FLIEDER AUF NACKTER HAUT
von Joana Angelides
Es gibt nichts
Schöneres für sie im Frühling, als mit dem Gesicht in einen großen Strauß
Flieder einzutauchen. Die sich kühl anfühlenden Blüten und Blätter zauberten
eine herrliche Atmosphäre von Frische und geheimnisvollen Düften herbei.
Sie liebte damals
wie heute, bodenlange, weite Kleider, die den Körper zwar umhüllen, aber nicht
einengen und Bewegungsfreiheit gewähren.
Sie hatte einen kleinen Zweig mit Fliederblüten abgeschnitten und drehte ihn zwischen den Fingern. Hin und wieder führte sie ihn zum Gesicht und atmete den Duft ein.
„Erschrecken Sie nicht, ich will Sie nicht stören, ich werde Sie malen!“
„Ich werde Sie Flor nennen. Das ist spanisch und
bedeutend Blume, Blüte. Das paßt so schön zu Ihnen.“
Welche Leichtigkeit
er doch an den Tag legte, unbekümmert und doch selbstbewußt.
Er begann nun die
Umrisse zu skizzieren und seine Blicke waren teils abwägend, teils forschend
und teilweise nachdenklich auf sie gerichtet.
Nach zwei Stunden,
in denen sie weiter in ihrem Buch las, die Blüten in ihrer Hand und im Schoß
immer wieder hin und her schob, war die erste Sitzung beendet.
Er packte seine Staffelei und seine Utensilien zusammen und sie vereinbarten, morgen die Sitzung fortzusetzen.
Er verbeugte sich vor ihr sehr galant, deutete einen Handkuß an und ging die Böschung hinunter.
Sie hatte ihn gar
nicht nach seinen Namen gefragt und er hatte ihn auch nicht genannt.
Verlegen räusperte sie sich.
„Sie nennen mich Flor, ihren Namen aber weiß ich gar
nicht! Wenn Se eines Tages ein berühmter Maler sein werden, werde ich es gar
nicht wissen.“
„Entschuldigen Sie, das ist meine Schuld, ich heiße Jaime! Jaime de Gordes!“ Er verbeugte sich wieder leicht und nahm wieder ihre Hand, um einen Handkuß darauf zu hauchen.
„Schön Jaime, ich werde es mir merken!“
Er ging wieder zu seiner Staffelei und nahm den Pinsel zur Hand. Nach einigen Pinselstrichen kam er jedoch wieder zurück.
„Mein Bild soll nicht nur die Schönheit der Blumenzweige zeigen, sondern auch Ihre Schönheit. Es ist eine so zarte, duftige, in sich ruhende Schönheit. Der Eindruck entsteht, dass ihre Schönheit wie eine halb geöffnete Knospe nur auf den Tau der Liebe wartet, um sich zu öffnen.“
Diese so unerwartet offenen Worte von einem fast Fremden ließ ihr das Blut in den Kopf steigen. Sie wußte gar nicht, was sie da erwidern sollte. Eigentlich sollte sie nun die unangenehm Berührte herauskehren. Doch das Gegenteil passierte. Sie fühlte sich plötzlich wie genau diese halboffene Knospe, die er genannte hatte. Neugierde auf diesen Mann stieg in ihr auf und sie lächelte hilflos.
Er hatte inzwischen noch einige zusätzliche Fliederzweige abgebrochen und arrangierte sie rund um sie. Er öffnete wie selbstverständlich ihr Kleid vorne und legte diese zwischen ihre offen und nackt daliegenden Brüste.
Die kühlen Blüten
und die Berührung der Zweige und Blätter erregte sie sehr und ließ ihre Haut
erzittern.
Er streifte mit seinem Zeigefinger eines der Blätter, welches ihre linke Brustspitze verdeckte, weg und berührte sie dabei.
Plötzlich war die Welt nur mehr Flieder! Vergessen war die sie umgebende Welt, die noch fast leere Leinwand, die erst Konturen und vereinzelte Blüten zeigte. Vergessen auch die Einsehbarkeit des Ortes.
Unversehens hielt er sie zärtlich in seinen Armen und sie küßten sich leidenschaftlich. Zwischen ihren beiden Körpern wurden die Fliederblüten zerdrückt und dieser Geruch berauschte sie noch zusätzlich. Er war einfühlsam, zärtlich und seine Leidenschaft war wie glühende Lava, die sie langsam und verzehrend umfloß. Es waren Momente, wo sie darin in jäh auflodernden vereinzelten Flammen aufging.
Das Bild machte fast keine Fortschritte, immer, wenn er Blüten zwischen ihren Brüsten arrangierte, konnten sie sich nicht mehr voneinander lösen.
Es war ein wunderbarer Sommer, ausgefüllt mit leidenschaftlichen Gefühlen, Hingabe vermischt mit Ruhepausen und neckischen Spielen mit Blüten und Blättern. Der Flieder ging ihnen aus, dann kamen die Pfingstrosen und im Laufe des Sommers die restlichen Blüten des Gartens an die Reihe.
Dann kam der Tag wo sie vergebens auf ihn warteten. Der Sommer war schon fast zu Ende, die Tage kürzer.
Auf der Liege lag das fertige Bild und einige Blütenblätter waren darüber verstreut. Sie hörte nie wieder von ihm.
Immer, wenn im Frühjahr der Flieder zu blühen begann, kam auch die Erinnerung zurück.
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