Bergkristalle
von Joana Angelides
Es ist gut, dass
die Menschen nicht wissen, dass manche Berge tief in ihrem Inneren Geheimnisse
bergen, verwinkelte Gänge sich zu Höhlen formen, die durch phosphoreszierende
Steinwände ihr Licht beziehen. Manche Höhlen haben auch Tageslicht, geleitet
durch viele geheime Schächte und reflektierende glatte Steinwände.
Manchmal muss man eine Steinplatte nur
verschieben und steht vor einem der stillen, tiefen Seen. Sie liegen fast
unbeweglich wie Spiegel da, oder werden durch unbekannte Ursachen gekräuselt
und bewegt.
An ihren Rändern türmen sich Bergkristalle.
Wenn sie berührt werden, senden sie Töne aus, die wie Sirenengesänge anmuten.
Tief im Inneren, wo die Erde wärmer und
wärmer wird, wo in der Tiefe rote kochende Lavaseen brodeln, dort tanzen aber
auch unheimliche Gestalten, tauchen fauchende Ungeheuer auf und ein Tor tut sich
auf, dass man besser nicht durchschreitet.
Hier leben jene schier unsichtbaren Geister
und Hexen, die die Menschen nur kurz wahrnehmen und die plötzlich wieder
verschwunden sind, weil sie sich einfach in einen Spalt im Felsen schieben.
Nur sehr selten können Menschen an diesen
Wundern teilhaben. Sie kennen die Wege und Eingänge nicht und wenn sie welche
finden, verirren sie sich hoffnungslos und bleiben oft für immer verschwunden.
Ich werde jedoch heute meinem Herrn einen
Teil diese Wunder zeigen!
Schon den ganzen Tag umschwirre ich ihn,
gleite mit den Händen in sein halb offenes Hemd und streiche über seine Brust,
über seine Brustspitzen und abwärts bis zu seinem Nabel.
Er kann sich dabei nur sehr schwer
beherrschen und ruhig bleiben. Es bereitet mir ungeheuren Spaß, wenn er etwas
verschüttet oder ihm auch einmal ein Krug aus der Hand fällt.
Die Gäste schütteln dann nur den Kopf und
nehmen seine gemurmelten Entschuldigungen zur Kenntnis.
Ich weiß, dass er die Sperrstunde heute gar
nicht mehr erwarten kann, er schaut immer wieder auf die Uhr und versucht zu
erraten, wo ich mich gerade aufhalte, wo ich sitze.
Als endlich die letzten Gäste gehen, schließt
er ab und ruft leise meinen Namen.
Ich bewege den Vorhang bei der Türe, lasse
einen Armreifen fallen und plötzlich kann er mich, sitzend auf der Theke sehen.
Ich habe ein Bein über das anderen gelegt und
wippe mit den nackten Zehen.
„Ach, Esmeralda, du bist eine richtige Hexe!
Siehst du nicht, wie ich zittere? Was hast du heute mit mir vor?“
„Komm, wir laufen in den Wald, ich zeige dir
was!“
Er sträubt sich energisch, sein Blick geht
nach oben, zur Treppe die zum Schlafzimmer führt.
„Dahin kommen wir später, vorher zeige ich
dir was Wunderbares!“
Ich eile voraus, umrunde die Bäume und
Sträucher des Waldes, halte das Licht hoch das ihm den Weg weist und er
stolpert hinter mir her.
Er merkt gar nicht, wie sich der Spalt in dem
Felsen öffnet, er läuft schlafwandlerisch hinter mir her.
Das helle Licht der Höhle blendet ihn, er hält
sich die Hand vor die Augen und taumelt fast.
Die Höhle ist umrandet von großen, aufrechtstehenden,
sechseckigen Bergkristallen. Ich eile von Kristall zu Kristall, berühre sie und
entlocke ihnen die hellsten und wunderbarsten Töne, dann nehme ich ihn bei der
Hand und führe ihn in die Mitte des Raumes. Hier treffen sich die einzelnen
Töne und werden zu einer wunderbaren Symphonie. Das Licht kommt gebündelt von
oben und beleuchtet eine mit Kissen aus Moos und Blüten übersäte Liegestatt. Er
hebt den Kopf und blickt gebannt in das gleißende Licht. Meine Hände gleiten an
seinem Körper entlang und streifen sein Gewand ab, er weht sich kaum. Es ist
wie selbstverständlich, dass wir beide nun nackt in diesem Licht stehen. Unsere
Hände machen sich selbständig, gleiten an unseren Körpern auf und ab, streifen
durch Täler, sanften Erhöhungen und Hügeln entlang.
Je mehr sich unsere Körper diesen Gefühlen
hingeben, sie auskosten und spüren, desto intensiver wird die uns umgebende
Musik.
Das Licht beginnt sich zu drehen, funkelnde
Sterne in verschiedenen Farben umspielen uns, kratzen sanft an unserer Haut,
erzeugen Schauer und erzeugen punktuell Schmerz, der gerade noch erträglich
ist.
Unter dem sanften Eindruck des Lichtes sinken
wir gemeinsam auf die vorbereitete Liege. Alles dreht sich, unsere Blicke sehen
einmal das gleißende Licht über uns, dann wieder unsere die unendlichen Tiefen
unserer Augen, die ineinander verschmelzen.
Die Musik wird lauter, die Töne werden höher,
unsere Hände schneller. Sie suchen und finden jene Punkte, die sich finden
lassen wollen, die zu glühenden Zonen werden.
Als unsere Körper nur mehr aus flüssigem Gold
bestehen, vereinigen sie sich
Es gibt
Höhepunkte, die man kommen spürt, sie füllen plötzlich das ganze Innere aus. Es
ist als würde man ein unregelmäßig geformtes Gefäß aus Glas mit flüssigem Gold
anfüllen. Das flüssige Gold dringt in alle Ausbuchtungen, alle Nischen ein und
langsam beginnt das Gefäß zu glänzen. Ja, wie eben ein mit Gold gefülltes Glas
fühlt es sich dann an.
Im Moment der
höchsten Erregung erlischt das Licht von oben, die Musik verstummt und wir
finden uns im Schlafzimmer wieder.
Doch wir merken
es nicht gleich. Die Töne sind zwar leiser, aber immer noch da, das Licht ist
in uns und unsere nackten Körper sind aneinandergepresst.
Wir haben eine
wundervolle Nacht gewonnen, aber alle Kleider in der Höhle verloren.
Er wird es nicht
verstehen, es war ja nur ein Traum.
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