A schöne Leich´
von Joana Angelides
Es ist auffallend, dass immer nur gute Menschen sterben. Leben denn die
Bösen ewig?
Man kann sich diese Frage als intelligenter Mensch schon ohne Weiteres bei
Begräbnissen und den entsprechenden Grabreden stellen, ohne als pietätlos zu
gelten.
Verklären wir die Vergangenheit im Banne des Todes, oder Lügen alle mit
Vorsatz?
Es kann natürlich vorkommen, dass auch ein wirklich guter Mensch gerade zu
Grabe getragen wird und alles, was ihm nun nachgesagt wird, stimmt.
Doch bei der Mehrzahl ist das mit Vorsicht zu genießen. Schließlich haben
wir ja alle Fehler und wer im Glashaus sitzt…….
Auch wenn der Verstorbene seine Frau und seine Kinder einige Male
wöchentlich geschlagen oder anders misshandelt hat, wird er als treusorgender
Vater und Ehemann hingestellt.
In solchen Momenten weiß man dann nie, ob die aufschluchzende Ehefrau aus
Dankbarkeit über das viel zu spät stattgefundene Dahinscheiden ins Taschentuch
schnupft, oder ihr tatsächlich was abgeht!
Die Kinder, soweit sie noch klein sind, sind plötzlich unsicher ob sie auch
auf der richtigen Beerdigung sind und mancher in der mehr oder minder zahlreich
erschienenen Trauergemeinde ist erstaunt über die Fantasie des Geistlichen.
Bei Manchem, oder Mancher kann man nur hoffen, dass sich die oder der
Geliebte aus der Trauergemeinde nicht zu erkennen gibt, bzw. nicht erkannt
wird. Auch wenn sie traurig sind, dass sie keine dunkelroten Rosengebinde
mitbringen konnten, dürfen sie nur diskret und im Hintergrund schluchzen.
Doch wer wird jemals im Angesicht des offenen Grabes und den mit
aufgesetzter Trauermiene herumstehenden Trauergemeinde, es wagen, dem Toten was
Böses nachzurufen? Der findet sich
vielleicht im nächsten Augenblick ebenfalls zwei Meter tief unten in der Grube
und die Nachdrängenden werfen kleine Schäufchen Erde und irgendwelche Blumen
nach ihm.
Es gehört sich eben nicht, über Verstorbene was Böses zu sagen.
Ist der Trauerzug lang genug, tauschen die in den letzten Reihen
möglicherweise Kochrezepte aus oder erzählen sich die Ereignisse des letzten
Urlaubes, während sie gemächlich dem Trauerzug folgen. Man hat sich ja schließlich schon sehr lange
nicht mehr gesehen. War es nicht beim letzten Begräbnis vom Onkel Edi vor drei
Jahren?
Usus ist es auch, die anderen Trauergäste, einschließlich der Witwe genau
zu betrachten und festzustellen, dass dieser oder jener Rock zwar schwarz, aber
viel zu kurz ist oder der oder die viel zu wenig weint oder vielleicht gar
nicht so traurig ist, wie es sich gehört?
So richtig ausleben kann sich dann die menschliche Natur beim anschließenden
Leichenschmaus, der in geselliger Runde und durchaus fröhlich und feucht über
die Runden geht.
Neue Freundschaften werden gegründet und alte gefestigt, das Wiedersehen
von entfernten Verwandten wird gefeiert, aber vielleicht auch alte
Feindschaften neu belebt. Es soll bei diesen Gelegenheiten schon zu Raufereien
gekommen sein, aber nicht bei unserem Begräbnis, das hätten wir uns verboten!
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