Die Karosse der Feenkönigin.
Lisa
war als Erste munter. Sie stand vorsichtig auf um Klaus nicht zu wecken und
öffnete die Türe des Kinderschlafzimmers einen Spalt.
Sie
sah gerade noch, wie Tante Monika die Treppe wieder hinunter flitzte und ihren
großen Korb über den Arm trug. Lisa trat hinaus und lief zum Treppenabsatz.
„Tante
Monika!“ rief sie, „Was ist denn los?“
„Kinder
aufstehen, heute gehen wir auf den Markt, ich muss dort was erledigen!“
Lisa
ging zurück und weckte Klaus, sie wuschen sich
und putzten die Zähne und liefen hinunter, wo Tante Monika schon das
Frühstück vorbereitet hatte.
Nach
dem Frühstück stiegen sie dann in das Auto ein. Die beiden Kinder wieder auf
dem Rücksitz und der Korb wurde im Kofferraum verstaut.
„Wir
fahren noch bei Onkel Eduard vorbei, den nehmen wir heute mit auf den Markt.“
Sagte Tante Monika.
„Onkel
Eduard?“ Fragten Lisa und Klaus gleichzeitig.
Sie hatten schon von Onkel Eduard gehört. Doch Mama wollte nicht über
Onkel Eduard sprechen, sie sagte immer, er sei das schwarze Schaf der Familie.
Keiner wusste warum, aber es war eben so.
Die
Kinder waren sehr neugierig auf Onkel Eduard. Sie hatten ihn noch nie gesehen.
Tante Monika blieb vor einem kleinen Haus, gleich beim Bach neben der Strasse
stehen und hupte zweimal.
Sofort
ging die Türe auf und es kam ein großer, hagerer Mann heraus. Er hatte eine
lange Hose an, die mit einem breiten
Gürtel gehalten wurde und ein kariertes Hemd. Darüber eine schwarze,
ärmellose Weste mit vielen Taschen. Auf dem Kopf trug er eine Mütze. Er verschloss sorgfältig die Türe und drehte
sich um, als ob er etwas suchen würde. Ein leiser Pfiff ertönte und schon kam
ein kleiner brauner Hund gerannt und blickte zu ihm auf. In Erwartung des
Kommenden wedelte er mit dem Schwanz und gab kleine spitze Laute von sich.
„Komm
schon, Eduard, wir haben es eilig.“ Rief Tante Monika. Er stieg vorne bei Tante
Monika in das Auto und der kleine Hund
setzte sich zu seinen Füßen.
Er
drehte sich zu den Kindern um und lächelte sie an.
„Hallo,
ihr Beiden! Wir kennen uns noch nicht. Ich bin Onkel Eduard, komme so selten in
die Stadt zu euch. Das ist Snief.“ Dabei
zeigte er auf den kleinen Hund.
„Guten
morgen, Onkel Eduard, guten morgen Snief.“ Sagte Lisa und Klaus nickten dazu.
Tante
Monika war inzwischen wieder angefahren und sie fuhren die schmale Straße neben
dem Bach entlang, in der Richtung zur kleinen Stadt wo der Markt heute
stattfand.
„Also,
Monika, was gibt es denn so Wichtiges, dass du mich unbedingt dabei haben
musst?“
fragte
Onkel Eduard.
„Die
Feenkönigin aus dem Märchenwald hat heute die Biene Salfi zu mir geschickt und
mich um Hilfe gebeten. Sie muss an einem Treffen aller Feenköniginnen
teilnehmen und hat keine Staatskarosse.
Es ist aber wichtig, dass sie wie eine richtige Königin auftritt, weil sie sich
sonst bei dem Treffen nicht wohl fühlt unter all den anderen Königinnen. Und
ich weiß nicht genau, wo wir die Karosse hernehmen sollen. Wir fahren auf den
Markt und werden uns dort umsehen. Es kommen immer so viele fremde Menschen von
außerhalb und auch viele Tiere und auch Zauberer und Hexen, vielleicht weiß
jemand einen Rat. Dich brauche ich, weil ich nicht mit allen Tieren sprechen
kann. „
„Waas,
Hexen und Zauberer am Markt?“ riefen Lisa und Klaus gleichzeitig.
„Ja,
ihr erkennt sie aber nicht. Ich aber schon.“ Sagte Tante Monika ganz
selbstverständlich.
Inzwischen
waren sie angekommen und hatten das Auto geparkt. Tante Monika nahm wieder
ihren Schirm und den großen Korb, hakte sich bei Onkel Eduard unter und deutete
den Kindern, ihr zu folgen. So marschierten sie gemeinsam in den Markt ein.
Es
herrschte ein emsiges Treiben. Die Marktfrauen hatten schon ihr Obst und Gemüse
aufgebaut und priesen alles mit lauten Stimmen an. Es waren auch einige Gaukler
erschienen, die Kunststücke mit dem Ball vorführten und dann ein paar Münzen
als Dank erhielten. Es wurden auch Hühner und Gänse angeboten, die noch
lebendig in den Käfigen saßen und das uneingeschränkte Mitleid von Tante Monika hatten. Snief der Hund von Onkel
Eduard zog an der Leine und wollte dahin und dorthin. Es waren so viele
Gerüche, die ihn reizten!
Da
war eine alte Frau am Ende der Hauptstraße, die auf ihrem Tisch viele
getrockneten Kräuter und Wurzeln anbot. Sie sah sehr lustig aus, hatte eine
lange Nase und einen Zopf, der unter dem Kopftuch hervor zu sehen war. Dorthin
zog sie Tante Monika.
„Hallo,
Essmeralda", sagte sie. „Wie geht es dir denn?“
„Ach
ja, danke gut. Habe ein paar Zaubermittel für dich.“ Sie zog einige kleine
Fläschchen hervor und deutete auch auf die Säckchen auf ihrem Tisch.
„Nein
danke, heute brauchen wir Deinen Rat.“
Und
sie beugte sich hinunter zu der alten Frau und flüsterte ihr was ins Ohr. Die
alte Frau nickte und flüsterte ihrerseits wieder was zurück.
„Ah,
bei den Fischen?“ Fragte Tante Monika
ganz erstaunt. Essmeralda nickte und deutete zu einer der Lagerhallen hin.
„Vergiss
den Kürbis nicht!!“ Rief sie ihnen noch nach.
„Komm,
Eduard, Kinder folgt mir!“ Zielstrebig ging sie über die Straße und alle
folgten ihr.
Bevor
sie die Lagerhalle betraten, kaufte
Tante Monika noch einen großen Kürbis. Lisa fand das sehr seltsam. Wozu braucht
sie jetzt einen Kürbis?
Die
Lagerhalle lag etwas dunkel vor ihnen, da das Tageslicht nur durch die Fenster
am Dach hereindrang und die Halle sehr hoch und groß war.
„Sag,
Tante Monika, war das eine Hexe?“ Fragte Klaus ganz kleinlaut.
„Ja,
eine sehr liebe und sehr alte Hexe, die ich schon lange kenne.“ Antwortete
Tante Monika ganz selbstverständlich.
„Hier
müssen wir nach rückwärts gehen, zwischen den großen Paletten soll eine Türe
sein.“ Onkel Eduard ging mit Snief voran. Schließlich war er viel größer als
die anderen und außerdem war er ein Mann. Er fühlte sich ganz als Beschützer.
Sie
gingen ganz nach rückwärts und stießen schließlich an die letzten Paletten an,
die mit Fischen voll gepackt waren. Hier roch es ganz fürchterlich nach Fischen
und Meertang, so dass sich die Kinder die Nase zuhalten mussten.
Onkel
Eduard klopfte mit der Hand die Paletten ab, aber es tat sich nichts, hier
konnten sie nicht weitergehen. Doch da sprang Snief am Ende der Reihe an einer
Palette hoch und bellte laut. Onkel
Eduard lief zu ihm hin um ihn zu beruhigen, doch als er mit der Hand die
Palette berührte, schob sich diese zurück und es tat sich ein Spalt auf und
Tante Monika deutete ihnen, sie sollten durchschlüpfen.
Das
taten sie dann auch und blieben ganz erstaunt stehen, Vor ihnen lag eine Küstenlandschaft,
ein wunderschöner Sandstrand, mit Palmen und niedrigen Sträuchern. Auch ein
Boot war da. Und da war sie wieder, die alte Frau vom Markt, doch diesmal war
sie viel schöner gekleidet und hatte ein wunderschönes Kleid aus blauen Netzen
an, über und über mit Muscheln behangen.
„Ihr
müsst in das Boot einsteigen und hinausfahren. Dort wird euch Milan,
der Barsch weiterhelfen. Viel Glück.“
Sie
stiegen in das Boot ein; Snief mussten sie hochheben, er war zu klein um selbst
in das Boot zu kommen.
Onkel
Eduard nahm die Ruder und mit kräftigen Schlägen trug sie das Boot hinaus aufs
offene Meer. Die Kinder konnten es gar nicht fassen. Mama würde ihnen das alles
nicht glauben!!!
Sie
waren eine Weile gerudert, da stieß etwas an das Boot an. Onkel Eduard legte
die Ruder ins Boot und schaute ins Wasser.
„Oh,
bist du Milan der Barsch?“ fragte er
Der
Fisch antwortete:
„Ja,
bin ich. Habe gehört, ihr braucht meine Hilfe?“
„Wir
kommen von der Feenkönigin aus dem Märchenwald. Sie braucht eine Karosse für
das Treffen der Feenköniginnen, und wir konnten keine finden.“ Sagte Onkel
Eduard.
„Hmmmm,
ja, hmmmmm“ Offensichtlich dachte der Barsch nach.
„Kommt
zu mir herunter, wir werden bei den See-Anemonen und Korallen schon was
finden.“ Sagte er und tauchte unter.
„Was
hat er gesagt?“ Fragte Tante Monika. Sie konnte mit allen Tieren sprechen,
nicht aber mit Fischen, das konnte nur Onkel Eduard. Er war einmal Fischer und
da hatte er gelernt, mit den Fischen zu sprechen.
Er
sagte ihnen alles, was Milan der Barsch gesagt hatte und Tante Monika nickte
dazu.
„Oh,
wie sollen wir denn da folgen?“ Klaus und Lisa schauten ängstlich drein.
Da
öffnete Tante Monika ihren Korb und entnahm ihm den großen Kürbis, den sie am
Markt auf Anraten der Hexe Essmeralda gekauft hatte. Onkel Eduard schnitt ihn
unten auf, höhlte ihn aus und machte Löcher, wie Fenster darin, verschloss
diese mit einer durchsichtigen Nylonfolie, die er in einer seiner
Jackentaschen hatte und legte ihn aufs Wasser und er wurde immer
größer und größer. Bis er riesengroß war. Lisa und Klaus rissen die Augen auf
und wunderten sich.
Er
wurde so groß, dass sie alle in den Kürbis hinein passten.
Außer
Snief, der wollte lieber im Boot bleiben.
Der
Kürbis funktionierte wie eine Taucherglocke.
Als
sie alle drinnen waren, sank der Kürbis ganz langsam zum Meeresgrund. Durch die
Fenster, die Onkel Eduard geschnitten hatte, konnten sie Fische vorbeischwimmen
sehen, die sie noch niemals im Leben gesehen hatten. In der Ferne konnten sie einen großen Rochen sehen. Wunderschön in der Bewegung und sehr
langsam. Es schien, als ob er durch das
Wasser flog.
Als
sie am Meeresgrund angekommen waren, blieb der Kürbis mit einem Ruck stehen. Da
kam schon der große Barsch Milan herbei und brachte acht wunderschöne
Seepferdchen mit.
„Das
sind die Pferdchen für die Karosse", brummelte er, „ und dort drüben, seht
ihr, habe ich eine wunderschöne Karosse aus Korallen und Seeanemonen gemacht.
Sie wird emportauchen, durch die Fluten des Meeres und die Wellen werden weiße
Schaumkronen bilden und die Algen werden wie Glas rund um die Karosse
erstarren. Es wird die schönste Karosse
sein, die jemals gesehen wurde.“
Die
Seepferdchen schwammen zu der Karosse hin und wurden von den anderen Fischen
eingespannt und die Kinder konnten sehen, wie sie sich emporhob und langsam an
die Oberfläche schwebte.
„Ach,
ich danke dir im Namen der Feenkönigin", sagte Tante Monika", sie
wird sich riesig freuen und die Elfen und Feen
aus dem Märchenwald werden für euch tanzen. Eduard, übersetze ihm das!“
Onkel
Eduard übersetzte es ihm und der Barsch machte eine Bewegung zu Tante Monika
hin, als würde er sich verneigen. Seine seitlichen und die Rückenflosse machten wellenartige
Bewegungen.
Onkel
Eduard stieß sie nun mit den Füssen vom Meeresgrund ab und auch der Kürbis
begann langsam aufzusteigen. Als sie wieder an der Oberfläche waren, kletterten
sie in das Boot und wurden von Snief freudig begrüßt.
„Schau,
Tante Monika, wie wunderschön!“ Lisa und Klaus zeigten hinaus aufs Meer und da
tauchte auch die Karosse auf. Sie war zartrosa, hatte wunderschöne weiße
Krönchen rundherum, aus dem Schaum der Wellen geboren und dazwischen grüne
Blüten und Blätter, wie aus Glas. Die acht Seepferdchen zogen die Karosse ans
Ufer und da stand sie nun, Ganz prachtvoll anzusehen.
Tante
Monika machte ihren großen Korb auf und griff hinein. Als sie mit ihrer Hand
herauskam, saß die Biene Salfi auf ihrem Finger.
„Du
kannst zur Feenkönigin fliegen und ihr sagen, dass hier die Karosse auf sie
wartet. Wir müssen jetzt wieder zurück.“ Sagte sie und hob den Finger in die
Höhe und die Biene flog in einem großen Bogen davon.
Sie
machte den Korb wieder zu und befahl Onkel Eduard auch ans Ufer zu rudern.
Als
sie dort ankamen, warteten die Seepferdchen schon ungeduldig.
„Ganz
ruhig", sagte Tante Monika, „die Feenkönigin wird gleich da sein.“
„Und
wir gehen jetzt wieder nach Hause und trinken Kakao und essen einen Kuchen, den
ich heute gebacken habe.“ Tante Monika
nickte zufrieden vor sich hin.
Sie
gingen über den Sandstrand zu dem Lagerhaus zurück und tauchten wieder in das
Halbdunkel ein, das zwischen den Paletten herrschte. Als sie wieder am Markt
draußen standen, liefen Klaus und Lisa um das Lagerhaus herum, um das Meer noch
mal zu sehen. Doch da war kein Meer, keine Palmen, kein Strand. Es waren nur
kleine Häuser, die sich aneinander
schmiegten und alte Kastanienbäume.
Auch
die Hexe Essmeralda war verschwunden. Ihr kleiner Tisch war nun von einer
anderen Marktfrau besetzt, die frisches Obst verkaufte.
Sie
gingen zum Auto zurück. Tante Monika hatte den Korb im Kofferraum verstaut,
Onkel Eduard saß auch schon im Auto. Nur Snief wartete mit wedelndem Schwanz
auf sie.
„Also
wo ward ihr denn? Steigt ein, wir fahren nach Hause.“
Tante
Monika gab Gas und sie fuhren wieder zurück in das kleine Haus am Rande des
Waldes, neben dem Bach.
Und
es war, als wäre nichts geschehen.
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