Die Frau im Aquarium
von Joana Angelides
Niemand sah sie, außer mir!
Niemand sah die Frau in meinem Aquarium!
Das begann so:
Anfangs sah ich sie
manches Mal, wenn ich an der Kreuzung stand und auf Grün wartete. Da saß sie in
dem Auto neben mir.
Sie schaute mich an und ich sah ein kleines Lächeln aufblitzen in ihren grünen
Augen. Es ergriff mich jedes Mal ein unglaubliches Glücksgefühl. Die Ampel
schaltet auf Grün und sie bog ab.
Mein Büro lag im sechsten Stock des Bürotowers mitten im Geschäftsviertel. Ich
fuhr regelmäßig mit dem Lift hinauf und eines Tages sah ich sie auf den Lift
zukommen. Doch sie kam zu spät, die Lifttüre schloß sich. Ich sah nur mehr ihr
Lächeln und ihren Blick. Ich versuchte den Lift zu stoppen, doch es war zu
spät. Die Türe war und blieb zu.
Der Vormittage vergingen in Windeseile mit Telefonaten, Besprechungen und dem
Studium von Akten. Ich verdrängte dieses Gesicht, diese Augen kurzfristig aus
meinem Gedächtnis.
An einem dieser Tage begab ich mich erst spät in den kleinen Schnellimbiß im
dritten Stock des Bürogebäudes und suchte lustlos irgendetwas, um meinen Hunger
zu stillen. Ich setzte mich in die hinterste Ecke und beginne meine Pizza zu
verzehren. Da spürte ich sie wieder, diese Blicke! Ich sah mich suchend um und
versank wieder in den grünen Augen dieser wunderbaren Frau. Mit einer
ungestümen Bewegung schüttelte sie ihre dunkelbraune Haarmähne zurück, nahm
ihre Handtasche vom Stuhl und strebte dem Ausgang zu. Ich versuchte mich rasch
aus meiner Ecke frei zu schwimmen und stürzte in Richtung Ausgang, nicht ohne
mit einigen Leuten zusammen zu stoßen. Endlich erreichte ich die Ausgangstüre
und stürmte ins Freie. Ich sah gerade noch, wie sie ein Taxi bestieg und
wegfuhr. Ich stand dann völlig hilflos, mit einer Serviette in der Hand am
Rande des Gehsteiges.
Der restliche Nachmittag zog sich endlos in die Länge. Meine Gedanken
schweiften immer ab und zu ihr. Ich konnte mich nur etwas beruhigen, wenn ich
den Fischen in dem großen Aquarium in meinem Büro zusah. Es nahm die
Seitenwand des Büros
völlig ein und diente der Meditation. Die Bewegungen der Fische hatten etwas Beruhigendes
für mich. In meinen Träumen bin ich oft einer dieser Fisch gewesen, bin in völliger Stille und
Harmonie zwischen den Wasserpflanzen geschwommen.
Nach Büroschluss traf ich dann Frank in der Bar unten im Erdgeschoß.
Zum wiederholten Male erzählte ich ihm wieder einmal von dieser Frau, der ich
immer wieder um ein Haar begegnete, es aber nie wirklich schaffte, sie
anzusprechen.
Wie bereits anläßlich meinen früheren Erzählungen, lachte er mich auch heute
wieder aus. Viel zu oft habe ich ihn schon auf diese Frau aufmerksam gemacht,
wenn ich sie auch in seiner Gegenwart sah. Doch er konnte sie nie sehen, er war
einfach zu langsam und träge, konnte meinen Hinweisen nicht so schnell folgen.
Dann war sie wieder in der Menge verschwunden.
In dieser Nacht träumte ich von ihr. Ich traf sie im Lift, wir fuhren langsam
nach oben, sie lächelte mich an, sprach kein Wort. Sie ließ es geschehen, dass
ich ihren Arm nahm und sie in mein Büro führte. Wir setzten uns und sie blickte
fasziniert auf das Aquarium, auch ihr gefiel es, den Fischen zuzusehen. Ich
erzählte ihr von meinen Träumen. Sie lachte.
Offenbar lachte sie
mich aus. Ich spürte im Traum, wie Wut und Enttäuschung in mir aufstieg.
Ich packte sie am
Arm, sie sollte näher an das Aquarium heran gehen, sollte sich ebenfalls als
Fisch fühlen, mit mir zwischen den Pflanzen und künstlichen Steinen und
Hindernissen hindurch schwimmen, um zu verstehen, was ich meinte. Sie wehrte
sich, doch ich war stärker. Im Traum bekam ich ungeahnte Kräfte und zog sie mit
mir. Wir schwammen nun endlich gemeinsam, das Aquarium bekam eine ungeahnte
Weite, wenn man sich in ihm befand. Im Traum sanken wir immer tiefer zum Grund,
ihre Haare schwebten wie Schleier rund
um uns, aus ihrem Mund kamen
Wasserblasen und ihre Arme zeigten nach oben. Es war wie ein herrlicher, nie
endenwollender Tanz in die wundervolle Tiefe des Ozeans. Ihre Augen starrten
mich erstaunt an, nun endlich verstand sie, was ich meinte. Die Fische
schwammen um uns herum, während wir immer tiefer sanken.
Sie war überwältigt,
ich musste sie in meinen Armen halten, ich spürte Glücksgefühle in mir
aufsteigen. Sie wird nun für immer bei mir bleiben, ich werde sie täglich
ansehen, wie sie zwischen den Fischen hin und her schwebt und mir bei der
Arbeit zusieht und wenn es mich gelüstet, werde ich zu ihr ins Aquarium tauchen
und wir werden gemeinsam dahinschweben.
In meinem Traum war
die Nacht lang und dunkel, ich machte einen Umweg vom Büro nach Hause, am Fluss
entlang, hörte die Geräusche der Nacht, die in der Stadt immer zu hören waren.
Der Fluss war dunkel
und undurchsichtig, mir war kalt und ich fröstelte.
Dann bin ich
aufgewacht.
Am Weg ins Büro am
Morgen schweiften meine Blicke herum, ich werde sie sicher wieder sehen, sie
wird mach ansehen und doch dann wieder in der Menge verschwinden. Ich hätte ihr
so gerne von meinem Traum und unserem gemeinsamen Erlebnis erzählt.
Der Tag fing an, wie jeder andere auch, wenn ich nicht am Morgen im Büro die
Zeitung aufgeschlagen hätte. Da sah ich ihr Bild. Das Blut gerann mir in den
Adern! Das Bild zeigte diese wunderbare Frau aus meinem Traum, jedoch mit geschlossenen Augen und seltsam
starrem Gesichtsausdruck. Darunter stand, sie sei ermordet worden. Man hatte
sie aus dem Fluss gefischt. Es traf mich wie ein Blitzschlag. Ich sprang auf
und ging zum Fenster und riß es auf um Luft zu schnappen.
Unter mir pulsierte die große Stadt, der Verkehrslärm kam nur gedämpft zu mir
herauf. Irgendwo da unten hatte sie gelebt, ich habe sie gekannt! Was hatte sie
für eine Stimme? In meinem Traum hatte sie eine dunkle, erotische Stimme. Sie
passte wunderbar zu ihr. Ich hielt mich am Fensterrahmen fest und holte tief
Luft.
Ein Geräusch ließ mich in die Wirklichkeit zurückfinden und ich drehte mich um.
Da sah ich sie wieder, sie schwamm in meinem Aquarium, das Wasser plätscherte
und ihre Haare waren gelöst und umschmeichelten ihr Gesicht, aus ihrem Munde
kamen wieder Wasserblasen und sie
lächelte mir zu. Ihr wunderbarer Körper war über und über mit Schleiern
bekleidet, die gemeinsam mit den Fischen im Wasser schwebten.
„Sie ist nicht tot, sie ist in meinem Aquarium!“, schrie ich immer wieder. Alle
im Büro konnten mich hören. Sie kamen herein und starrten das Aquarium an. Gott
sei Dank, jetzt konnten auch alle anderen und auch Frank sie hoffentlich endlich sehen.
Nun bin ich hier, ich sitze in einem fast völlig leeren Raum und warte. Nur ein
Bett und ein kleines Tischchen sind hier drinnen. Mir ist kalt und ich möchte
nach Hause gehen. Ich muß aber auf den Arzt warten, man hat mir gesagt, er
möchte mit mir sprechen. Eigentlich wollte ich zu keinem Arzt.
Man hat mir auch
erzählt, diese tote Frau hätte Wasser aus meinem Aquarium in der Lunge gehabt.
Mir ist das unverständlich.
Ich freue mich schon, wenn ich wieder in meinem Büro sitzen werde und sie
zwischen meinen Fischen und den Wasserpflanzen schweben wird.
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