Einer langen Reise Ende.
Von
Joana Angelides
Er sperrt seine Wohnungstüre auf.
Wahrscheinlich
hat Olga, die Wirtschafterin seiner Eltern, die Wohnung noch kurz vor seiner
Rückkehr durchgeputzt, gelüftet und trotzdem spürt man das Vakuum eines leeren
Raumes. Das Loft wirkt unbewohnt, seelenlos. Naja, nach drei Jahren
Abwesenheit!
Wo ist nun
sein Gepäck? Oh Gott, er hat es am Flughafen vergessen…….
Das Loft scheint
größer zu sein, als er es in der Erinnerung hat. Die Sonne zaubert Kringel auf
den tiefroten, den Raum beherrschenden Teppich, der einseitig links in ein
dunkles Blau übergeht. Im Kamin brennt Feuer, Seltsam…
Über dem
Kamin hängt das ebenfalls tiefrote Bild von Manny, seinem Freund, einst gemalt
zum Einzug in das neue Loft. Manny ist zwar Arzt, aber nebenbei malt er auch
und zwar gar nicht schlecht. Es ist ein tiefrotes quadratisches Bild, nur im
unteren Drittel rechts, farblich übergehend in ein dunkles Blau.
Korrespondierend mit dem Teppich.
Die schwarze
Sitzgarnitur beherrscht den Raum, die schwarze Marmorsäulen-Lampe mit dem Deckenfluter ist an. Der Kontrast zu
den weißen, großen Bodenfliesen ist markant.
Und da, auf
der Sitzgarnitur lümmelt lasziv Lyss, in einem durchsichtigen fast Nix.
Er starrt
sie an.
„Was machst
Du da, Du bist doch tot?“, stottert er.
„Du doch
auch!“, flüstert sie und streckt einen Arm nach ihm aus.
„Ich bin
nicht tot!“, seine Stimme klang hohl.
„Naja, noch
nicht!“, flüsterte sie, „aber fast, Du wirst es nicht schaffen!“
„Was sagst Du da? Wieso sollte ich was nicht schaffen, was soll dieser Unsinn, verschwinde, Du bist eine Halluzination, Du bist gestorben im Pamir vor drei Monaten!“
„Mein Körper ist tot, ich aber, meine Seele und meine Gefühle leben weiter, solange ich mich noch nicht von Dir gelöst habe!“
„Aber ich habe mich gelöst! Bin im schweren Fieber im Hospiz in Tadschistikan die Wände hochgestiegen, habe nächtelang nach Dir gerufen, in meinen Fieberfantasien Dich festgehalten. Ja, damals bin ich fast gestorben!“
„Du bist
aber heute am Flughafen zusammengebrochen und liegst nun auf der
Intensivstation im Koma! Ärzte um Dich herum, auch Dein Freund Manny, sie haben
Dich angeschlossen an Apparate, an Schläuchen, aber Du schaffst es nicht! Komm
her……..“, flüstert sie leise.
Er taumelt zu ihr hin, fällt auf die Knie und lässt sich von ihr umarmen, atmet ihren Duft ein, spürte ihre weiche Haut……… sieht das helle Licht! Er lässt sich von ihr umarmen, festhalten. Er liebt sie, als wäre nichts geschehen, hört ihr leises Stöhnen und ihren erlösenden Schrei, ihr befriedigtes Lachen. Es macht ihn fast verrückt, er schwebt dem hellen Licht entgegen.
**
Der Patient
wird ganz flach hingelegt, der Arzt schreit die Medikamentendosen, die Nadeln bohren
sich in sein Fleisch.
Der Monitor
zeigt eine gerade Linie, der Ton ist gleichbleibend, tödlich.
„Nichts, er atmet nicht mehr!“, sagt die Oberschwester und schaut auf ihre Uhr, „Eintritt des Todes 15:30Uhr“, wollte sie eben notieren.
„Nein,
schnell Defibrillator! Schnell!“. Der Oberarzt will nicht aufgeben.
Es braucht drei Stromstöße und die Maschine beginnt wieder zu piepsen, am Monitor entstehen aus der geraden Linie wieder Zacken.
„Wir haben
ihn wieder!“, flüstert die Oberschwester. Ein Aufatmen geht durch das Team.
Dr. Manuell Bayer beugt sich über seinen Patienten.
„Na also,
alter Schwede, wir haben Dich ja wieder. Reiß´ Dich zusammen, so einfach kannst
Du nicht gehen!“, flüstert er leise.
Der Arzt
verordnet noch einige Medikamente, gibt Zeitabstände vor und ordnet an, dass
jemand dauernd den Monitor im Beobachtungszimmer im Auge behalten muss.
„Ich bin auf
der Station, will sofort benachrichtigt werden, wenn sich was ändert!“, sagt er
noch, bevor er das Team verlässt.
**
Der Patient
liegt noch immer flach, atmet leicht. Seine Augenlider gehen aber unruhig hin und
her.
„Ach Lyss,
ich brauche Dich auch, ich bin im Hospiz im Pamir nur sehr langsam und
schrittweise aus dem Dahindämmern erwacht, doch ich habe mir letztlich doch
vorgenommen zu leben. Ich habe noch meinen Roman zu vollenden!“
Er küsst
sie, fast verzweifelt, greift fester zu, doch sie wirkt plötzlich so filigran, er
greift durch sie hindurch, sie scheint sich aufzulösen.
„Nein, bleib
da!“, flüstert er. Das Licht im Raum wird heller, Schleier versperren ihm die
Sicht, er greift nach ihr, doch sie war plötzlich weg. Einfach so.
Der Patient
im Spital öffnet zaghaft die Augen, da war es wieder, das helle Licht! Es war
das Licht der Deckenbeleuchtung.
Der Monitor
zeigt eine regelmäßige gezackte Linie, man hört seinen Herzschlag und der Tropf
an seinem Arm arbeitet, kaum hörbar.
„Peter, da
bist Du ja wieder! Willkommen im Leben!“, tönte die brummige Stimme von Dr.
Manuell Bayer.
„Lyss?“, fragte Peter leise.
„Peter, Lyss ist tot. Das weißt Du doch. Ihr hattet einen Unfall im Gebirge, im Pamir. Du lagst dort zwei Monate in einem christlichen Hospiz, die meiste Zeit im Koma. Die Rückreise nun hat Dich einfach überfordert. Du hast auch einen kleinen Virus mitgebracht, aber wir haben das im Griff!“, klärte ihm der Freund auf.
„Wie lange bin ich nun da? War ich gar nicht zu Hause?“
„Vier aufregende
Tage, mehr tot als lebendig! Aber nun geht es langsam bergauf und nein, Du bist
sofort vom Flughafen eingeliefert worden. Du bist dort zusammengebrochen!“
„Lyss war da, sie wollte mich abholen….“, flüsterte Peter, dann schlief er unmittelbar wieder ein. Aber sein Atem ging nun ruhiger und war auch tiefer.
„Das, Lieber, haben wir verhindert!“, lächelte Manny, der Freund, löschte das Deckenlicht und verließ leise den Raum.
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