Freitag, 20. November 2020

Der Bär aus den Dolomiten, Kurzgeschichte, romantisch

 

DER BÄR AUS DEN DOLOMITEN

Von Joana Angelides

 

 

Hallo Max,

 

Erinnerst du dich an die kleine Hütte in Südtirol, auf dem Weg zwischen dem Lago Misurina und Tre Croci, in der wir zwei Wochen in völliger Abgeschiedenheit verbringen wollten?

Totale Stille, der kleine See bei Misurina lag dunkel und völlig still da, als hätte er ein großes Geheimnis zu bewahren. Selbst bei Tage erschien er mir unheimlich, ja abweisend. Ob das daran lag, dass er immer sehr kalt und unbewegt ist?

Er ist eingebettet zwischen dem Sorapis und dem Monte Cristallo, rundum einige besonders schöne Hotels, versetzt in die majestätische Kulisse der Bergwelt.

Hast du das alles registriert, in dich aufnehmen können? 

Es war gleich in einer der ersten Nächte, wo ich ihn bemerkte. Er erschien zwischen den Bäumen, verschwand manchmal hinter einem dicken Baumstamm, oder saß auf einem Baumstumpf und blickte unentwegt zu uns herüber. Mein erster Gedanke war, es ist ein Bär! Doch das verwarf ich sofort wieder, weil erstens Bären hier fast nie vorkommen und zweitens menschenscheu sind

Er verschwamm mit der Landschaft, war ein Teil von ihr. Sein Gesicht konnte ich nicht ausnehmen, er trug einen weiten Hut mit Krempe und einen ebenfalls weiten Mantel. Nach einigen Tagen war es für mich ganz selbstverständlich, dass er da war. Manchmal grüßte er mit dem Hut in der Hand.

Seine Anwesenheit ließ damals schon die Luft und mein Innerstes flimmern. 

Ich verstand gar nicht, wieso du ihn nicht bemerktest. Ich machte dich einige Male auf ihn aufmerksam, doch immer, wenn du dann in seine Richtung blicktest, war er verschwunden.


Als du mich dann unvorhergesehen für einige   Tage allein ließest, verschloss ich ängstlich die Eingangstüre, nicht ohne vorher einen forschenden Blick in die Umgebung zu senden. Es war niemand zu sehen.

Da es aber ein strahlender Tag wurde, überwand ich meine Ängste, schnallte meine Skier an und begann in der Nähe der Hütte herum zu fahren.  Wie du weißt, bin ich eine begeisterte Langläuferin und genoss diese Stille und Einsamkeit daher auf der gut ausgebauten Loipe.

 

In einem kurzen unaufmerksamen Moment glitt ich auf einer kleinen Welle aus und stürzte. Der stechende, plötzliche Schmerz in meinem Knöchel signalisierte nichts Angenehmes.

Ich lag im Schnee und konnte mich vor lauter Schmerz kaum bewegen.

 

Er kam langsam auf mich zu, mir blieb der Atem weg, als er sich bückte, mich wie ein kleines Kind aufhob und ohne auch nur ein Wort zu sprechen mit mir in die Richtung unserer Hütte schritt.

 

Mein Herz blieb fast stehen vor Verwirrung, Angst und Fassungslosigkeit. Ich wagte es nicht, ihn anzusehen.

„Übrigens, mein Name ist Tonio, ich bin hier der Förster. Ihr Freund, der Ihnen die Hütte zur Verfügung stellte, ist mein Cousin. Er hat mich telefonisch informiert. Hat er Ihnen das nicht gesagt?

Ich sollte auf sie aufpassen, habe wohl versagt!“

 

„Oh, sehr erfreut. Nein, zu mir hat er nichts gesagt, vielleicht zu Max.; und Nein, sie haben nicht versagt, ganz im Gegenteil!“ Ich spürte, wie mir die Röte in die Wangen schoß.

 

Hast du davon gewußt?

 

 

An der Hütte angekommen, ließ er mich sanft auf die Bank gleiten und streckte seine Hand fordernd aus. Er wollte den Schlüssel, den ich mit zitternder Hand aus meiner kleinen Tasche am Gürtel hervorholte.

 

Im Inneren der Hütte setzte er mich auf die Bank beim Herrgottswinkel und kniete vor mir nieder, um mir vorsichtig und mit besorgtem Blick zuerst den einen, dann den anderen Schuh auszuziehen.

Er ging dabei sehr zart und zögerlich mit meinen Füßen um und blickte mich immer wieder fragend und besorgt an.

 

Ich lächelte ihn an. Wieso hatte ich eigentlich plötzlich keine Angst vor ihm?

 

„Oh, die Waldfee kann ja lächeln!“

 

 

Ich faßte mich und blickte ihn das erste Mal voll an.

Sein von der Sonne gebräuntes Gesicht hatte eine Menge sympathischer Falten, die blauen Augen waren klar und strahlend und hatten rund herum kleine Lachfältchen.

 

„Ich danke Ihnen, sie waren ja im richtigen Moment am rechten Ort!“, versuchte ich zu scherzen.

 

„Bin ich immer, kleine Frau,“ sagte er mit einem Lachen in der Kehle und stand auf.

„Ich werde die Schuhe in den Vorraum stellen und dann ihre Skier holen!

Er richtete sich auf und sah fragend auf mich nieder.

 

„Soll ich mit dem Mini-Car kommen und sie nach Cortina zum Arzt fahren, vielleicht haben sie sich ja was gebrochen? Wo ist eigentlich ihr Mann?“

 

Hörte ich da eine kleine Entrüstung in seiner Stimme, dass du nicht da warst, wo ich doch so verletzt bin!

 

Da hörte ich mich überraschend sagen:

„Das ist nicht mein Mann, ist mein Freund und er kommt erst wieder in zwei Tagen.“

 

Er stand vor mir und schaute mich forschend und fragend an, sagte aber nichts.

Als er gegangen war, schleppte ich mich in die Schlafkammer, entledigte mich der nassen Kleider, schlüpfte in den wärmenden Hausanzug und versuchte unter kleinen Schmerzensschreien, frische, dicke Socken über zu streifen. Schmerzhaft war nur das linke Bein, das andere war unverletzt.

 

Dein SMS kam ganz unerwartet und traf mich tief.

„Muss noch zwei Tage anhängen, tut mir leid. Amüsiere dich. Kuss Max“.

Na, du hast gut reden!

 

Da hörte ich schon draußen das Motorengeräusch eines Mini-Cars und gleich darauf flog die Türe auf und mein „Bär“, wie ich ihn inzwischen bei mir nannte, stand im Türrahmen.

 

„Also, wo haben sie denn eine Jacke und eine Decke, wir fahren nach Cortina zum Arzt und ich bringe sie dann auch wieder hier her zurück.“

 

Wie im Trance reichte ich ihm beides und steckte mein Handy rasch in der Jackentasche, als hätte ich Angst, er könnte dein SMS von soeben lesen.

 

Als wir zurück kamen lag die Dämmerung schon wie eine dunkle Decke über der Landschaft, aus dem im Tal liegenden Cortina konnte man hier und dort Lichter aufblitzen sehen und als wir bei der kleinen Kapelle in Alvera vorbeifuhren, hörte ich Frauenstimmen das abendliche Mariengebet lesen.

 

Dieses Mal konnte ich, gestützt auf seinen Arm schon selbst in die Hütte gehen, das Bein war fest verbunden und ich hatte eine kleine Schiene beim Knöchel. Gebrochen war nichts, nur eben angeschlagen.

 

Drinnen war es warm und gemütlich; mein Bär legte einige Scheite Holz in den herunter gebrannten Kamin, es begann zu knistern und einige kleine glühende Holzstückchen sprangen heraus.

 

 

Am Boden vor dem Kamin hockend versuchte er mit dem Schürhacken die Scheite in die richtige Lage zu schieben. Er hatte seinen schwarzen Mantel und die wattierte Jacke ausgezogen und ich betrachtete verstohlen seinen breiten Rücken, als ich, ein wenig humpelnd, bei der Kochstelle eine einfache Brettl-Jause richtete.

 

Man konnte durch das karierte Hemd seine breiten Schultern und den muskulösen Rücken erahnen. Er war nach vorne zum Feuer gebeugt und der rote Schein des Feuers zauberte Lichter in sein dunkles Haar. Kleine Schauer liefen meinen Rücken auf und ab, er faszinierte mich.

 

„Kommen sie, ich habe was zu essen gerichtet, aber die Flasche Wein müssen sie aufmachen“, ich hielt ihm die Flasche hin als er sich mir zuwandte. .

 

Ich zitterte plötzlich, sein Blick erinnerte mich an die dunklen Nischen meines Ichs, weckte tief verschüttete Bedürfnisse, ließ meine Knie weich werden.

 

Ja Max, dieses Gefühl fehlte schon lange zwischen uns, du hast unser Feuer scheinbar niederbrennen lassen und nun fror ich manchmal.

 

Er stand auf, nahm mir die Flasche Wein aus der Hand, holte die beiden Gläser und das Holzbrett mit den Broten und stellte alles   auf den Boden vor dem Kamin.

Seine Bewegungen waren zwar ruhig und bedächtig, aber voller Spannung.

Als er so vor mir stand, mit seinem offenen Lächeln, das seine Zähne zeigte und die Fältchen bei den Augen vertiefte, gaben meine Knie nach.

 

Er deutete das scheinbar zwar anders, und bevor ich stürzen konnte, hob er mich schnell wieder hoch und ließ mich vorsichtig auf das dicke Bärenfell niedersinken.

 

„Wir werden hier vor dem Kamin bleiben, die Wärme genießen und ich werde ihr Bein auf einem Polster hoch lagern. Es tut sicher weh?!“

 

Ohja, es war ein wunderbares Gefühl von diesem großen, fürsorglichen Bären umsorgt und umhegt zu werden. Daher nickte ich sehr heftig, obwohl der Schmerz kaum mehr spürbar war.

 

Er nahm wie selbstverständlich von der Sitzbank das größte und dickste Polster, schob ihn hinter meinen Rücken, einen anderen Polster legte er unter mein Bein und ließ es langsam und sanft darauf sinken. Die Hütte verwandelte sich plötzlich in eine urgemütliche Bärenhöhle mit Kamin.

Oh, ich war seinen tiefblauen Augen schutzlos ausgeliefert, sein Blick durchfuhr mich wie ein Blitz und ich beschloss, dich vorläufig einmal, einfach zu vergessen.

 

Und es gelang mir mühelos.

 

Das Feuer leuchtete durch das dunkle Rot des Weines, ließ ihn funkeln und so schmeckte er dann auch.

 

Ich lehnte mich in den dicken weichen Polster zurück, hörte seiner Stimme zu, die von seinen Erlebnissen mit den Tieren und dem Wald erzählte und spürte, wie sich langsam in meinem Inneren eine wohltuende Unruhe breit machte.

 

 

Die Wärme stieg in mir auf, verbreitete sich wohlig in meinem Inneren, unsere Hände berührten sich immer wieder wie zufällig beim Anstoßen, unsere Blicke bekamen plötzlich Widerhaken, konnten sich kaum voneinander lösen und wir bemerkten gar nicht, dass die Scheite im Kamin langsam niederbrannten.

Er hat begonnen meine Füße, die in dicken weißen Socken steckten zu massieren, dann die Socken abzustreifen und die Massage fortzusetzen. Du weißt ja, das löst bei mir explosionsartige Empfindungen aus, ausgehend von den Beinen, hinauf bis in den Unterbauch, macht mich unruhig und kleine Seufzer und tiefe Töne entringen sich meiner Kehle. Er genoss es und machte, als würde er es nicht bemerken.

Als er dann seitwärts an meinen Füßen zu der Ferse streifte und auf der Sohle retour glitt, lag ich schon mehr in dem Polster als ich saß und hatte meine Arme über dem Kopf gelegt. Dabei reagiert mein Körper wie immer hemmungslos und beginnt zu zittern. Er massierte jedoch weiter, ohne es zu beachten, umkreiste meine Zehen, kratzte an meinen Fußbällen und verstärkte es nur noch mehr, je mehr meine Füße zu zucken begannen und ich zu wimmern.

 

Dann glitt einer seine breiten Handflächen langsam das linke Bein aufwärts, bis zur Kniekehle während die andere Hand noch immer meine Zehen umrundete, die Zwischenräume zählte und mich fast verrückt machte. Ich bäumte mich auf, flüsterte irgendwas, was wie Abwehr klingen sollte, doch nicht wirklich Ernst gemeint war. Tausende Ameisen liefen an meinen glühenden Nerven auf und ab und ich verlor die Kontrolle über meine Glieder.

Es wird ewig ein Geheimnis bleiben, wie sich zwei Menschen plötzlich in einer Umarmung wiederfinden, die sich vorher fast nicht gekannt haben.

Knöpfe, Ösen oder Verschlüsse gehen scheinbar von selbst auf, Hände finden sich auf nackter Haut wieder, erforschen den Körper des anderen, finden beglückende Reaktionen, vertiefen Empfindungen und werden von Emotionen mitgerissen.

 

Seine Hände auf meiner Haut, in Tiefen und Höhen meines Körpers, seine Zunge an empfindlichen Stellen, seine Stimme in meinem Ohr, alles zusammen löste die Lust aus ihrer lauernden Ruhe und ließ sie wild tanzen.

Es gibt Stellen an meinem Körper, die ich noch nie so klingen hörte, als an diesem ersten Abend. Punkte, die plötzlich erwachten, Signale aussendeten und wie Feuer brannten. Irgendwann loderte der ganze Körper und wurde zum Flächenbrand.

 

 

Wir kehrten erst wieder in die Wirklichkeit zurück, als das Feuer im Kamin ganz heruntergebrannt war.

 

Irgendwann fand ich in mein Bett und mein Bär verließ unsere Höhle.

 

Deine nächsten SMS´s las ich mit großer Gleichgültigkeit, sie klangen immer gleich und signalisierten immerwährend deine weiter andauernde Abwesenheit.

 

Mein einziges SMS an dich lautete dann schlussendlich:

„Streiche meine Telefonnummer aus deinem Verzeichnis“ und das meinte ich ernst.

 

Meine Tage gehörten der Langlaufloipe, kurzen Einkäufen und kleinen Spaziergängen, doch die Abende gehörten ihm, meinem Bären aus den Dolomiten.

Wunderbare Abende, glühende Scheite im Kamin, glühende Körper davor. Heiße geflüsterte Bekenntnisse, erbarmungslose Fingerkuppen und fordernden Zungenspitzen, wilde Ritte durch noch nie erlebte Höhen und ermattete, weiche, biegsamen Körper. 

Ich bin dann ohne dich abgereist, da die zwei Wochen vorbei waren, Zwei wunderbare Wochen mit bleibender Erinnerung an die erhabene Schönheit und Wildheit der Natur, rotglühende Sonnenuntergänge und leidenschaftlichen Nächten.


Ich sehe nun die Welt der Bären in ganz anderem Licht. Sicher werde ich wiederkommen, meinen Bären suchen und mich mit ihm in einen temporären Winterschlaf in eine der zahlreichen Höhlen in den Dolomiten begeben

Schade, dass du so gar nichts von einem Bären hast.

 

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