Nächte der sinnlichen, mystischen Träume
von Joana Angelides
Ich sitze im Flieger und nach New York und
studiere meine Unterlagen. Bill wird zufrieden sein, mein Bericht über Peru ist
umfangreicher geworden, als ich eigentlich wollte und ich habe sehr wichtige
und interessante Details ausführen können. Es ist seltsam, seit ich Paris
verlassen habe, bin ich wieder mehr Ich selbst geworden, diese mystische
Stimmung, dieses Netz von nicht definierbaren Gefühlen ist von mir abgefallen
und die Wirklichkeit hat mich wieder. Ich habe auch mehr Distanz zu Peru
gefunden und das Land erscheint mir nicht mehr so geheimnisvoll, wie ich es
noch vor zwei Wochen empfunden habe.
Emile, Lisa und Eve hatten es sich nicht
nehmen lassen, mich zum Flughafen zu begleiten und mich feierlich zu
verabschieden. Was völlig sinnlos war, da ich ja in höchstens zwei Wochen wieder
zurück sein werde. Lisa und Eve schnatterten ganz unbeschwert über alles
Mögliche, Lisa übergab mir eine Liste von Dingen, die ich aus New York
mitbringen sollte, darunter eine Seidenbluse von Jones und noch so allerlei
Krims-Krams. Emile lächelte schüchtern und verloren wie immer. Niemand hätte
ahnen können, welche dunklen Mächte zwischen uns walten, was in diesem Mann
schlummert und ausbricht wie ein Vulkan, wenn der richtige Moment gekommen ist!
Eve scheuchte ihn hin und her und er kam ihren Wünschen geflissentlich nach.
Oh, welche Verschwendung!
Die Hektik des Verlages in New York lässt
mich tagsüber kaum an Privates denken. Nur, wenn ich dann nächstens völlig
ausgelaugt und erschöpft auf das große Bett in meinem Hotel falle, eingehüllt
in den weichen Bademantel als Service des Hauses, dann kommen sie natürlich
wieder, diese Träume, die ich schon immer hatte, die mir meine eigene
Vorstellungswelt vorgaukelte. Von Kindheit an waren es immer wieder dieselben
wiederkehrenden Träume. Ich denke, es
sind eigentlich Wunschträume, Dinge die wir unbedingt haben oder erleben
wollen. Die Vermutung liegt nahe, dass
es auch so ist und wird von meinem Psychiater, dem ich mich immer wieder
anvertraue, so eingestuft.
Ich träumte oft, dass sich Wände, oder
Felsen plötzlich öffnen, oder sich auftuende Fluten im Meer, die mich locken
und rufen.
Wenn ich im Halbschlaf so durch Wände
hindurch schlüpfe so finde ich mich meist in großen Räumen, lichtdurchflutet,
mit Blick auf eine wunderschöne, liebliche Landschaft, wieder. Leise Flüsternde
Bäche und im Wind sich bewegende Birkenwäldchen fügen sich ein.
Ich erwarte immer jemand, mein suchender
Blick streift herum und bleibt dann immer an einer nicht näher erkennbaren
Gestalt hängen. Sie steht meist an einen der Birkenstämme gelehnt da und
blickst mir ruhig und lächelnd entgegen, ein Ritter in Wams und
Beinkleidern. Er erscheint mir immer
wieder in anderer Gestalt, einmal mit goldenem Haar, ein andermal mit einer
feurigen roten Mähne, oder tiefschwarzem, lockigem Haar.
Wenn ich mich ihr dann nähere, beginnen
sich unsere Kleider zu lösen, zu Boden zu fallen und letztendlich stehen wir
dann nackt voreinander.
Ich denke, es ist die Sehnsucht nach Berührung,
Flucht aus der Einsamkeit dieser Nächte, die mich diesen Traum immer wieder
träumen lassen.
Ich spüre jeden Grashalm, jeden Erdkrümel
auf meinem Rücken und den Duft der frischen Wiesen rundherum. Wir sprechen in keinem dieser Träume auch nur
ein Wort. Seine Lippen bewegen sich nur auf meiner Haut und seine Zunge
umrundet langsam und stetig meine intimsten Punkte. Wir scheinen alleine in dieser Welt der
Fantasie zu sein und es fällt uns nicht einmal auf.
Die helle Haut meiner Schenkel, das lose
Haar vermischt sich mit dem hellen Grün der Gräser die leicht wippen, wenn die
vollen Blütenknollen im Wind sich bewegen.
Ich spüre den leisen Windhauch zwischen
meinen geöffneten Beinen, seine suchenden Fingerkuppen und seine heiße
Handfläche meinen Garten der Lust durchpflügen und mein Seufzen und leises
Stöhnen vermischt sich mit dem Gesumme der Bienen.
Dann spüre ich langsam das aufsteigende
Gefühl der Lust, plötzlich mit sanfter Gewalt nimmt es Besitz von meinem Körper
und auch die Wolken am Himmel verdecken ein wenig das klirrende Sonnenlicht.
Eben dieser Körper, der noch vor Sekunden weich und sanft dalag und die
Berührungen genoss, wird erfasst von dunklem Dröhnen, dem Verlangen nach Mehr
und Kräftigerem. Das Blut beginnt zu rauschen, das Gefühl eines drohenden
Gewitters liegt in der Luft und plötzlich bahnen sich Gefühle wie glühende Lava
den Weg nach außen und mit vermeintlichem Blitz und Donner ergießen sich diese
sintflutartigen Gefühle, geformt in immer wieder kehrende Orgasmen aus der
ungeahnten Tiefe der in mir schlummernden Leidenschaft. Irgendwie erinnert mich
diese Gestalt nun an Emile, oder doch an Serge?
Erschrocken halte ich inne, sind die
Beiden in meiner Fantasie schon so verschmolzen, dass sie nur mehr vereint in
meinen Träumen auftreten?
Durch diese Gefühlsausbrüche und Heben und
Senken meines Beckens, der in den Laken suchenden Hände, werde ich regelmäßig
munter und schreie meine Lust und Enttäuschung in den Raum und Polster meiner
Liegestatt.
Es sind dies die Träume der Nacht, doch
kann ich ohne besonderen Anlasse solche Träume auch bei Tag, zum Beispiel am
Strand, in der Sonne liegend und vor mich hindösend, voll ausleben.
Seit meinen Kindheitstagen vermutete ich
schon immer Poseidon, den Gott der Meere und Tiefen in der Dunkelheit der See.
Ich glaube ihn rufen zu hören, laut und
dröhnend. Es kommt aus der Tiefe, ist lockend und doch herrisch zugleich.
Er ruft mir zu, die Bettstatt ist bereit,
die Kutsche aus der Tiefe steigt auf und wird mich holen. Dann sehe ich im
dunklen Wasser sein Fünfeck leuchten, seine mächtige Gestalt verschwommen sich
bewegen. Und ich bin sofort bereit.
Immer, wenn ich mich dann in die Fluten
werfe, mit meinen Armen das Wasser teile, höre ich Klänge aus einer anderen
Welt, gurgelnd, hell und rauschend. Die Strudel ziehen mich hinab und ich
besteige diese wunderbare, grüne Kutsche mit den weißen Pferden der Wogen und
versinke in dem sich öffnenden Schlund.
Poseidon selbst reicht mir seine mächtigen
Hände, trägt mich in sein Unterwasserschloss und wir sinken auf das mit
Schlingpflanzen und Algen gepolsterte Bett.
Neugierige riesengroße Fische, Oktopusse
und schemenhafte Gestalten umkreisen uns, grüne Schleier und Seeanemonen
zittern um uns herum und ich versinke in den mächtigen Armen Poseidons. Die
unterirdische Strömung des Meeres lässt mich unter kühlen Prisen erschauern und
wärmeren Strömungen vergehen. Er nimmt mich einfach, seine Kraft strömt in mich
und es beginnt eine unendliche Reise in die dunkle, geheimnisvolle Tiefe der
Leidenschaft. Seine kräftigen Hände streichen
sanft und doch fordernd über meinen Leib, erzeugen Druck und Zittern.
Die Entladung unserer Höhepunkte erzeugen
an der Oberfläche plötzliche starke Wellen, lässt die Möwen erschrocken
auffliegen und sich weiter draußen, an Ufernähe niederlassen. Der Wind hält den
Atem an und die Farbe des Wassers färbt sich dunkelgrün.
Oh, welch süße Worte kann Poseidon
flüstern. Sie plätschern an meinen Ohren wie leise Sinfonien dahin und lassen
in meinem Blut Blasen aufsteigen und diese im Kopf zerplatzen.
Er lässt sich Zeit, erweckt immer wieder
dieses ungeheure Verlangen in mir, genießt es, wenn ich wild um mich schlage,
das Wasser in Bewegung kommt und die Fische sich erschrocken in Nischen und
Höhlen zurückziehen. Er bindet Schlingpflanzen wie Taue um meine Arme, ringt
Muscheln und Seegras in mein Haar und beginnt mich immer wieder zu erforschen,
meine Schreie der Lust und Auflösung verlieren sich in den Weiten des Meeres.
Danach trägt er mich zärtlich auf seinen
Armen an die Oberfläche und legt mich sanft in die Wogen.
Plötzlich wird das Wasser aufgepeitscht,
riesige Wellen zerstören die Wasseroberfläche.
Das tägliche Schiff vom Festland und
zerstört meinen Traum, vertreibt Poseidon aus ihm. Ich hasse dieses Schiff
immer in solchen Momenten. Aber ich weiß, Poseidon ruft mich wieder und ich
werde ihm wieder folgen.
Denn ich bin ihm völlig hilflos
ausgeliefert.
Ich bin solchen Träumen hilflos
ausgeliefert, sie befriedigen meine Seele, lenken meine Sehnsüchte und Wünsche
nach Hingabe und Erlösung.
Die Seele ist ein weites Land,
unergründlich und auf jeden Fall sinnlich und voller Mystik und solche Gedanken
schlummern wahrscheinlich in jedem Menschen. Bei einem sind sie tief vergraben,
bei anderen wiederum kämpfen sie sich an die Oberfläche.
Vielleicht bin ich für die Mystik und die
unergründliche Tiefe der Gefühle von Emile so empfänglich, weil ich dunklen
Mächte und geheimnisumwitterten Gestalten so viel Raum in meiner Fantasie gebe?
Es ist vor allem die Lust, die Menschen
wie mich vorantreibt.
DIE
LUST
Sie
ist da, sie erfasst den Körper, schüttelt ihn
Züngelnde
Flammen wirbeln ihn her und hin,
wie
ein Schwert mäht sie alles nieder
immer
wieder, immer wieder!
LUST
Erzeugt
Hitze, Blitze, wir erzittern, glühen
Feuerwerke
und Raketen beginnen zu sprühen
Jede
Berührung lässt uns wohlig erschauern
Wir
stürmen Berge, Seen, es hebt uns über Mauern.
LUST
Lässt
uns rundum schlagen, lautlos schreien und betteln.
LUST
Wir
wollen Hände spüren und Zungen erleben
Wollen
in wohligen Schauern erbeben
Wenn
uns der süße Tod überrollt, atemlos
Wollen
wir es erleben. Hemmungslos
In
Sinnen ertrinken, Genießen, Genießen
Und
diese brennende Qual nie mehr missen.
LUST
Und
es wird uns plötzlich bewusst
Wir
können nicht mehr leben ohne sie,
der
LUST
Nicht nur Meeresfluten und Wände können
sich in meiner Fantasie öffnen, nein auch Felsenwände bergen für mich
Geheimnisse. Wer weiß, was sich im Inneren verbirgt, wie tief es nach unten
geht, vielleicht bis in die glühende Hölle des Erdkerns?
Moral hin oder her, hehre Gedanken an
lilienweisse Unschuld, oder doch dunkle Untiefen des menschlichen Triebes?
Ich zwänge mich in meinem Traum durch
jeden halb verdeckten Spalt und blicke in Tiefen, die unvorstellbar sind.
Brodelnde Lava und Gasblasen beherrschen diese Höhle tief unter mir. Oder ist
sie in mir, brodelt die Lava tief drinnen in den Untiefen meines Ichs?
Wie könnte es sein, wenn dunkle Mächte
sich unser bemächtigen, wenn durch Wecken der sinnlichen Triebe in uns,
lodernde Flammen der Lust genährt werden, wir auf glühenden Kohlen zu liegen
kommen und die Fratze des reinen Begehrens und die Gier nach Befriedigung
Oberhand gewinnen?
Lauter Fragen die wir nur ungern
beantworten, die gegenwärtig werden, wenn sich der Körper unter der Qual der
dunklen Lust windet und wir keinen Ausweg daraus finden.
Dann begeben wir uns, teils angstvoll und
teils gierig in die Arme des Teufels in uns und spreizen uns soweit es geht,
empfangen das glühende Schwert und lassen es in uns stoßen, bis wir schreien
vor Lust. Immer wieder.
Wir reiten Zerberus, den Höllenhund, rasen
durch züngelnde Flammen und sehen erschrocken das geifernde Gesicht unseres
Unterbewusstseins, sehen in einem Spiegel die eigene verzerrte Fratze des
Begehrens und wollen immer mehr.
In solchen Momenten verkaufen wir unsere
Seele und unseren Körper an den Fürsten der Unterwelt, lassen den Körper
brennen und bis zur Weißglut verglühen. Wenn unser Körper nur den ersehnten Zustand
erreicht, wir geschüttelt werden von Orgasmen, die uns mit glühenden Zangen
festhalten, ist das Ziel erreicht. Wir
spüren den glühend heißen Wind auf unserem Gesicht, gierige Hände krallen sich
in unserem Fleisch fest, reißen Stücke heraus und lassen uns letztlich fallen. Fallen
in den brodelnden Rachen unserer eigenen Lust.
Wir geben erschöpft auf, liegen am Ende
wieder auf diesen glühenden Kohlen, von Krämpfen geschüttelt und verglühen
schließlich mit ihnen.
Keuchend und frierend erwachen wir,
zusammen gekrümmt versucht der aufgewühlte Körper sich wiederaufzurichten.
Es war der Ritt durch die Apokalypse, den
Körper befriedigend, die Seele vernichtend und letztlich nicht wirklich
befriedend.
Und genau das habe ich dann letztendlich
in Peru gefunden und empfunden.
Es ist EROTIQUE FOU in seiner reinsten Form!
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