Oh,“ sagte die
Wühlmaus, „das tut mir aber leid, ich wollte helfen.“
Frau Kobold nahm den
kleinen Besen, der vor der Türe lehnte und lief hinter der Wühlmaus Polly her.
Doch diese war viel schneller als sie und verschwand unter dem Laub und war
weg.
Frau Kobold begann
nun mit dem Besen das Wohnzimmer auszukehren und schimpfte dabei fürchterlich.
Doch, was war denn
das? Sie hielt inne und lauschte nach draußen
Draußen stand Frau
und Herr Hase. Frau Hase weinte fürchterlich und Herr Hase hatte seinen linken
Löffel, so nennt man die Ohren der Hasen, an die ihren angelehnt.
„Unser Haseputz,
unser Jüngster ist nirgends zu finden.“ Schluchzte Frau Hase.
„Wann habt ihr ihn
denn das letzte Mal gesehen?“ Fragte Frau Eule, die durch das Schluchzen von
Frau Hase herbeigelockt wurde.
„Heute morgen, er
wollte doch in die Waldschule gehen.“
„Also, in der Schule
war er heute nicht, ich habe das im Klassenbuch eingetragen.“ Sagte Frau Eule sehr
bestimmt und setzte ihre Brille auf und beäugte die Haseneltern.
„Da muss ihm was
passiert sein.“ Sagte da die Schlange Birr und ließ sich von ihrem Ast auf den
Boden fallen.
„Ohweh!“ Rief das
Eichhörnchen ganz erschrocken und ließ wieder einmal eine Haselnuss fallen.
Durch das Wehklagen
wurde auch einige Feen und die beiden Elfen Mo und Feno, der Pförtner vom
Schloß der heute dienstfrei hatte, herbeigelockt.
„Was ist denn
geschehen?“ Fragte Mo
Er hörte sich das
Wehklagen der Hasenmutter an und fragte dann:
„Also geht Haseputz
immer den selben Weg in die Schule? Oder geht er manches Mal einen anderen
Weg?“
„Nein, er geht immer
den selben Weg, das haben wir ihm eingeschärft.“ Sagte der Hasenvater bestimmt.
„Also los, wir müssen
ihn suchen, alles mir nach!“ Mo drehte sich um und machte eine Bewegung mit der
linken Hand, man sollte ihm folgen.
Nun gingen sie alle
im Gänsemarsch, hintereinander zum Erdloch der Familie Hase. Hier stellte sich
Mo hin und sagte zu Herrn Hase:
„Also zeige mir jetzt
den Schulweg von Haseputz.“
Der Vater ging voran
und alle folgten ihm. Allen voran ging Mo, dann Feno der Pförtner, dahinter die
Feen Fari und Silja, Herr und Frau Kobold, das Eichhörnchen, der Frosch vom
See, die Schlange Birr und auch die kleine Wühlmaus Polly traute sich wieder
aus ihrem Versteck hervor. Ihr kleines Näschen ging ganz unruhig hin und her
vor lauter Neugierde.
Von Baum zu Baum flog
auch die Elster, immer nach was Glitzerndem Ausschau haltend, hinter der
Karawane her. Der Specht war schon voraus geflogen, er hoffte Haseputz zu
finden und dann mit lautem Klopfen Bescheid geben zu können.
Alle riefen:
„Haseputz! Haseputz!“
Dann horchten sie
wieder, ob sie was hörten. Aber Nichts.
Sie gingen so eine
Weile schon einher, sie waren schon fast bei der Schule als Mo eine
gebieterische Handbewegung machte. Er hatte etwas gehört. Es kam vom Bächlein
unter ihnen, das zwischen den Felsen hindurch zum See floß.
Er lief schnell zum
abfallenden Ufer hin und da sah er Haseputz.
Er war scheinbar hinuntergefallen
oder ausgerutscht und an einer großen Baumwurzel hängen geblieben. Er hielt
sich mit den Vorderläufen fest und hing mit den Hinterläufen hinunter. Er musste
schon sehr lange so da hängen, denn es drang nur mehr ganz leises Wimmern
herauf. Herr und Frau Hase atmeten erleichtert auf, als Sie ihr Jüngstes da
unter wiedersahen. Sie liefen ganz aufgeregt am Abhang auf und ab.
„Hallo Haseputz, wir
sind schon da. Halte dich fest, wir holen dich da rauf!“ Rief Mo zu dem kleinen
Häschen hinunter. Er wusste aber gar nicht, ob Haseputz ihn hören konnte.
„Wie willst du das
machen?“ fragte die Fee Fari
Mo stützte den Kopf
in beide Hände und dachte nach.
„Wo ist denn der
große braune Bär?“
„In seiner Höhle!“ Riefen
alle aus.
„Holt ihn, er muß uns
da helfen. Nur er kann da hinuntersteigen und das Häschen heraufholen.“
„Ich hole ihn,“ rief
die Elster und flog in den Wald zurück.
Das Wimmern des
kleinen Häschens wurde immer leiser und seine Eltern bekamen es mit der Angst
zu tun.
Da flog die Waldfee
Fari hinunter zu ihm. Man sah von oben, wie sie auf Haseputz einredete und ihm
Mut machte, noch ein wenig auszuharren. Sie flog auch ganz hinunter zum Wasser
und schöpfte mit ihren kleinen Händen etwas Wasser und träufelte es ihm
zwischen die Lippen.
„Wo ist Haseputz?“
Man hörte den großen Bären schon von weitem durch den Wald stapfen und sein
Rufen hallte bis zu den Wartenden.
„Hier, hier!“ Riefen wieder alle.
„Aha“ sagte der Bär
und kam näher heran. Er schaute hinunter zu dem Häschen und der Waldfee.
Dann hielt er sich
mit einer Pranke an den Baum am Rande des Abgrundes fest und mit der anderen
Pranke griff er hinunter zur Wurzel und holte den kleinen Hasen herauf und
legte ihn vorsichtig auf ein Moospölsterchen.
Alle klatschten in
die Hände und eilten sofort herbei. Doch Frau Hase vertrieb sie alle und
beschnupperte Haseputz von allen Seiten, ob ihm ja nur nichts passiert ist.
Herr Hase hielt die neugierigen Waldbewohner fern.
Scheinbar war
Haseputz nichts passiert, außer daß er ganz erschöpft und müde war. Er
schluchzte laut und kuschelte sich an die Hasenmutter.
„Geht weg da,“ sagte
der Bär, bückte sich und hob den kleinen Hasen wieder auf, “ich werde ihn zur
Höhle tragen und dort hinlegen, weil hüpfen kann er heute nicht mehr.“
Und nun ging die
ganze Karawane wieder den Weg zurück zur Höhle der Hasenfamilie. Dort warteten
schon die anderen Geschwister vom kleinen Haseputz und freuten sich ganz
überschwenglich.
Der Bär legte den
kleinen Hasen dort nieder, putze sich seinen Bauch ab und ging wieder in den
Wald zurück. An der Waldlichtung drehte er sich um und sagte:
„Also, wenn ihr
wieder einen starken Bären braucht, dann ruft mich nur!“ Und war ihm Wald verschwunden.
Nun waren wieder alle glücklich und zufrieden und langsam kehrte wieder Ruhe ein im Märchenwald.
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