Ein Mann und sein Papagei
von Joana Angelides
Es war ein
anstrengender Tag. Schon die Fahrt in die Stadt mit dem Bus war eine Zumutung.
Wie immer kam er viel zu spät, die Menschen drängten beim Einsteigen und
Körperkontakte waren unvermeidlich.
Wobei ich es auch als
unerwünschten Körperkontakt betrachte, wenn diverse Gerüche sich mischen und
als Belästigung meine Nase beleidigen.
Das von mir
aufgesuchte Geschäft stand da den Gerüchen im Bus in keiner Weise nach,
vermittelte sogar ähnliche Eindrücke und auch die Geräusche die Hunde, Katzen
und diverse Vögel erzeugen, sind fast der Geräuschkulisse im Bus nachempfunden.
Aber ich habe
gefunden, was ich suchte.
Ich kann nun einen
großen, bunten Papagei, der mehrere Sprachen spricht, mein Eigen nennen. Ich
brauche einen Dolmetsch, der mir zu jeder Zeit zur Verfügung seht.
Der Verkäufer hatte
sofort verstanden, was ich suchte!
Nach seinen Angaben,
hatte er ein Prachtexemplar von einem Papagei in seinen Bestand und natürlich
sprach er einige Sprachen, wie der Verkäufer, namens Gonzales, mir versicherte.
Und da saß er nun, ein Prachtexemplar in Rot, Grün und Blau. Ich konnte nicht
umhin, ihn unter seinem Schnabel zu kraulen.
Sofort erwiderte er
meine Zärtlichkeit entsprechend.
Gonzales hat dann
meinen rechten Zeigefinger mehr oder minder fachgerecht verbunden, nach dem der
liebe sympathische Vogel sofort geschnappt hat. Ich muss eben das nächste Mail
schneller sein, empfahl der Verkäufer.
„Sagen Sie Guten Tag in einigen Sprachen“,
zwinkerte er mir zu, „er wird es sofort richtig übersetzen!“
„Buenas Dias“, sagte
ich bedächtig, mit meinen spärlichen spanischen Sprachkenntnissen, damit er es
auch versteht.
„Guten Tag!“
Na, das hat ja
geklappt.
„Bonjour“, mein
Französisch klang perfekt.
„Guten Tag!“ Ohja,
das kam ja prompt.
„Buon Giorno“, ich
klang wie ein Römer
Der Vogel zögerte
leicht, doch dann kam es prompt:
„Guten Tag!“
„Good morning, how are you?“ In Englisch bin ich auch sehr versiert.
„Guten Tag!“ Der Vogel auch, wie es scheint.
„Ja, ich sehe, er ist
wirklich perfekt, ich nehme ihn!“
Ich legte ein kleines
Vermögen hin. Aber ich bekam dafür einen Papagei, der vier Sprachen spricht,
einen voluminösen Käfig, zwei Säcke mit verschiedenen Kernen und Mischfutter,
eine lange Kette und ein pultartiges Gestell, auf dem der Vogel gerne sitzt,
wie mir Gonzales versicherte.
Dass der Vogel so
viele Dinge benötigt, damit habe ich nicht gerechnet.
Aber immerhin, er
spricht ja vier Sprachen.
„Sagen Sie, hat er
auch schon einen Namen?“
„Ja, er heißt
Sokrates!“ Sagte Gonzales.
Ich ließ mir ein Taxi
rufen, denn mit all diesen Dingen im Bus zu fahren, schien mir nun doch sehr
gewagt.
Nachdem alles unter
den ängstlichen Blicken des spanischen Chauffeurs verstaut war, nahmen ich und
Sokrates auf dem Rücksitz Platz.
„Ich hoffe, er ist
nicht unruhig da rückwärts? Hat sie das blöde Vieh gebissen?“. Der Chauffeur klang mitfühlend, er hatte
meine verbundene Hand erst jetzt bemerkt. Fast alle Taxichauffeure können hier
Deutsch, gut für den Tourismus!
„Guten Tag,
Scheißkerl!“ Ja, das hatte er nun davon,
wenn er einen Vogel der vier Sprachen spricht, beleidigt.
Naja, wenn er so
beschimpft wird, muss er sich ja wehren. Aber wir werden da ein anderes Wort
lernen.
Ich sah Sokrates missbilligend
tief in sein, mir zugewandtes Auge.
„Guten Tag,
Scheißkerl!“
Ich nehme nicht an,
dass er mich damit meinte, senkte aber meinen Blick, um ihn nicht noch mehr zu
reizen.
Die Ampel zeigte Rot
und der Polizist hob die linke Hand, um uns zu stoppen. Irgend etwas mußte
meinen Dolmetsch aber doch sehr gereizt haben. Er trippelte am Rücksitz zum
rechten Fenster, spreizte seine Flügel und schrie laut und kreischend:
„Guten Tag,
Scheißkerl!“
Ich denke, der
Polizist kann auch Deutsch. Jedenfalls hat er sich die Autonummer notiert und
der Chauffeur schloß das hintere Fenster.
„Guten Tag,
Scheißkerl!“
Also, ich werde mit
Gonzales telefonieren und mich beschweren. Er sollte nur übersetzen und nicht
selbst Worte kreieren.
„Sei ruhig Sokrates,
wir bekommen sonst Probleme!“ Ich hob den Zeigefinger meiner unverletzten Hand
und zog sie aber rasch wieder zurück, denn Sokrates kam ihm mit seinem starken,
gebogenen Schnabel sehr nahe.
Der Fahrpreis war
entsprechend hoch. Ich vermute, der Chauffeur hat die zu erwartende Geldstrafe
gleich mitgerechnet.
Rositta, meine Perle,
schlug beide Hände zusammen, als sie Sokrates sah.
„Senior, der wird den
ganzen Tag kreischen und die Körner durch die Gegend spucken, ich kenne das von
meiner Schwester, die hat auch so ein Untier!“
Das hätte sie nicht
sagen sollen.
Sokrates breitete
beide Flügel aus, sein Kopf fuhr nach vorne und er kreischte laut:
„Guten Tag,
Xanthype!“ Also, gebildet war er schon, mein Sokrates, oder war es sein
verschüttetes Trauma?
Er unterschied offenbar zwischen Frauen und Männern!
Meine Perle war ich
los, sie hatte das für einen Fluch gehalten. Sie wußte nicht, dass er zu allen
weiblichen Wesen Xanthype sagt und zu allen männlichen Scheißkerl.
Aber er sagte immer
vorher Guten Tag.
Das waren aber auch
die einzigen vier Worte, die er konnte.
Ich muss mich nun noch
sehr bemühen, den Sprachschatz von Sokrates, dem Papagei mit den vier Sprachen,
auszubauen.
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