Eine endlose Demütigung
von Joana Angelides
Uns kann jeder
besitzen, betasten, mein Kleid, meine äußere Hülle öffnen, irgendwo mit den
Fingern in mir suchend wühlen, mich im Griff
haben, wenn er den Preis bezahlt!
Man öffnet unser intimstes
Inneres, versucht unsere Gedanken zu verstehen, wendet sich aber auch lustlos
wieder ab.
Meine Sehnsucht,
jemand zu gehören, von ihm verstanden zu werden, macht mich unterwürfig. Ich
breite mich aus, gewähre Einblick in alle Höhen und Tiefen. Ich habe gar keine
andere Wahl, als mich zu öffnen, alles
bereitwillig darzubieten. Man will ja sein Geld wert sein.
Wenn sich gierige
Augen an mir festkrallen, mich
analysieren, in Besitz nehmen und wieder vergessen, wünschte ich, dass
sich meine Gefühle in giftige Pfeile verwandeln mögen die sich rächen.
Jeder der meinen
Preis bezahlt, kann mich mitnehmen, als sein Eigentum betrachten. Das verletzt
mich manchmal, schließlich habe ich ja
auch meinen Stolz, will als eigenständiges Wesen betrachtet werden, obwohl es
so viele von uns gibt. Wie heißt es doch fälschlich? Im Dunkel der Nacht sind alle Katzen
grau...........
Wir sind geduldig,
verständnisvoll und bereit auch die ausgefallendsten Wünsche zu befriedigen!
Wesen wie wir, ja
Wesen, mit Geist, Witz, uraltem Wissen
und unendlicher Geduld, dienen der
Menschheit schon seit Jahrhunderten!
Man hat uns
gebraucht, mißbraucht und unsere Aussagen verdreht und vergewaltigt. Pogrome haben wir überlebt,
Kulturrevolutionen überstanden und allen Zensuren zum Trotz kann man durch uns
auch hin und wieder Unmoralisches verbreiten.
Und doch, oder gerade
deshalb, haben Viele wunderbare Tage und Nächte mit uns verbracht, voller Glut
und Abenteuer,
Schmutzige Gedanken
und schmutzige Hände hinterlassen ihre
Spuren an mir und an meiner Seele. Viele verstehen mich einfach nicht,
lassen immer wieder alles abrollen in endlosen Wiederholungen und sind trotzdem
nachher nicht wissender.
Es gibt keine Blätter
die mich bedecken können, nein, die einzelnen Blätter entblößen mich, machen
meine geheimsten Gedanken öffentlich, entblättern mich. Man kann sie sogar knicken, bekritzeln, falten und aus mir
herausreißen. In vielen Ländern beginnt man mich von rückwärts zu erforschen,
oder rollt mich auch zusammen!
Wir sind die Erzähler
der Geschichte, die Träger der Vergangenheit und die Herolde, die Neues
verkünden. Wir erzählen von Leid und Lust, Freude und Trauer. Man kann in uns
aber auch den größten Mist hinterlegen, wehrlos wie wir sind.
Wir sind Buch.
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