Sonntag, 4. März 2018

Der Baum, Kurzgeschichte



Der Baum
von Joana Angelides 


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Lange Zeit lag das Grundstück ungenutzt am Strand und verwilderte. Die Sträucher wurden immer dichter, Gras und Unkraut bedeckte den Boden.

Ein wahres Paradies für die Ferienkinder. Sie bauten sich Unterschlüpfe, sie fütterten die Vögel und erzählten sich dicht aneinandergedrängt, ihre Geschichten und Erlebnisse.

Das Grundstück lag direkt am Meer, nur eine kleine Straße trennte es vom Strand, der wunderbar weich und sauber war. Außerdem spendete ein alter Baum am gegenüberliegenden Straßenrand, Schatten. Dort suchten die Kinder nach dem Schwimmen Schutz vor der Sonne.

Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht von den Baumaschinen im Ort herum und die Kinder liefen erschrocken hin, um nach ihrem Refugium zu sehen.

Fassungslos sahen sie zu, wie die Maschinen erbarmungslos in ihr Paradies eingedrungen waren, die Sträucher ausrissen und die Erde mit großen Schaufeln ausbaggerten.

Sie setzten sich stumm unter den großen Baum gegenüber dem Geschehen und konnten es gar nicht glauben.
Der Schock saß tief, umso mehr als es so überraschend geschah. Nichts hatte auf diese Katastrophe hingedeutet.

Der Sommer ging vorüber und die Kinder verschmerzten den Verlust, sie hatten ja noch IHREN Baum. Sie saßen mit dem Rücken zur Baustelle und versuchten sie zu ignorieren.
Das Haus wuchs und als die Ferien vorüber waren, stand der Rohbau und glotzte sie aus leeren Fensterhöhlen böse an, so zumindest empfanden sie es.

Als sie im nächsten Sommer wiederkamen, war das Haus fertig und auch bewohnt. Es war einstöckig und hatte einen Mansardenaufbau. Über die Vorderfront zog sich ein breiter Balkon, auf den zwei Türen und ein Fenster mündete. Er war begrenzt durch eine schwarze Balkonbrüstung, die aussah wie ein Spinnennetz.

Die Kinder trafen sich am Anfang der Straße und gingen geschlossen zum Strand und setzten sich wieder unter IHREN Baum. Sie taten, als interessiere sie das Haus nicht im Geringsten.
Sie hatten sich viel zu erzählen, schließlich waren inzwischen einige Monate vergangen.

Sie lachten und schrieen durcheinander, liefen zum Meer und ließen den aufgestauten Energien der letzten Monate freien Lauf.
Es vergingen einige Tage und als sie wieder einmal zum Baum zurückkamen, stand ein älterer Mann in einer Art Uniform da und schaute sie streng an.
„Mein Name ist Georgios, ich bin Angestellter in diesem Hause. Und mein Herr fühlt sich durch den Lärm, den ihr hier veranstaltet, gestört. Könnt ihr nicht weiter die Straße rauf oder runtergehen und dort spielen?“

Die Kinder starrten ihn an.
Was erlaubte er sich? Es war schließlich IHR Baum und sie waren früher da. Sie schüttelten stumm den Kopf und sechs Augenpaare richteten sich gleichzeitig und das erste Mal offen und sehr zornig, auf das Haus.

Ein alter Mann saß in seinem Rollstuhl am Balkon im ersten Stock mit einer Decke auf den Knien und starrte scheinbar unbeteiligt zu ihnen herüber. Er wirkte unheimlich und abweisend, was wahrscheinlich durch die überdimensionierte Sonnenbrille noch verstärkt wurde.

Jeder einzelne der sechs Kinder hatte den Eindruck, dass er genau ihn ansah. Die Stille war greifbar.

Wie auf Befehl drehten sich die Kinder plötzlich um und liefen ins Meer. Sie ließen den Bediensteten einfach stehen und kümmerten sich nicht um ihn. Als sie herauskamen war er verschwunden, nur der alte Mann saß noch immer am Balkon und schien zu ihnen herüberzustarren.

Sie rafften ihre Kleidungsstücke zusammen und gingen nach Hause.

Das Wetter der nächsten Tage erlaubte es nicht, dass die Kinder ins Meer baden gehen konnten.

Nach einigen Tagen stürmten sie jedoch wieder die Straße hinunter, um unvermittelt stehen zu bleiben.

Wo war IHR Baum?

Wo der Baum stand, gab es nur mehr einen Baumstumpf und rund herum lagen die abgeschnittene Zweige und der in einige Teile zersägte Baumstamm, mit ihren eingeritzten Initialen.
Sie kamen nun langsam näher und starrten darauf. Dann blieben sie stumm stehen und machten den Eindruck einer Trauergemeinde am offenen Grab.

Einer der Kinder hob einen Zweig auf und hielt ihn in der Hand, die anderen machten es ihm nach. So standen sie eine Weile stumm da; der Kleinste ließ ein Schluchzen hören, das dann in lautes Weinen überging, als ihn der Älteste an der Schulter nahm und an sich drückte.

Plötzlich erfasste sie unbändige Wut. Der Baum war ihnen Schutz, Zuflucht und Freund gleichzeitig gewesen. Ein einzelner Mann, dem Kinderlachen und ein wenig Lärm störte, hat ihn einfach entfernt, getötet!

Sie drehten sich um und blickten in die Richtung des Hauses gegenüber. Der alte Mann saß am Balkon und starrte wieder zu ihnen herüber. Sie starrten zurück und hoben alle gleichzeitig jene Hand, die jeweils den Zweig hielt. Es war wie eine Drohung, wie ein Schwur.

Plötzlich bewegte der alte Mann seinen Rollstuhl und verschwand im Dunkel des Raumes hinter ihm.

Die Kinder blieben noch eine Weile in ihrer Stellung und starrten Hass erfüllt hinüber, dann gingen sie mit hängenden Köpfen, jeder einen Zweig in der Hand, nach Hause.

Doch sie kamen nun jeden Tag wieder. Am Anfang der Straße sangen sie laut irgendwelche Kinderlieder. Wenn sie das Haus erreichten, verstummten sie und stellten sich schweigend gegenüber dem Haus auf. Jeder hielt seinen Zweig anklagend in die Höhe, so blieben sie eine Minute lang stehen. Der alte Mann ließ sich nicht blicken, doch man konnte sehen, wie sich die Vorhänge hinter dem Fenster bewegten. Nach dieser Minute gingen sie wieder und begannen sofort nach Erreichen des Nachbargrundstückes wieder zu singen.
Am anderen Ende des Dorfes hatten sie wieder einen Platz gefunden, wo das Meer ebenso schön war, der Strand ebenso weich und sauber. Es waren auch einige kleine Bäume da, die ein wenig Schatten spendeten, doch IHR Baum, mit der mächtigen Krone und den weit ausladenden Ästen fehlte ihnen sehr.

Die mitgenommenen Zweige hatten längst ihre Blätter verloren und waren trocken und spröde, doch sie hüteten sie wie einen Schatz. Jeden Tag gingen sie zu dem neuen Haus und hielten sie anklagend in die Höhe. Erst dann liefen sie zu ihrem neuen Spielplatze.

Es ging ein Raunen durch das Dorf, als bekannt wurde, dass der alte Mann, der das neue Haus bewohnte, plötzlich gestorben war.

Die Kinder trafen sich am Hauptplatz vor der Kirche und der Älteste las laut und ohne besondere Betonung die Todesanzeige vor. Danach gingen die Kinder zum Abfallcontainer und warfen die trockenen und spröden Äste hinein.

Der Tod des alten Mannes ging ihnen scheinbar nicht sehr nahe, sie kannten ihn ja kaum.


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Samstag, 3. März 2018

Die Frau im Aquarium, Kurzgeschichte




 DIE FRAU IM AQUARIUM
von Joana Angelides


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Niemand sah sie, außer mir! Niemand sah die Frau in meinem Aquarium!

Das begann so:
Anfangs sah ich sie manches Mal, wenn ich an der Kreuzung stand und auf Grün wartete. Da saß sie in dem Auto neben mir.

Sie schaute mich an und ich sah ein kleines Lächeln aufblitzen in ihren grünen Augen. Es ergriff mich jedes Mal ein unglaubliches Glücksgefühl. Die Ampel schaltet auf Grün und sie bog ab.

Mein Büro lag im sechsten Stock des Bürotowers mitten im Geschäftsviertel. Ich fuhr regelmäßig mit dem Lift hinauf und eines Tages sah ich sie auf den Lift zukommen. Doch sie kam zu spät, die Lifttüre schloss sich. Ich sah nur mehr ihr Lächeln und ihren Blick. Ich versuchte den Lift zu stoppen, doch es war zu spät. Die Türe war und blieb zu.

Der Vormittage vergingen in Windeseile mit Telefonaten, Besprechungen und dem Studium von Akten. Ich verdrängte dieses Gesicht, diese Augen kurzfristig aus meinem Gedächtnis.

An einem dieser Tage begab ich mich erst spät in den kleinen Schnellimbiss im dritten Stock des Bürogebäudes und suchte lustlos irgendetwas, um meinen Hunger zu stillen. Ich setzte mich in die hinterste Ecke und beginne meine Pizza zu verzehren. Da spürte ich sie wieder, diese Blicke! Ich sah mich suchend um und versank wieder in den grünen Augen dieser wunderbaren Frau. Mit einer ungestümen Bewegung schüttelte sie ihre dunkelbraune Haarmähne zurück, nahm ihre Handtasche vom Stuhl und strebte dem Ausgang zu. Ich versuchte mich rasch aus meiner Ecke frei zu schwimmen und stürzte in Richtung Ausgang, nicht ohne mit einigen Leuten zusammen zu stoßen. Endlich erreichte ich die Ausgangstüre und stürmte ins Freie. Ich sah gerade noch, wie sie ein Taxi bestieg und wegfuhr. Ich stand dann völlig hilflos, mit einer Serviette in der Hand am Rande des Gehsteiges.

Der restliche Nachmittag zog sich endlos in die Länge. Meine Gedanken schweiften immer ab und zu ihr. Ich konnte mich nur etwas beruhigen, wenn ich den Fischen in dem großen Aquarium in meinem Büro zusah. Es nahm die
Seitenwand des Büros völlig ein und diente der Meditation. Die Bewegungen der Fische hatten etwas Beruhigendes für mich. In meinen Träumen bin ich oft einer dieser Fisch gewesen, bin in völliger Stille und Harmonie zwischen den Wasserpflanzen geschwommen.

Nach Büroschluss traf ich dann Frank in der Bar unten im Erdgeschoß.
Zum wiederholten Male erzählte ich ihm wieder einmal von dieser Frau, der ich immer wieder um ein Haar begegnete, es aber nie wirklich schaffte, sie anzusprechen.

Wie bereits anläßlich meinen früheren Erzählungen, lachte er mich auch heute wieder aus. Viel zu oft habe ich ihn schon auf diese Frau aufmerksam gemacht, wenn ich sie auch in seiner Gegenwart sah. Doch er konnte sie nie sehen, er war einfach zu langsam und träge, konnte meinen Hinweisen nicht so schnell folgen. Dann war sie wieder in der Menge verschwunden.

In dieser Nacht träumte ich von ihr. Ich traf sie im Lift, wir fuhren langsam nach oben, sie lächelte mich an, sprach kein Wort. Sie ließ es geschehen, dass ich ihren Arm nahm und sie in mein Büro führte. Wir setzten uns und sie blickte fasziniert auf das Aquarium, auch ihr gefiel es, den Fischen zuzusehen. Ich erzählte ihr von meinen Träumen. Sie lachte.
Offenbar lachte sie mich aus. Ich spürte im Traum, wie Wut und Enttäuschung in mir aufstieg.
Ich packte sie am Arm, sie sollte näher an das Aquarium heran gehen, sollte sich ebenfalls als Fisch fühlen, mit mir zwischen den Pflanzen und künstlichen Steinen und Hindernissen hindurch schwimmen um zu verstehen, was ich meinte. Sie wehrte sich, doch ich war stärker. Im Traum bekam ich ungeahnte Kräfte und zog sie mit mir. Wir schwammen nun endlich gemeinsam, das Aquarium bekam eine ungeahnte Weite, wenn man sich in ihm befand. Im Traum sanken wir immer tiefer zum Grund, ihre Haare schwebten wie Schleier rund um uns, aus ihrem Mund kamen Wasserblasen und ihre Arme zeigten nach oben. Es war wie ein herrlicher, nie endenwollender Tanz in die wundervolle Tiefe des Ozeans. Ihre Augen starrten mich erstaunt an, nun endlich verstand sie, was ich meinte. Die Fische schwammen um uns herum, während wir immer tiefer sanken.
Sie war überwältigt, ich musste sie in meinen Armen halten, ich spürte Glücksgefühle in mir aufsteigen. Sie wird nun für immer bei mir bleiben, ich werde sie täglich ansehen, wie sie zwischen den Fischen hin und her schwebt und mir bei der Arbeit zusieht und wenn es mich gelüstet, werde ich zu ihr ins Aquarium tauchen und wir werden gemeinsam dahinschweben.
In meinem Traum war die Nacht lang und dunkel, ich machte einen Umweg vom Büro nach Hause, am Fluss entlang, hörte die Geräusche der Nacht, die in der Stadt immer zu hören waren.
Der Fluss war dunkel und undurchsichtig, mir war kalt und ich fröstelte.
Dann bin ich aufgewacht.

Am Weg ins Büro am Morgen schweiften meine Blicke herum, ich werde sie sicher wieder sehen, sie wird mach ansehen und doch dann wieder in der Menge verschwinden. Ich hätte ihr so gerne von meinem Traum und unserem gemeinsamen Erlebnis erzählt.


Der Tag fing an, wie jeder andere auch, wenn ich nicht am Morgen im Büro die Zeitung aufgeschlagen hätte. Da sah ich ihr Bild. Das Blut gerann mir in den Adern! Das Bild zeigte diese wunderbare Frau aus meinem Traum, jedoch mit geschlossenen Augen und seltsam starrem Gesichtsausdruck. Darunter stand, sie sei ermordet worden. Man hatte sie aus dem Fluss gefischt. Es traf mich wie ein Blitzschlag. Ich sprang auf und ging zum Fenster und riß es auf um Luft zu schnappen.
Unter mir pulsierte die große Stadt, der Verkehrslärm kam nur gedämpft zu mir herauf. Irgendwo da unten hatte sie gelebt, ich habe sie gekannt! Was hatte sie für eine Stimme? In meinem Traum hatte sie eine dunkle, erotische Stimme. Sie passte wunderbar zu ihr. Ich hielt mich am Fensterrahmen fest und holte tief Luft.
Ein Geräusch ließ mich in die Wirklichkeit zurückfinden und ich drehte mich um. Da sah ich sie wieder, sie schwamm in meinem Aquarium, das Wasser plätscherte und ihre Haare waren gelöst und umschmeichelten ihr Gesicht, aus ihrem Munde kamen wieder Wasserblasen und sie lächelte mir zu. Ihr wunderbarer Körper war über und über mit Schleiern bekleidet, die gemeinsam mit den Fischen im Wasser schwebten.

„Sie ist nicht tot, sie ist in meinem Aquarium!“, schrie ich immer wieder. Alle im Büro konnten mich hören. Sie kamen herein und starrten das Aquarium an. Gott sei Dank, jetzt konnten auch alle anderen und auch Frank sie hoffentlich endlich sehen.

Nun bin ich hier, ich sitze in einem fast völlig leeren Raum und warte. Nur ein Bett und ein kleines Tischchen sind hier drinnen. Mir ist kalt und ich möchte nach Hause gehen. Ich muss aber auf den Arzt warten, man hat mir gesagt, er möchte mit mir sprechen. Eigentlich wollte ich zu keinem Arzt.
Man hat mir auch erzählt, diese tote Frau hätte Wasser aus meinem Aquarium in der Lunge gehabt. Mir ist das unverständlich.

Ich freue mich schon, wenn ich wieder in meinem Büro sitzen werde und sie zwischen meinen Fischen und den Wasserpflanzen schweben wird.


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