Die fehlende chinesische Figur.
von Joana Angelides
Tante Monika hielt die
Zeitung in der Hand und schien sehr interessiert darin zu lesen, als Klaus und
Lisa die Küche betraten.
„Habt ihr schon gesehen, im
Museum gibt es eine neue große Ausstellung über Chinesische Kunst. Heute ist
für alle Kinder unter 14 Jahren der Eintritt frei. Wollt ihr nicht mit mir dahingehen?“
Klaus und Lisa schauten sich
an. Eigentlich wollten sie heute zur großen Wiese beim Bach gehen und ein
bisschen mit den anderen Kindern spielen. Sie lächelten verlegen.
„Ich muss auf jeden Fall
hingehen. Ich habe mit dem Direktor vom Museum einen Termin. Er will, dass ich
eine fehlende Figur aus einer Figurengruppe für ihn suche. Da kann sein, dass
ich dann ein paar Tage nicht da sein kann. In dieser Zeit wird Onkel Eduard für
euch sorgen, obwohl ich ihn dringend in Peking brauchen würde, er kann nämlich
Chinesisch.“
„Ein paar Tage? Ja wohin
gehst Du denn?“ Fragte Lisa.
„Kann sein, dass ich nach
China muss. Die Spur der fehlenden Figur führt nach Peking.“
„Peking?“ Klaus und Lisa
rissen die Augen vor Erstaunen auf.
„Du kannst doch nicht so ohne
weiteres nach Peking fahren, das braucht doch Vorbereitung, Visa und vieles
mehr. Du brauchst genug Kleidung. Und kannst Du denn überhaupt Chinesisch
sprechen? Und wieso kann Onkel Eduard denn Chinesisch?“
„Kinder, ihr kennt mich doch,
ich reise nicht den normalen Weg. Ich reise mit dem großen Feuerdrachen durchs
Feuerland, dann bis zum Mittelpunkt der Erde, oder fast bis zum Mittelpunkt und
dort kommen wir dann durch einen erloschenen Vulkan an die Oberfläche.
Chinesisch kann ich natürlich noch nicht, aber ich werde es mir vom
Feuerdrachen lehren lassen. Onkel Eduard war viele Jahre in China, hat dort an
Ausgrabungen teilgenommen. Daher kann er ganz passabel Chinesisch. Die Reise
dauert immerhin zwei Tage. Das habe ich
schon alles mit dem Direktor des Museums besprochen.“
„Oh, das ist ja was ganz Anderes,
wir kommen natürlich mit!“ Riefen Lisa und Klaus gleichzeitig aus.
„Na, ich weiß nicht recht.
Eigentlich müsste ich das mit meiner Schwester, eurer Mutter noch besprechen.
Aber wenn wir ihr sagen, dass ich nach Peking, oder Bei jing, wie es auf
Chinesisch heißt, reise, wird sie sicher wollen, dass ihr sofort nach Haue kommt.“
Sie wiegte den Kopf unschlüssig hin und her.
„Ihr müsst sie anrufen und es
ihr sagen.“ Sie schob den Kindern das Telefon hin. „Ich gehe hinauf und werde
noch ein paar Sachen in meinen Korb hineintun, die wir vielleicht brauchen.“
Lisa nahm das Telefon und
rief zu Hause an. Doch leider war die Mutter nicht erreichbar und sie sagte es
ihr auf den Anrufbeantworter. Sie sagte jedoch nicht, dass sie wahrscheinlich
nach Peking fahren werden, sondern sie verwendete ganz unbewusst den chinesischen
Namen „Bei jing“.
„So, Kinder ich bin so weit,
wir fahren ins Museum und schauen uns einmal die Ausstellung an. Sie soll sehr
interessant sein. Das interessanteste Exponat ist eine Figurengruppe, im
Mittelpunkt ein Kaiser und seine Kaiserin aus der Han- Dynastie, umgeben von
sechs Figuren, die die guten Eigenschaften des Kaiserpaares darstellen sollen.
Eine dieser Figuren wurde gestohlen, die Wichtigste. Der Direktor ist ganz
verzweifelt.“
Sie nahm ihren Korb auf und
ging, ihren neuen Hut vom Haken nehmend zur Türe. Die Kinder folgten ihr. Sie
verstauten alles im Kofferraum des kleinen Autos und fuhren los.
„Kommt Onkel Eduard auch wirklich
mit?“ Fragte Lisa.
„Ja natürlich, den brauchen
wir unbedingt.“ Tante Monika nickte bekräftigend mit dem Kopf.
Sie fuhren wieder am Bach
vorbei und hinter der kleinen Biegung lag schon das kleine Häuschen von Onkel
Eduard. Dieser erwartete sie schon. Snief war auch dabei und wedelte zur
Begrüßung mit dem Schwanz und bellte drei Mal.
Onkel Eduard und Snief
stiegen vorne am Nebensitz ein und dann ging es flott in die große Stadt.
Sie hielten erst an, als sie
vor dem großen Museum standen. Das Museum war offenbar sehr gut besucht, viele
Menschen liefen die große Treppe hinauf und hinunter.
Tante Monika bat Onkel Eduard
den Korb aus dem Kofferraum zu nehmen und deutete dann den Kindern mit ihr die
Treppe hinaufzugehen. Als sie den Kassenraum betraten, umfing sie eine
angenehme Kühle.
Tante Monika ging jedoch
nicht zur Kassa, sondern steuerte die Türe an, auf der „Privat“ stand.
Lisa, Klaus und Onkel Eduard
blieben hinter ihr zurück. Sie klopfte an die Türe und ein energisches „Herein“
ertönte. Tante Monika öffnete die Türe und trat ein.
Die draußen Gebliebenen
hörten sehr aufgeregte Stimmen. Teils die helle Stimme von Tante Monika, die
scheinbar ein paar Fragen stellte und dann die tiefe Stimme des Direktors.
Sie konnten aber die genauen
Worte nicht verstehen.
Dann flog die Türe auf und
Tante Monika trat heraus und hinter ihr eine sehr große, massige Gestalt in
einem dunklen Anzug und einer Fliege anstelle einer Krawatte. Diese Fliege
stand ganz schief, er gestikulierte wild herum und es folgte ein schallendes
Lachen.
„Die Chinesische Ausstellung
befindet sich im Keller, ich gehe vor!“ Sagte er und flog geradezu vor ihnen
her.
„Oh, aber der Hund kann nicht
mitkommen, das ist gegen die Vorschriften!“
„Aber ohne Snief gehe ich da
nicht runter!“ Sträubte sich Onkel Eduard.
Da öffnete Tante Monika ihre
Korb und schwups, war Snief darin verschwunden.
Der Direktor zuckte die
Achseln und tat, als hätte er das nicht bemerkt.
Sie gingen nun die breite
Treppe in das Untergeschoß, aus dem auch wieder viele Menschen heraufkamen und
positive Bemerkungen über das eben Geschaute abgaben.
Unten angekommen tat sich ein
großer Saal vor ihnen auf, mit Exponaten rundherum an den Wänden in gläsernen
Schaukästen und in der Mitte eine große, flache Vitrine mit der Landschaft Chinas,
zeigend die einzelnen Städte und Flüsse.
Die Ausstellung zeigte viele
verschiedene Porzellangefäße, Figuren und Kultgeräte. In der großen Vitrine in
der Mitte standen auf einem Sockel zwei wunderschöne Porzellanfiguren,
darstellend den Kaiser und seine Kaiserin in prachtvollem Gewande aus Seide.
Sie waren umringt von einer Gruppe Figuren, ebenfalls in wunderschöne Gewänder gehüllt.
Jede dieser Figuren stand auf einem kleinen Sockel, die aber kleiner waren als
die des Kaiserpaares. Nur ein Sockel war leer. Hier fehlte die Figur.
Der Direktor steuerte auf diese
Vitrine zu.
„Sehen sie, das ist die
fragliche Figurengruppe. Hier sehen sie das Kaiserpaar, rechts davon die
Figuren für Güte, Weisheit und langes Leben, links davon die Figuren für ewige
Schönheit und Fruchtbarkeit. Die Figur für ewige Gesundheit fehlt.“
Es klang wie ein gemurmeltes
Gebet, umso mehr als er seine Augen nach oben verdrehte und die Hände zusammenfaltete.
Tante Monika sah sich die
Gruppe interessiert an und fragte dann:
„Und seit wann fehlt diese
Figur nun?“
Der Direktor verdrehte die
Augen und schaute dann völlig ratlos drein.
„Ja so genau weiß ich das
nicht, ich glaube aber seit Herr Yuan-Chi mit seiner kranken Tochter Li-Tung
hier war. Das Mädchen ist krank, keiner weiß genau welche Krankheit sie
befallen hat. Sie lächelt nie, sie spricht nicht und sie sitzt immer nur in
ihrem Zimmer und schaut zum Fenster hinaus. Ihre einzige Freude ist eine kleine
Nachtigall, die sie in einem Käfig in ihrem Zimmer hat. Ihr Vater dachte, wenn
er sie auf eine Weltreise mitnimmt, ihr die schönen Dinge der Welt zeigt, dann
wird sie vielleicht endlich sprechen oder lachen, wie andere Kinder auch. Aber
leider ist das nicht gelungen. Sie ist wieder nach China zurückgekehrt, genau
nach Peking, mit all ihren Bediensteten und Begleitern, die sich um ihr
Wohlbefinden kümmern. Und ich glaube seither ist auch die Figur weg.“
Tante Monika und der
Museumsdirektor traten etwas beiseite und flüsterten miteinander, dann ging der
Direktor wieder zu der großen Treppe und ging hinauf in das Obergeschoß.
Klaus und Lisa hatten nun
alle Ausstellungsstücke angeschaut und bewunderten gerade ein paar Pantoffel,
die von oben bis unten mit Goldfäden bestickt waren und sehr klein erschienen.
„Schau Tante Monika, wie
klein diese Pantöffelchen sind. Hier steht, dass die Frauen im früheren China
ihre Füße zusammengebunden haben, um sie klein zu halten. Das muss ja wehgetan
haben!“ wunderte sich Lisa.
„Ja, so war das auch. Sie
litten große Schmerzen, nur um dem damaligen Schönheitsideal zu entsprechen.“
Klaus bewunderte eine Sänfte,
die von vier lebensgroßen Figuren getragen wurde. Sie war über und über mit
kleinen Figuren verziert und hatte seidene Vorhänge.
Im zweiten Saal war ein
ganzes Bergwerk aufgebaut, man konnte durch einen großen dunklen Eingang, der
wie eine Höhle aussah direkt hineingehen. Doch Lisa und Klaus getrauten sich
gar nicht hinein. Es sah irgendwie unheimlich und dunkel aus. Gleich daneben,
in der linken Ecke stand ein großer Drachen, mit übergroßem Kopf, geöffnetem
Maul und vielen Zähnen darin. Er war rot und gold verziert, hatte einen langen
Schwanz und viele kleine Beine. Durch den Luftzug im Raum flatterten die
verschiedenen Bänder auf seinem Kopf und Rücken und er sah aus, als bewegte er
sich.
Das Museum leerte sich ganz
langsam, sie waren schon die Letzten. Tante Monika kam mit Onkel Eduard nun
auch in den zweiten Saal. Tante Monika stellte sich vor den Drachen und schaute
ihn intensiv an. Da bewegte sich dieser plötzlich, sein Körper und langer
Schwanz begann zu vibrieren und mit Kopf wackelte er hin und her.
„Kommt Kinder, schnell
schlüpft unter den Körper des Drachen, die Reise beginnt!“
Klaus und Lisa wunderten sich
über gar nichts mehr, was so unter Tante Monikas Tun geschah und schlüpften
sofort unter den Körper des Drachens. Onkel Eduard duckte sich ganz vorne, beim
Kopf etwa und Tante Monika ganz vorne noch vor Onkel Eduard, so dass sie als
einzige fast im Kopf des Feuerdrachens saß.
Nun bewegte sich der Drachen
und alle Glöckchen an seinen Körper klingelten und die bunten Bänder flatterten
unruhig. Mit einem lauten Zischen und mit der Geschwindigkeit einer Rakete
tauchten sie nun in dem dunklen Eingang des aufgebauten Bergwerkes ein und
fuhren mit hoher Geschwindigkeit in die Tiefe.
„Wow, wie tief es hier
hinuntergeht!“ Rief Klaus ganz erstaunt aus. Lisa klammerte sich ein bisschen
ängstlich an Onkel Eduard und dieser hatte seinen Arm um sie geschlungen. Nur
Tante Monika schien das ganze überhaupt nicht überraschend zu sein. Es war eine
tiefe Stimme zu hören, die scheinbar dem Feuerdrachen gehörte und Tante Monika
hörte zu, nur manches Mal wiederholte sie ein paar Worte. Ist es tatsächlich
möglich, dass ihr der Feuerdrachen auf dem Weg nach unten Chinesisch lehrte?
Es war wie ein langer, langer
Tunnel, der nie aufzuhören schien. An den Wänden des Tunnels waren die
unterschiedlichsten Gesteinsformationen zu sehen. Manches Mal waren es
glitzernde Schichten, dann wieder kohlrabenschwarze. Lisa und Klaus sind
inzwischen eingeschlafen und auch Onkel Eduard lehnte sich im Inneren des
Drachens an die Streben und Wände seines Körpers. Niemand hätte sagen können,
wie lange sie so dahinbrausten.
Plötzlich gab es einen Ruck
und der Feuerdrache schwenkte in einen nach oben gehenden Tunnel ein und sie
fuhren nun wieder aufwärts. Es wurde langsam wieder heller um sie herum. Lisa
und Klaus erwachten und schauten erwartungsvoll nach vorne. Dort hatte sich ein
Licht gezeigt, das immer intensiver und größer wurde und plötzlich kamen sie
wieder an die Erdoberfläche.
Der Feuerdrachen blieb nun
unvermittelt stehen. Sie kletterten aus seinem Inneren hervor und schauten sich
um. Sie befanden sich am Rande eines erloschenen Vulkanes, zu dessen Füßen sich
eine liebliche Landschaft ausbreitete. Ein kleines Dorf schmiegte sich dort an
den Hang und ein kleiner Fluß schlängelte sich vorbei. Rundherum waren
Reisfelder und auch ein kleines Bambus-Wäldchen war zu sehen.
„Los, wir gehen da hinunter.
Wir haben zwei Tage Zeit, dann kommt der Feuerdrachen wieder, um uns abzuholen.
Seht ihr die kleine Bahn da unten? Mit der werden wir nun nach Peking fahren.
Gleich am Rande von Peking liegt die Villa des Herrn Yuan-Chi und seiner
Tochter. Dort müssen wir hin.“
Tante Monika öffnete ihren
Korb und Snief sprang heraus. Er war froh, wieder im Freien zu sein und
schüttelte sich und sprang dann an Onkel Eduards langen Beinen hinauf und
bellte ein paar Mal. Alle mussten lachen.
Der Abstieg war leicht und
ging schnell von statten. Sie erreichten die kleine Bahnstation gerade in jenem
Augenblick als der Zug einfuhr. Er war sehr voll und sie mussten sich zwischen
die Menschen hineinzwängen. Zum großen Erstaunen der Kinder unterhielt sich
Tante Monika mit einer Frau in diesem Zug in einer für sie fremden Sprache. Es
musste Chinesisch sein! Also hatte ihr der Drache tatsächlich in dieser kurzen
Zeit Chinesisch gelehrt! Lisa und Klaus wunderten sich gar nicht mehr. Das
alles war bei Tante Monika selbstverständlich.
Nun fuhren sie in eine
Station ein, da stand groß und deutlich „BEI JING“
„Kinder, wir sind da, BEI JING
heißt Peking!“ Rief Tante Monika.
Sie stiegen wieder aus und
drängelten sich auf dem von Menschen überbevölkerten Bahnsteig bis zum Ausgang.
Dort standen so genannte Rikschas
anstelle von Taxis und warteten auf Fahrgäste. Rikschas sind kleine Wägelchen
auf zwei großen Rädern für ein bis zwei Personen, von einem Menschen gezogen.
Das ist das bevorzugte öffentliche Beförderungsmittel in China.
Sie nahmen in zwei dieser
Rikschas Platz. In einem saß Tante Monika mit Lisa und in dem anderen Onkel
Eduard mit Klaus und Snief. Tante Monika zeigte dem ersten Rikschamann einen
kleinen Zettel, auf dem Anschrift des Herrn Yuan-Chi geschrieben stand und los
ging es durch eine belebte Hauptstrasse an vielen Häusern mit kleinen Läden
vorbei. Dann am „Gugong", dem Kaiserpalast, früher "Die verbotene
Stadt“ genannt, vorbei.
Dann bogen sie in eine breite
Straße ein und vor ihnen lag eine prächtige Villa, die von einem großen Park
umgeben war. Der Park war mit einem schwarzen schmiedeeisernen Tor verschlossen
und ein Wächter stand bewegungslos dahinter.
Tante Monika bezahlt die
beiden Rikschas und sagte ein paar Worte zu ihnen, die die beiden Kinder nicht
verstehen konnten.
Inzwischen war Onkel Eduard
zu dem Wächter am Tor gegangen und auch Onkel Eduard sprach mit diesem ein paar
Worte. Der Wächter ging zu einem kleinen Kästchen an der Wand, hob den
Telefonhörer ab und sprach hinein. Dann nickte er, kam herbei und öffnete das
Tor und ließ sie alle eintreten.
Sie standen nun vor einer
breiten, aber kurzen Treppe und stiegen diese hinauf, da öffnete sich die
Eingangstüre und ein anderer Bediensteter in einem seidenen Kimono verbeugte
sich und ließ sie eintreten. Sie kamen in eine große kühle Halle. Auffallend war
der Fußboden, er war von einem wunderbaren dunklen Grün und Tante Monika
flüsterte, er sei aus reiner Jade und sehr kostbar. Lisa und Klaus getrauten
sich fast nicht aufzutreten. Sie gingen auf Zehenspitzen bis zur Mitte des
Raumes.
In diesem Moment öffnete sich
die große Mitteltüre und ein sehr vornehm wirkender Mann, ebenfalls in einem
sehr kostbaren Kimono trat hindurch.
„Seien Sie mir gegrüßt!“
Sagte er und verbeugte sich tief.
Sie tauschten ein paar
Höflichkeitsfloskeln aus und er bat sie in den Salon. Dort gab es einige kleine
Tische auf denen Schalen und Gläser standen zur Zubereitung des Tees.
Sie wurden zu den Tischchen
und den niederen Hockern gebeten und es wurde ihnen Tee und kleine Süßigkeiten
gereicht.
Nun erst konnten sie mit
Herrn Yuan-Chi über den Grund ihrer Reise sprechen.
Tante Monika sagte ihm, was
ihr der Dirktor mitgeteilt hatte, dass nämlich diese kleine Figur, darstellend
die ewige Gesundheit, seit seinem Besuch im Museum fehlt und dass der Direktor
der Meinung ist, Herr Yuan-Chi hatte sie mitgenommen, bzw. sie sich ausgeborgt.
Herr Yuan-Chi hörte sich
alles mit gesenktem Kopf an. Dann stand er auf, trat an das große Fenster und
war eine ganze Weile ganz still. Dann drehte er sich um und sie sahen, dass
große Tränen über sein Gesicht liefen.
„Ja, es ist wahr, ich habe
diese Figur entwenden lassen. Ich habe eine kranke Tochter, müssen sie wissen,
die niemals spricht, niemals lacht. Immer nur ruhig dasitzt. Ich dachte mit der
geheimnisvollen Kraft dieser Figur kann ich sie heilen. Aber, es hat auch, dass
nichts genützt. Leider!“
Tante Monika stand auf und
sagte:
„Könnten wir ihre Tochter
einmal sehen?“
Herr Yuan-Chi betätigte die Klingel,
die an der Wand hing und ein Bediensteter erschien.
„Bring meine kleine Tochter
hier her!“ Befahl er.
Sie warteten eine Weile, da
tat sich die Türe auf und der Bedienstete schob vor sich her ein kleines
Mädchen, eingehüllt in einen sehr schönen, seidenen Kimono.
Sie blickte ernst und
ängstlich auf die ihr fremden Menschen.
„Hallo, mein Kind, ich bin
Tante Monika, das ist Onkel Eduard und das sind Klaus und Lisa. Wie heißt du
denn?“
„Sie heißt Li-Tung“ Sagte der
Vater.
„Lieber Herr Yuan-Chi, ich wollte
das von Ihrer Tochter selbst hören!“
„Sie spricht nie mit fremden
Menschen.“ Sagte dieser ganz erstaunt.
„Haben sie einen Garten?“
Fragte Tante Monika
„Ja, natürlich, einen sehr
schönen, mit japanischen Ziersträuchern und seltenen Blumen. Und kleinen
Wasserfällen.“ Sagte Herr Yuan-Chi sehr stolz.
„Eduard, Du und die Kinder
geht einmal mit Li-Tung in den Garten und versucht mit ihr zu spielen, ich
werde mich inzwischen mit Herrn Yuan-Chi unterhalten. Aber nehmt diesen Ball
mit.“ Flüsterte sie mit Onkel Eduard.
Sie öffnete ihren Korb und
nahm einen wunderschönen großen Ball heraus, er war rot und gelb und glänzte
wunderschön.
Onkel Eduard nahm den Ball
und hielt ihn in der Hand. Das kleine Mädchen schaute mit großen Augen auf den
Ball und als sie Onkel Eduard bei der Hand nahm und zur Türe schritt, die in
den Garten führte, ging sie folgsam mit. Klaus und Lisa gingen dahinter und die
Gruppe verschwand im Garten.
Als der Bedienstete mitgehen
wollte, hielt ihn Tante Monika zurück.
„Bleiben Sie da, Onkel Eduard
macht das schon.“
Der Bedienstete blickte
seinen Herrn ganz erstaunt an, doch dieser nickte nur und er verließ den Raum.
„Eigentlich erteile nur ich
Befehle in diesem Hause. Aber ich will es geschehen lassen. Was wollen Sie den
erreichen mit diesem lächerlichen Ball?“
„Ach bitte setzen Sie sich
doch, wir wollen uns ein wenig unterhalten.“ Sagte Tante Monika nur.
Sie setzten sich wieder, doch
Herr Yuan-Chi blickte immer wieder unruhig zur Türe.
Sie sprachen über die Reisen
des Herrn Yuan-Chi, über das alte und das neue China und vielerlei anderes
Interessantes.
Plötzlich sprang Herr Yuan-Chi
auf. Aus dem Garten schallte lautes Kinderlachen, Lärm von einer fallenden
Keramikvase und plötzlich knallte der rot-gelbe Ball an die Fensterscheibe und
das lachende Gesicht von Li-Tung erschien mit geröteten Wangen, ihr Haar hatte
sich gelöst und fiel ihr ins Gesicht. Das seidene Gewand hatte sie ausgezogen
und sie lief herum in einem weißen Untergewande.
„Lisa, Klaus, schnell, wir
werden jetzt Onkel Eduard treffen!“ Rief sie und holte sich den Ball und schoss
ihn quer durch den Garten.
Der Garten hatte unter dem
wilden Ballspiel der Kinder sehr gelitten. Überall lagen Keramikscherben herum,
einige Sträucher waren entwurzelt und einige Blumen geknickt.
Aber mitten drin tollten die
drei Kinder und Onkel Eduard herum und das ganze Haus war von Kinderlachen
erfüllt.
„Ja, wawawas ist denn
geschehen? Sie kann ja lachen, sprechen und auch herumlaufen, meine kleine
Tochter. Sie ist ja gar nicht krank“ Stotterte Herr Yuan-Chi
„Ja sehen sie, ihre Tochter
braucht einfach auch andere Kinder zum Spielen, sie ist ja keine Puppe, die den
ganzen Tag nur in ihrem seidenen Gewande herumsitzt. Sie müssen den Garten ein
wenig umbauen und ihr Platz zum Spielen lassen, sie müssen andere Kinder
einladen, die mit ihr spielen können. Sie sollte in eine öffentliche Schule
gehen, mit anderen Kindern gemeinsam lernen. Sie müssen sie einfach nur Kind
sein lassen. Dann wird sie glücklich und gesund sein.“ Sagte Tante Monika.
„Ach, ich danke Ihnen, ich
bin sehr glücklich. Es ist alles meine Schuld! Ich werde den Garten sofort
morgen umbauen lassen und werde eine große Party geben und alle Kinder aus
unserem Stadtteil einladen. Ich werde sie in die Schule schicken und den
Privatlehrer kündigen!“ Herr Yuan-Chi
war überglücklich. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und nahm die Hand
von Tante Monika in die seine.
„Ich werde sofort diese
kleine Figur bringen lassen. Bitte geben Sie sie dem Museum zurück. Und sagen
sie dem Herrn Museumsdirektor, es tut mir sehr leid. Ich wollte nur meiner
Tochter helfen. Aber man tut so was nicht, es ist eigentlich Diebstahl! Ich
werde auch einen großzügigen Scheck ausstellen, zugunsten des Museums, um den
Schaden wieder gut zu machen.“
Er klingelte wieder einem
Bedienstetem und beauftragte ihm, die Statue zu bringen. Er legte sie in eine
schön verzierte Holzschatulle und verschloss diese mit seinem Siegel. Dann trat
er an seinen Schreibtisch und holte sein Scheckbuch hervor und überreichte
Tante Monika einen Scheck mit einer sehr großen Summe.
„Was kann ich noch für Sie
tun?“ Fragte er dann.
„Wir müssten in zwei Tagen
oben auf dem Vulkan sein, da werden wir abgeholt. Wir brauchen ein Quartier, um
zu übernachten.“
„Oh, nein, sie werden diese
zwei Tage hier verbringen. Da kann meine Tochter noch mit Klaus und Lisa und
Herrn Eduard spielen. Und wir beide können uns noch unterhalten.“
Es wurden zwei wunderschöne
Tage. Lisa und Klaus schlossen dicke Freundschaft mit Li und versprachen sich gegenseitig
Briefe zu schreiben und sich auch einmal wieder zu besuchen.
Inzwischen wurde auch der
Garten umgebaut und ein großer Platz zum Ballspielen reserviert.
Die Kinder hatten sich viel
zu erzählen und auch Herr Yuan-Chi war überglücklich.
Nach diesen zwei Tagen wurden
sie in einem großen Auto von der Villa des Herrn Yuan-Chi zum Vulkan gebracht.
Da wartete schon der Feuerdrachen auf sie.
Die Reise ging wieder auf
demselben Wege zurück. Onkel Eduard und Snief saßen vorne beim Kopf des
Drachens, diesmal dahinter Klaus, dann Lisa und erst am Ende Tante Monika, die
sehr sehr zufrieden aussah. Die Holzschatulle hatte sie in ihren
geheimnisvollen Korb getan und den Scheck obenauf. Sie konnte schon das
zufriedene Gesicht des Museumsdirektors vor sich sehen!
Lisa und Klaus konnten das
erlebte gar nicht recht glauben! Was man so mit Tante Monika alles erleben
kann!!
Zu Hause angekommen, rief
Mama an und fragte, was denn eigentlich BEI JING sei. Sie hat den
Anrufbeantworter nicht richtig verstehen können.
Lisa versprach, ihr alles
dann am Ende der Ferien zu erzählen und sagte ihr, es gehe ihnen allen gut.
Auch über https://www.bookrix.de/-joanavienna/
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen