Eine dunkle Macht.
von Joana Angelides
Es drängt mich, meine Erlebnisse mit irgendjemand
zu teilen. Doch weder Lisa, noch Eve sind für so mystische, sinnliche
Empfindungen sehr empfänglich, sie lächeln höchstens mitleidig.
Die Blüte aus dem Vulkan ist längst
verwelkt und ruht, gut gepresst in meinem Reiseführer über Peru im Regal. Nur
die Feder vom Vogelmann liegt schwarz und geheimnisumwittert daneben.
„Na, wieder da?“, Emiles Stimme kommt wie
immer, tief und kehlig aus dem Hörer.
Sollte ich mich fallen lassen, mich in die
starken, eisernen Arme von Emil flüchten und versuchen, dort die Mystik suchen,
die sich plötzlich in meiner Welt eingenistet hat? Ich versuche, mir Emile in
der Rolle des Vogelmannes vorzustellen und irgendwie gelingt mir das auch.
Vielleicht weil ich es möchte?
„Emile, ja bin körperlich wieder da.
Emotionell aber noch in Peru! Die Berggeister, das glühende Magma und die etwas
vergiftete Luft durch ihre Gase spüre ich noch in allen Gliedmaßen. Aber ja, es
wäre schön, mich mit Dir fallen zu lassen!“
„Ich hole Dich ab, wir fahren raus zum
See, machen Feuer am Ufer und schauen der Sonne zu, wie sie hinter den Hügeln
versinkt! Ich hole Dich am späten Nachmittag ab, Du brauchst nichts
mitzunehmen., alles da! Will nur, dass Du Dein weites, dünnes Kleid mit den
Flatterärmeln trägst, ich liebe es, wenn sich das Orange mit deiner Haut
vermengt, Du schaust dann immer aus, als würdest Du brennen!“
Irgendwie war es Emile wieder gelungen,
dieses kleine, immer glosende Feuer in mir zu einem Flächenbrand zu entfachen. Als
wir dann in der angehenden Dunkelheit am Ufer des Sees saßen und sich der
Himmel rot färbte von der scheidenden Sonne hörte ich rundum die Geräusche der
Natur und hörte in meinem Innersten den Flügelschlag des Vogelmannes. Irgendwie
verkörperte ihn Emile und er schien neben mir schwarz und mächtig und breitete
seine Flügel aus, um mich zu umfangen. Kleine Funken sprühten aus dem kleinen
Lagerfeuer, das wir entzündet hatten. Der Steinkreis, in dem das Feuer züngelte
erinnerte mich schmerzlich an Peru und seine Lavalandschaft. Es glühte nicht
nur das Feuer neben mir, es war auch Emile, der zu glühen schien. Er hatte
seine Jacke auf dem Rasen ausgebreitet, ich lag darauf und er beugte sich über
mich. Sein Profil im Gegenlicht war kaum erkennbar, nur seine glühenden Augen
brannten mit unheimlichen Facetten. Wie immer kam dieses Feuer aus seinem
Innersten und verwandelte den an sich unscheinbaren, introvertierten Mann in
einen ausbrechenden Vulkan. Und ich ließ mich von ihm heben, durch die Luft
tragen und hatte nur einen Wunsch, in seinen Armen zu verbrennen.
Er flüsterte in mein Ohr:
„Peru hat Dich verändert. Du scheinst aus dem
glühenden Magma zu kommen, Deine Glut verbrennt ringsum alles, aber doch glaube
ich in diesen Momenten an eine Wiedergeburt meiner verschütteten Seele“, sein
Atem war heiß und kam stoßweise.
Wir liebten uns an diesem Abend bis spät
in die Nacht hinein, immer wieder erhoben wir uns vom Boden der Wirklichkeit,
seine schwarzen Flügel hielten mich fest und trugen mich über den See.
Als wir am nächsten Morgen wieder nach
Paris zurückfuhren, sprachen wir kein Wort. Hin und wieder blickte ich zu ihm
hinüber und sein Profil schien mir schärfer und dunkler, als je zuvor. In
dieser Nacht sind wir wirklich ineinander verschmolzen und eine dunkle Macht
hat uns aneinander gebunden.
Es war tatsächlich so, dass mir die Reise
nach Peru meine Leichtigkeit und meine teilweise Unbekümmertheit in Sachen
Leben und Erotik genommen hatte. Die mystische Welt der Vulkane, das scheinbare
Vorhandensein von unsichtbaren Geisterwesen für alle Lebenslagen, an die die
Menschen dort glauben, ging nicht ohne Wirkung an mir vorbei.
Mein lesbisches Erlebnis, mit Vesuvia
hatte irgendwelche geheimen Neigungen bei mir erweckt. Wobei ich mich weigere,
zu ergründen, ob das nur ein Traum oder Wirklichkeit war, so unwirklich schien
es nun heute, im Paris mit all seinen Impulsen einer Großstadt. Vielmehr auch
deshalb, weil ich bisher keinerlei Tendenzen gezeigt hatte, solchen Neigungen
nach zu gehen. Lisa und Eve dagegen waren da schon weiter, sie fanden sich hin
und wieder zusammen und liebten sich ganz offen und ungeniert. Es erregte sie
sogar, wenn ihnen Emile dabei zusah, oder sogar auch noch eingriff und am Ende
nicht mehr ganz klar war, wer mit wem…….
Emile war, nach den Erzählungen von Eve,
aber doch meist eher ein passiver Zuseher.
Ich ertappte mich nun dabei, dass ich
manche Frauen in einem anderen Licht sehen wollte und versuchte, mich in einer
erotischen Beziehung mit ihnen zu versetzen. Was jedoch in der nüchternen
Atmosphäre eines Bistros oder Cafés in Paris kaum gelang. Es fehlte offenbar
hier die sinnliche Mystik Perus. Auch Versuche, Lisa oder Eve in einem anderen
Licht zu sehen, waren zum Scheitern verurteilt. Dafür kannten wir uns schon
viel zu lang.
Lisa und Eve hörten mir zwar zu, wenn ich
von Peru erzählte, doch ich merkte, dass sie nicht erfassen konnten, was ich
meinte. Es ist offenbar nur Emile, der durch sein zweites Gesicht, wie ich
seine Persönlichkeit inzwischen nenne, dazu befähigt ist. Wenn Emile aus sich
herausging, verwandelte er sich innerlich und für mich auch äußerlich. Er wurde
mystisch, dunkel und leidenschaftlich. Seine Metamorphose begann meist, wenn er
mich in den Arm nahm und mir seinen Atem in den Nacken blies, mir seine dunkle
Stimme beschwörende Schwüre zuflüsterte und mich sein Körper aufnahm, als wäre
ich mit ihm eins.
Mein Nachbar, Serge, der Musiker ist
natürlich genau das Gegenteil von Emile und doch verstehen sie sich. Serge ist
für Emile ein Teil meiner Sexualität und beflügelt ihn. Wenn sie sich bei mir
begegnen, wartet Emile meist ab, wie weit sich Serge mit mir bereits verbunden
hat. Serge unterwirft sich ihm meist, wird mir gegenüber immer inniger und
zärtlicher und genießt es, wenn wir in einem gemeinsamen Orgasmus langsam
vergehen und Emile an meinen Zehen dabei leckt, oder in meine Brustknospen
beißt und ich letztendlich aufheule.
Wenn sich Serge dann von mir löst und
leise wieder in sein Appartement über den Balkon hinübergeht, nimmt mich Emile
in seine eisernen Arme, hebt mich an und stößt in mich. Da kann man dann
manches Mal hören, wie Serge nebenan in die Tasten des Pianos eine seiner
Symphonien hämmert, vorwiegend ist das die Pathetique von Beethoven! Er erlebt es mit.
Emile und ich erheben uns wieder, er wird wieder
zum Vogelmann und trägt mich über die Atacama-Wüste, surft auf den Wellen
meiner Lust und lenkt meine Schreie.
Irgendwann dann, im Laufe der Nacht
verlässt mich Emile wie ein Schatten und ich wache mit einem dumpfen Gefühl am
Morgen auf, total erschöpft und ausgelaugt, grabe mein Gesicht in das Kissen
und wünsche mir seine Kraft und Mystik zurück.
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