Regen im Wald
von Joana Angelides
Das kleine Haus hier oben am Hang ist zwar gemütlich, doch stellten sich bisher trotz intensivem Bemühen nicht die Einfälle ein, die er sich erwartet hatte.
Eine Geschichte soll
es sein, voller Romantik, Liebe und Happy-End. So stellt es sich sein Verleger
vor. Eine Geschichte aus der man dann auch ein Theaterstück machen kann.
Sein Blick versinkt in einer Nebelwand, sich bewegenden Schleiern und dunklen Schatten dahinter, die wohl von den Bäumen am Waldrand stammen dürften. Man kann das nicht genau bestimmen.
Durch die nun schon
hereinbrechende Dämmerung scheinen sich die Schatten der Bäume und die von der
Nässe schwer herunterhängenden Äste zu bewegen.
Da rinnt am Fenster so ein kleiner Regentropfen herab. Jetzt bleibt er stehen. Wahrscheinlich ist da eine kleine Unebenheit? Oder zögert er, weil es bisher so rasch ging?
Größere Tropfen
fließen langsam die Scheibe hinab und vereinigen sich mit den anderen Tropfen,
welche in unterschiedlichen Geschwindigkeiten nach unten streben.
Des Öfteren
entscheiden sich der eine oder andere Tropfen dann doch in eine andere Richtung
zu fließen und die Rinne, in der er bisher eingeschmolzen war, wieder zu
verlassen. Manche hinterlassen eine Spur am Glas, die aber dann weiter oben
wieder verblaßt und ganz verschwindet.
Er dreht sich um und geht wieder zum Kamin zurück. Hier im Raum ist es wohlig warm und die Holzscheite knistern. Mancher Funke springt heraus und landet auf dem Steinboden davor.
Die Einsamkeit hier
heroben wird immer lauter und greifbarer.
Er entschließt sich
hinaus zu gehen, sich den Elementen zu stellen und sich ein wenig den frischen
Wind um die Nase wehen zu lassen.
Er greift sich den
groben Lodenumhang und den großen Filz-Schlapphut und öffnet die Türe.
Der Raum ist sofort
erfüllt vom Rauschen des Wassers und ein frischer Wind belebt den Raum und läßt
auch das Feuer aufflammen.
Er schließt die Türe sorgfältig und nimmt für alle Fälle den knorrigen Stock zur Hand, der immer neben der Türe lehnt. Er gehört dem alten Thomas, der sonst immer in der Hütte wohnt, aber derzeit am Berg mit Sicherungsarbeiten beschäftigt ist und ihm für eine Woche das Haus zur Verfügung stellt.
Er schätzt mit einem Blick ab, OB das Holz an der Seitenwand des Hauses noch für diese Woche reichen wird und geht dann langsam in die Richtung des Waldes davon.
Im dichten Wald,
zwischen den Bäumen ist der Regen nicht so stark, er kann nicht so ungehindert
durch die grüne Kuppel von Ästen, Zweigen und Blättern durchdringen. Der Wald
verströmt den typischen Geruch nach nassem Holz, Moos und Kräutern.
Da, waren da nicht
Gestalten vorbei gehuscht? Knackten da nicht kleine Äste und wisperten Blätter?
Er bleibt stehen um
die Geräusche des Waldes auf sich einwirken zu lassen und da erblickt er sie.
Inmitten der kleinen Lichtung mit den beiden großen Steinen liegt sie auf dem
größeren Stein. Ihr Körper ist nach rückwärts gebogen, ihre Arme zu beiden
Seiten ausgestreckt und das lange blonde Haar auf dem Stein verteilt. Sie hat
die Augen geschlossen und ein seltsames Lächeln liegt auf ihrem Mund. Ihr
Gesicht ist verklärt und es scheint, als würde sie es genießen, wie der Regen
auf ihren Körper hernieder prasselt. Die weiße dünne Bluse spannt über ihrem Oberkörper
und schmiegt sich an die Haut an. Sie erscheint dadurch nackt und man konnte
das Heben und Senken ihrer Brüste genau sehen. Die Brustspitzen heben sich
dunkel von der Haut ab. Sie atmet tief und gleichmäßig und scheint versunken in
einer anderen Welt.
Die letzten
Sonnenstrahlen des Tages fallen in die kleine Lichtung ein und verfangen sich
in den einzelnen Regentropfen, die sich aus ihrem Haar lösen und manche Sekunde
auch auf ihren Brustspitzen verweilen um dann abzurinnen und einem neuen
Tropfen Platz zu machen.
Es scheint, als würde
sie von Diamanten eingerahmt daliegen und auf etwas warten.
Sie hat die Beine etwas gespreizt um einen guten Stand zu haben. Sie trägt einen langen, ebenfalls sehr dünnen Rock, der sich über die kleine Rundung ihres Bauches spannt und zwischen den Beiden ein wenig einfällt. Sie hat keine Schuhe an und ihrer Zehen graben sich in den weichen Boden unter ihr ein und bewegten sich ein wenig.
Sie liegt auf dem Stein, wie auf einem Altar und läßt sich vom Regen berühren, umfließen und liebkosen. Das Wasser scheint ihr nichts anhaben zu können, im Gegenteil, man sieht, dass sie es genießt. Es scheint, als würde sie den Regen als ihren Geliebten annehmen.
Er steht am Rande der Lichtung und hält den Atem an. Er hält den Atem an, aus Angst, dass irgendein Geräusch diese wundervolle Erscheinung zum Verschwinden bringen kann.
Der Regen fällt auf diese unwirklich scheinende Lichtgestalt und man merkt, dass ihr Atem immer schneller werdet. Sie öffnet leicht den Mund und scheint etwas zu flüstern.
Er spürt eine
unaufhaltsame Erregung in ihm aufsteigen, sie treibt ihn dazu, sich ihr langsam
zu nähern. Je näher er kommt, desto anziehender und realer wird die Gestalt.
Als er vor ihr steht, öffnete sie plötzlich die Augen und ihr Blick ist
strahlender als er es sich vorgestellt hatte. Der Blick versinkt in der Tiefe
seiner Empfindungen und läßt ihn nicht mehr los.
Sie richtet sich auf,
streckt ihm die Arme entgegen, er ergreift sie und mit einem Ruck löst sie sich
vom Stein und steht nun vor ihm. Die Spitzen ihrer Brüste berühren ihn. Ihre
Augen sind noch immer in den seinen versunken, er hält ihre Arme fest, als
wollte er verhindern, dass sie stürzt. Ihre biegsame Gestalt sinkt jedoch
wieder nach rückwärts ohne ihn loszulassen. Er spürt, wie ihm langsam der Boden
unter den Füßen entschwindet und findet erst wieder in ihren Armen liegend
Halt.
Es scheint ihm, als
würden sie sich Beide schwebend über diesem Stein befinden, ihre strahlenden
Augen sind weit geöffnet, ihren Mund verschließt er mit einem verschmelzenden
Kuss. Es ist ihm, als würde er hinein tauchen in einen träge dahinfließenden
Fluss. Es scheinen Stunden zu vergehen, der Regen wird immer stärker, ein
Gewitter entlädt sich mit Blitzen und Donner in der Ferne.
Doch der Traum
scheint kein Ende zu nehmen. Er taucht ein in eine Welt von Gefühlen, Flüstern
rundherum und in seinen Armen dieses sinnliche Geschöpf, aufgehend in Hingabe
und abgehoben in jene andere Welt, die nur in einem süßen Tod enden kann.
Als der Regen
plötzlich nachläßt und er wieder langsam in die Wirklichkeit zurückfindet, mit
geschlossenen Augen zurücktaumelt, hört er ein helles Lachen und sieht nur
mehr, wie das Mädchen mit wehendem Haar im Wald verschwindet.
Völlig durchnäßt und
erschöpft erreicht er wieder das kleine Haus.
Er wirft die total
durchnäßten Kleider im Bad zu Boden und stellt sich unter die heiße, dampfende
Dusche.
Ein unglaubliches
Erlebnis! Unwirklich und märchenhaft. Vielleicht auch ein wenig verrückt? Wer
war dieses Mädchen? Er hat sie noch nie gesehen.
War es Einbildung
durch den Nebel, oder durch den geheimnisvollen, im Halbdunkel liegenden Wald,
begünstigt?
Er beschloß, auf
jeden Fall Thomas zu fragen, wenn er wieder zurückkam.
Eingehüllt in seinen
Bademantel, mit einem Glas Whisky in der Hand setzt er sich an den Kamin und
starrt in die Flammen.
In diesem
Augenblick wird heftig an die Türe
geklopft.
Er öffnet die Türe und erstarrt. Sie steht vor ihm, genau dieses Mädchen, völlig durchnäßt, das lange blonde Haar hinten zusammengebunden, das Wasser rinnt in einem Bach an ihr herunter. Sie hat allerdings eine Jacke umgehängt und ihre Füße stecken in Schuhen.
„Ja? Oh., sie sind ja
ganz naß, kommen sie rein!“ Er murmelt es mehr, als er es sagt.
„Danke, ich habe eine Autopanne, bin im Morast am Ende des Hügels versunken. Ich irre schon eine Weile in der Gegen und im Wald herum und habe ihr Haus erst jetzt gefunden. Darf ich bei Ihnen telefonieren?“
Ihre großen blauen
Augen blicken ihn bittend an.
Sie hat so ein kleines süßes Lächeln im Gesicht, sein Herz klopft ihm bis zum Hals.
Das konnte doch
unmöglich das Mädchen aus dem Wald sein? Um ihn herum dreht sich alles. Er
verstand gar nichts mehr.
Sie steht nun im Raum
und unter ihren Füßen bildet sich langsam aber sicher ein kleiner See.
„Also, vorerst gehen sie ins Bad, duschen heiß, in der Zwischenzeit werde ich was Trockenes für sie suchen, dann werde ich ihnen einen Tee machen und dann werden wir telefonieren!“
Vielleicht wird es
doch was mit der romantischen Geschichte?
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