Das griechische Abendessen
von Joana Angelides
Meine Einkaufsliste war lang! Nun
war ich schon im dritten Geschäft und hatte noch immer nicht alles gefunden.
Die Liste umfasste offenbar hunderte Zutaten für das morgige Abendessen.
Robert hatte seinen Chef mit Ehefrau zu einem griechischen Abendessen
eingeladen. Eigentlich hat sich Herr Scherber selbst eingeladen und Robert
blieb nichts Anderes übrig, als scheinbar erfreut zuzustimmen. Warum hatte er
denn auch so begeistert von unserem Urlaub in Griechenland gesprochen und geprahlt,
was ich für tolle Rezepte mitgebracht habe?
Ich hatte seinen Chef zwar bei der letzten Weihnachtsfeier kurz kennen gelernt,
nicht aber seine Frau. Das kompliziert die Sache natürlich ungemein.
Wahrscheinlich war sie so eine eingebildete Zicke, die sich sicher besser
vorkam als die Angestellten ihres Mannes.
Also, hier waren die rosa Fischeier für den Tarama-Salat, die Garnelen und die
noch lebenden Krebse in einem Extrabehälter.
Die Lammkottelet waren zart und sorgfältig vom
Fleischer zugerichtet, bereit zum Grillen, eingelegt in Olivenöl, mit Origano
und Pfefferkörnern mariniert.
Es fehlten noch Melanzani, einige Zucchini und Knoblauch.
Robert meinte zwar, der Knoblauch könnte vielleicht ein Problem sein, aber ich
würde doch nicht meine Rezepte verändern! Außerdem wusste man nie, was anderen
Menschen wirklich schmeckt.
Yoghurt, Gurken, Dill
und Olivenöl für die Zubereitung des Tsatsikis hatte ich bereits im
Kühlschrank. Zuletzt ließ ich noch die
Miesmuscheln einpacken.
Bereits am Vorabend begann ich mit der
Vorbereitung und machte dann am nächsten Tag weiter. Meine Küche sah wie die
Großküche eines Hotels aus. Anna, meine Perle, schimpfte dauernd auf Gäste, die
wir nicht wirklich brauchen konnten. Aber ohne sie hätte ich das gar nicht
geschafft. Trotz des griechischen Kochbuches aus der Buchhandlung zur
Unterstützung
Robert war unbeeindruckt! Er wusste ja nicht, dass unsere seltenen gemeinsamen
Mahlzeiten sehr oft von „Francois“ kamen oder vom „Meinl am Graben“!
Denn meist hielt ich Diät und aß nur Salat, oder wir aßen auswärts.
„Oh Schatz, kommst du zurecht?“ Diesen Satz hörten wir bis zu zehn Mal, während
wir in der Küche werkten. Ich glaube das nächste Mal werde ich das große
Fleischmesser nach Robert werfen.
Ein letzter ordnender Handgriff noch am schön gedeckten Tisch, ein
Zurechtrücken eines Glases und es war soweit. Unsere Gäste waren da!
Robert öffnete sofort
und begrüßte Herrn Scherber und Frau. Ich stand mit einem strahlenden Lächeln daneben
und nahm huldvoll Herrn Scherbers Handkuss entgegen. Seine Frau hatte ein
kleines Lächeln im Gesicht. Sie sah schüchtern und nett aus, war sicher nur
Tarnung!
Nach einem Aperitif
im Wohnzimmer, wo der Chef meines Mannes die Unterhaltung bestritt und sein
schallendes Lachen bis in die Küche zu hören war, bat ich zu Tisch.
Mir fiel auf, dass
seine Frau fast nichts sagte und wenn doch, dann wurde sie von ihrem Mann jedes
Mal unterbrochen, oder er widersprach ihr. Und immer hatte sie ein kleines
Lächeln im Gesicht.
Ich servierte den ersten Gang, meine Vorspeisen, die gekochten Krebse und
marinierten Miesmuscheln in Ei-Zitronensauce, gebackene Melanzani und Zucchini
mit Knoblauchcreme. Besonders stolz war ich auf die mit Tomaten und Schafkäse
zubereiteten Garnelen.
Frau Scherber griff anfangs sehr zaghaft zu, doch es schien ihr zu schmecken. Sie
stammelte eine Entschuldigung als ihr eine der Vorspeisen auf das Tischtuch
fiel und sie einen bösen Blick ihres Ehemannes dafür erhielt.
„Ach, kein Problem Frau Scherber, kann man alles waschen!“, lachte ich gezwungen,
um die Situation zu retten, denn langsam stieg Mitleid mit ihr in mir auf. Ein
dankbarer Blick traf mich.
„Doris, ich heiße
Doris!“, stammelte sie verlegen.
„Ich heiße Eva“,
sagte ich und ergriff ihre Hand.
Herr Scherber unterbrach unsere kleine Unterhaltung mit der Frage: „Sagen Sie,
Knödel haben die Griechen wohl keine?“ Diesen Satz begleitete ein dröhnendes
Lachen. In diesem Moment flutschte ihm eine der Garnelen quer über den Tisch.
Anscheinend schien ihm dies nicht sonderlich zu stören, denn er angelte mit den
Fingern danach und legte sie wieder auf den Teller zurück.
Und mit vollem Munde stopfte er sich zwei verschiedene Vorspeisen rein und
spülte mit Wein nach.
„Nein, und auch keine
Blutwurst und kein Sauerkraut!“ Ich war selbst erschrocken über meine laute
Stimme. Neben mir registrierte ich ein leises Glucksen, das von Doris kam.
Ich stand auf. „Darf ich jetzt den Hauptgang
servieren?“
Auch Doris stand auf,
„Ich helfe Ihnen“, sagte sie und legte die
Serviette auf den Tisch.
Wir gingen in die Küche und als wir die Türe geschlossen hatten, brachen wir
beide in ein übermütiges Lachen aus.
„So, jetzt trinken wir beide einmal einen
Sherry und dann gehen wir wieder rein“. Ich schenkte ein und wir lächelten uns
zu. Der Abend hatte eine überraschende, angenehme Wendung genommen.
Wir ließen uns Zeit, arrangierten liebevoll die Lammkottelets auf die Platte, und
Anna, meine Perle, reichte mir die Schüssel mit dem Salat.
In diesem Moment steckte Robert den Kopf in die Küche.
„Wieso dauert das denn so lange?“ Er sah besorgt und ein wenig verärgert aus.
„Ach, spielen Sie
nicht Chef“, lachte Doris, nahm die Platte mit dem Fleisch und wir gingen ins
Speisezimmer.
Der Abend verlief
dann etwas aufgelockerter, woran der Wein nicht ganz unbeteiligt war; dem Chef
schmeckte es offenbar, auch ohne Knödel. Es blieb nichts übrig. Er fiel ihm gar
nicht auf, dass Doris einige Male einen ganzen Satz sprach, ohne von ihm
unterbrochen zu werden.
Als sie denn endlich
gegangen waren, das Speisezimmer im Chaos versunken, saßen Robert und ich im
Wohnzimmer und tranken in aller Ruhe noch ein Glas Wein.
Robert meinte, sein
Chef sei sicher beeindruckt von meiner Kochkunst und ich war überzeugt, eine
neue Freundin gefunden zu haben.
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