Serenissima,
Amore mia
Sie holt sich den
Brief vom Schreibtisch, der nun schon zwei Tage dort liegt, über den sie sich
ungeheuer gefreut hat und macht es sich auf der breiten Sitzbank bequem.
Sie lehnt sich an ihr
übergroßes Kuschelpolster und zieht die Beine an, ihre Füße sind nackt und ihre
Zehen bewegen sich spielerisch.
Sie liest den Brief
immer wieder. Alissia, eine Freundin aus der Studienzeit, die seit ihrem
Abschluß in Venedig lebt, hat sie für ein paar Tage eingeladen bei ihr zu
wohnen und zwar genau in jener Woche, wo der weltberühmte Karneval in Venedig
stattfindet.
Als sie beide die
Kunstakademie in Wien besuchten, gab es viele Wochenenden, an denen sie sich
einfach in den Zug setzten und nach Venedig fuhren. Diese Stadt, Serenissima,
die Perle an der Adria, hatte es ihnen schon damals angetan. Sie standen gerne
auf der Rialtobrücke und ließen Blütenblätter ins Wasser fallen oder flirteten
mit den Gondolieri, die unter ihnen durchglitten und manchmal schickten sie
ihnen sogar Kußhändchen, um sie aus der Fassung zu bringen.
Sie wohnten immer
in einer kleinen Pension in der Calle Modena.
Die Pension war
sauber und billig, der Ausblick von den unverhältnismäßig großen Balkonen war
überwältigend. Man hatte den Blick frei bis zum Canale Grande, rechts und links
auch auf einigen Kirchen und alte Paläste. Die pastellfarbenen Fassaden der
alten Palazzi sahen bezaubernd aus, man übersah die oft abbröckelnden Ecken
über all diesem Charme, den die Stadt ausstrahlt.
Die Wirtin war eine
kleine runde Person mit freundlichem Wesen und brachte immer irgendetwas extra
für die „armen Studentinnen“ auf den Tisch.
Und war da nicht
der Sohn ihrer Wirtin? Wie hieß er doch?
Sie lächelte
verträumt vor sich hin. Er war damals wahnsinnig in sie verliebt und jedesmal
wenn sie da wohnten, saß er so oft es ging auf den Stufen, die von der schmalen
Calle zum Hauseingang und weiter in den ersten Stock hinaufführten und blickte
mit verklärten Augen zu ihrem Balkon empor. Seine Bewunderung schmeichelte ihr
und sie genoß es.
Von der stolzen
Mama erfuhren sie, dass er ebenfalls Student an der Kunstakademie sei und
sicher einmal ein großer Maler oder Bildhauer werden wird. So genau wollte sie
sich da nicht festlegen.
Es machte ihr damals
Spaß, in einem weiten weißen, fast durchsichtigen Kleid und einem Strohhut mit
einem blauen Band, am Balkon zu sitzen, die bloßen Füße aufgestützt auf dem
gegenüber stehenden Sessel, die Zehen spielerisch zu bewegen und so zu tun, als
würde sie angestrengt in die Ferne blicken um Venedig zu zeichnen. Sie genoss
seine sehnsüchtigen Blicke, die er vergebens zu verstecken suchte, indem er immer
eine Zeitung in der Hand hielt.
Eines Morgens
entschloss sie sich, einen Bleistift über die Balkonbrüstung fallen zu lassen
und dem jungen Mann zuzurufen, ihr diesen wieder rauf zu bringen.
Sofort begann er
diesen zu suchen und zeigte ihn ihr dann. Er lief die Stufen hinauf und kam
atemlos oben an.
Als er so im
Türrahmen stand, schwer atmend, ihm die schwarzen Locken in die Stirne fielen
und seine dunklen großen Augen auf ihrem etwas verrutschten Kleiderausschnitt
hängen blieben, erschien er ihr wie ein Bildnis vorn Michelangelo.
Seine natürliche
Schönheit raubte ihr damals den Atem. Sie zeichneten des Öfteren auf der
Kunstakademie nachlebenden Modellen, doch in dieser Vollkommenheit und
ausgewogenen Balance hatte sie vorher noch nie ein Modell gesehen.
Sie überlegte wie
alt er sein mochte und kam zu dem Schluss, dass er ungefähr in ihrem Alter war.
„Willst du mir
Modell stehen? Ich werde dich zeichnen! Wie heißt du eigentlich?“
„Luciano!“ Sagte er
ganz leise.
Ohne seine
Zustimmung abzuwarten, nahm sie ihm bei der Hand und führte ihn in die Mitte
des Raumes zu einem Sessel mit einem weinrot gemusterten Überwurf, wo ihr die
Beleuchtung am günstigsten erschienen.
Er ließ es
geschehen, ließ sich fast willenlos hin und herschieben, sein Hemd etwas mehr
öffnen, so dass man seine linke Schulter sehen konnte. Als sie ihn berührte überzog
eine zarte Röte seine Wangen. Sie mußte heute noch zugeben, dass ihr das damals
sehr gefiel.
Mit dem Zeigefinger
hob sie sein Gesicht etwas in die Höhe und befahlt ihm, sie anzuschauen und den
Kopf nicht zu bewegen.
Als sie seinen
Körper abermals berührte, ihn ein wenig drehte, spürte sie wie er zitterte.
Sie hatte ihre
Staffel zirka drei Meter von ihm entfernt aufgestellt und begann die Umrisse
seines Kopfes bis zu den Schultern zu zeichnen. Sie saß auf einer Art Barhocker
mit drei Beinen und einer kleinen Rückenlehne, ließ einen Fuß in der Luft
baumeln und mit dem anderen stützte sie sich auf dem Fußboden ab. Er hielt ganz
still und schaute sie ununterbrochen an. Seine Augen brannten aus seinem
schönen Gesicht, nur manchmal zuckten die Augenlider. In den entsprechenden
Gewändern würde er wie ein italienischer Edelmann der Renaissance aussehen,
überlegte sie.
Er kam nun
pünktlich jeden Nachmittag um ca. 15.ooh und setzte sich immer in derselben
Pose ihr gegenüber hin. Um diese Zeit war der Lichteinfall in dem Raum am
besten.
Sie sprachen kaum
ein Wort, er blickte sie unverwandt an und sie ließ immer wieder den Kohlestift
sinken und hielt seinem Blick stand. Nur hin und wieder entschlüpfte ihr ein
tiefer Atemzug und ihr Mund öffnete sich leicht. Die Folge war, dass seine
Augenlider mehrere Male hintereinander nervös zuckten, doch hatte er sich immer
wieder in der Gewalt.
Sie zeichnete
damals schon am liebsten mit bloßen Füßen, ließ ihre Zehen spielen oder setzte
sie auf den Boden auf. Sie merkte, dass ihn diese Bewegungen am Rande seines Gesichtsfeldes,
beunruhigten. Hin und wieder schweifte sein Blick ab und blieb an ihren nackten
Füßen und den spielenden Zehen hängen. In solchen Momenten sah sie, wie sich
sein Körper anspannte und er seine Lippen mit der Zunge benetzte.
Am dritten Tag ihrer
Session heizte sich dann die Spannung noch mehr an. Sie kam einige Male zu ihm
hinüber und tat als würde sie die Haltung seiner Schulter verändern.
Ihr loses Kleid,
das ihren fast nackten Körper fließend umspielte, ließ dann tiefe Einblicke
frei und sie merkte wie er auf dem Sessel unruhig hin und her rutschte. Seine
Augen wurden zu einem unergründlichen tiefen schwarzen See, seine Lider senkten
sich leicht.
Sie mußte lächeln
in der Erinnerung daran. Sie spielte mit
ihm Katz und Maus. Obwohl sie beide ungefähr gleichaltrig waren, war sie ihm
natürlich weit überlegen.
Das Bild blieb ein
Fragment, nur der Kopf und die ausgeprägten Schultern zeigte es, als sie dann
wieder wegfuhren.
Es war der letzte
Aufenthalt während ihres Studiums, sie kam dann zwar noch öfter nach Venedig,
doch niemals wieder in die kleine Pension.
Sie hatte dieses
halbfertige Bild noch lange in ihrer Wohnung an die Wand gelehnt stehen und
jedesmal wenn sie es ansah, mußte sie lächeln. Die Erinnerung an diese
Nachmittage erzeugten immer wieder ein kleines Kribbeln in der Magengrube und
ihre Zehen bewegten sich unbewußt hin und her, wie immer, wenn die Erregung in
ihr aufzusteigen begann.
Auch heute noch!
Sie wird die
Einladung annehmen, sie wird Venedig wiedersehen, die Perle der Adria. Sie wird
die Calle Modena durchstreifen, den Balkon suchen auf dem sie saß und
vielleicht .........
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