Die Schneeprinzessin, der Eisprinz und das Nordlicht
von Joana Angelides
Waren es die
Eiskristalle, oder war es das Nordlicht? Es war das helle Leuchten rundherum,
das Blinken des Schnees im Licht des Mondes, das diese Frage aufwarf.
Es lagen rundherum
glitzernde Eissternchen, wie Diamanten, verstreut im Schnee.
Der Wald war weiß und
knisternd der Schnee. Die Äste beugten sich unter der Last der
Schneepölsterchen, sie wurden halb herabgedrückt. Nur wenn hin und wieder ein neugieriges
Käuzchen von Ast zu Ast huschte, dann staubte es ein wenig und die glitzernde
Last glitt herab.
Hin und wieder hörte
man die Geräusche des Waldes, knacken der Äste, leises Zwitschern der aus dem
Schlaf aufgeschreckten Vögel, oder wenn vielleicht ein Fuchs den Bau verließ um
nach Eßbarem zu suchen.
Wie immer in solchen
Nächten, wenn das Nordlicht über die Himmel glitt, der Schnee lautlos herunterfiel,
trafen sich die Schneeprinzessin Pago und Prinz Sund vom Eisland, um im Wald
herum zu tollen und sich die schönsten Geschichten aus ihren Ländern zu
erzählen. Sie bauten immer kleine Schneemänner und nannten sie ihre kleine
Armee. Hinter jedem Baum stand einer dieser kleinen Männchen. Sie schienen sich
manchmal, wenn niemand hinschaute, zu bewegen.
Die beiden jungen
Menschen fühlten sich bewacht und beschützt von ihnen.
Die Prinzessin wohnte
in einem ganz weißen Schloß, gebaut aus Eiskristallen und Eiszapfen. Der Wind
streifte durch die Eiszapfen hindurch und dadurch hörte man den ganzen Tag sphärenhafte
Musik.
Der Schneekönig und
die Königin hatten verkündet, sie wollten die kleine Prinzessin demjenigen zur
Frau geben, der imstande war, Licht in das Schloß und rundherum in den Wald zu
zaubern. Denn alle waren in den langen Nächten der Dunkelheit hier hoch oben im
Norden sehr einsam und traurig.
Als der Eisprinz das
hörte, wurde er sehr traurig. Wo soll er denn Licht hernehmen?
Trotzdem hatte Prinz Sund
der Prinzessin Pago versprochen, um ihre Hand anzuhalten.
Als er heute Nacht in den glitzernden winterlichen
Wald kam, wartete er jedoch vergebens auf die Prinzessin Pago. Sie war nicht
da.
Er lief durch den Wald, rief nach ihr, doch vergebens.
Mogor, der Eisbär saß müde am Rande des Waldes, er
hörte ihn rufen und kam herbei.
„Warum schreist du denn so?“
„Wo ist die Prinzessin, wir wollten uns heute hier
treffen. Wir wollten zu ihrem Vater gehen, ich will um ihre Hand anhalten.“
„Eine Delegation des Königs hat sie abgeholt. Sie
haben sie in eine weiße Kutsche gesetzt
und sind durch das große Tor vom Schloß gefahren Ich glaube sie hat geweint.
Morgen soll der König der Eisberge kommen und Licht bringen, dann muß die
Prinzessin mit ihm gehen und wird weit weg, in den Eisbergen wohnen!“
„Oh, kann mir denn niemand helfen?“ Der Prinz setzte
sich mit seinem weißen Mantel aus dichtem Fell auf den Boden und hielt beide
Hände vor das Gesicht.
„Wir werden dir helfen!“ Da standen alle kleinen
Schneemännchen aus dem Wald rund um ihn herum und schauten ihn an. Der Größte
unter ihnen, den sie gestern am Morgen gleich als ersten gemacht hatten, nickte
ihm zu und fast wäre ihm die obere kleine Kugel, der Kopf, heruntergefallen.
Doch der Prinz war aufgesprungen und befestigte ihn schnell wieder und rückte
auch die Karotte, die als Nase gedacht war, wieder zurecht.
Mogor, der Bär richtete sich auch langsam auf.
„Wenn du mich auch brauchen kannst, ich mache mit!“
Der kleine Schneemann schaute mit seinen kohlschwarzen
Knopfaugen angestrengt nach oben und dann nickte er wieder vorsichtig mit
seinem Kopf.
„Du solltest das Nordlicht einfangen, es in viele
kleine Lampen sperren und im Schloß aufstellen. Dann ist das ganze Schloß
erleuchtet und der König muß dir die Prinzessin zur Frau geben!“
„Das ist eine gute Idee!“ Brummte Mogor, der Bär. Aber
er hatte keine Ahnung, wie das gehen soll.
„Ich werde mit den Rentieren sprechen. Sie werden mit
mir hinauf zu den Wolken am Himmel steigen und wir werden soviel Nordlicht
holen, als uns möglich ist!“
Der Eisprinz eilte davon und traf die Rentiere, tief
im winterlichen Wald. Diese waren sofort bereit, für ihn das Nordlicht zu
holen. Noch in dieser Nacht stiegen sie mit ihm auf zu den Wolken und der Prinz
nahm soviel Nordlicht mit, als er den Rentieren aufladen konnte.
Die Rentiere schwammen durch das eisige Wasser zu dem
Schloß, der Bär Mogor nahm den Prinzen und den Schneemann auf seine Eisscholle
mit und ruderte die beiden ebenfalls hinüber. Noch während der Fahrt hielt der
Prinz in Händen ein Bündel des Nordlichtes und schleuderte es durch die Luft.
Das große Tor des Schlosses öffnete sich, sie betraten
es und wurden jubelnd begrüßt
Sofort brachten alle Bedienstete Lampen und Glaskugeln
herbei und füllten das Nordlicht, das in allen Farben schillerte, in diese ein.
Das Schloß erstrahlte in vielen Farben und es sah aus, wie wenn ein Feuerwerk
alles beleuchtete.
Der König und die Königin führten die Prinzessin in
den großen Saal und legten ihre Hände in die Hände des Prinzen.
Es wurde ein großes Fest gefeiert, die Nordlichter
waren so vielzählig, daß das Schloß unter dem Funkeln und Leuchten fast
ertrank.
Als das der König der Eisberge hörte, wusste er, dass
der Eisprinz an seiner Stelle die Prinzessin Pago geheiratet hatte. Er schickte
ein Brautgeschenk und machte sich auf die Suche nach einer neuen Prinzessin.
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