Die Exzesse unserer Tante Frieda
von Joana Angelides
Tante Frieda, weit über sechzig aber noch immer sehr rüstig und mit
jugendlichem Touch, kam regelmäßig einmal im Jahr auf zwei Wochen zu uns auf
Besuch.
Von uns Kindern wurde sie immer freudig erwartet, unsere Eltern bekamen
schon Wochen vorher die Panik und Mama noch zusätzlich einen Hautausschlag.
Denn Tante Friede stellte jedes Mal den ganzen Haushalt auf den Kopf.
Es begann damit, dass sie jedes Mal die Möbel im Gästezimmer anders
arrangierte und im vorigen Jahr sogar auf einem Fitness-Gerät und einem
Doppelbett bestand.
Mama wusste, sie würde wieder die Diele neu, in einer sehr auffälligen
Farbe streichen lassen und dazu den Hausmeister arrangieren, mit dem sie dann
ganz ungeniert, auf dem Boden sitzend, einige Biere trinken wird.
Die Erwachsenen genierten sich für sie. Denn wer hat es schon gerne, wenn
der Hausmeister die eigene Tante, die immerhin Witwe nach einem Regierungsrat
war, als „Flotte Biene“ bezeichnete?
Für uns Kinder war es jedoch jedes Mal ein Freudenfest. Denn Tante Frieda
brachte die von Mama verbotenen Süßigkeiten, sowie einige Computerspiele mit,
die auch nicht gerade gerne gesehen wurden.
Wir gingen immer am ersten Samstag mit ihr in den Luna-Park und verdarben
uns ausnahmslos den Magen mit Zuckerwatte und allerlei Limonaden.
Tante Frieda war auch die Einzige, der niemals schwindelig wurde, wenn wir
aus unglaublicher Höhe mit kleinen Wägelchen die Hochbahn herunter rasten. Ihr
machte es auch nichts aus, wenn der Wind ihren Rock in die Höhe warf und man
ihre Schenkel bis zum Höschenansatz sehen konnte.
Doch ihr Besuch in diesem Jahr …… schlug dem Fass den Boden aus! Wie Mama entsetzt kreischte.
Sie schwenkte den Brief von Tante Frieda ganz aufgeregt vor der Nase von
Papa hin und her und ließ sich, fast ohnmächtig, in einen Stuhl fallen.
Papa nahm ihr den Brief aus der Hand, die Pfeife aus dem Mund und las
schmunzelnd, was denn Mama so aufgeregt hat.
Des Pudels Kern, bzw. die Essenz des Briefes sagte aus, dass Tante Friede
mit einem Mann kommt, den sie uns als ihren neuen Ehemann vorstellen möchte. Er
war Zirkusdirektor und sah „phänomenal“ gut aus. Wortwörtlich!
Wir Kinder fanden das aufregend, hofften er würde auf einem Elefanten, oder
zumindest auf einem weißen Pferd reitend ankommen und auf jeden Fall einen
roten Anzug mit goldenen Knöpfen anhaben.
Als Tante Frieda ankam, standen wir vor der Haustüre, meine Eltern, wir
fünf Kinder und Hektor der Hund, um sie zu begrüßen.
Sie kam mit zwei Taxis an. Im ersten Taxi saß sie, im zweiten Taxi war das
Gepäck.
Als die Autos hielten, stieg als erster der Beifahrer aus. Es war ein
kleiner, rundlicher Mann, mit einem weißen Borsalino am Kopf und einem
schwarzen Spazierstock in der Hand. Er beeilte sich, Tante Frieda die Autotüre
zu öffnen und ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.
Als diese ausgestiegen war, eilte er mit dem Taxi-Chauffeur zum zweiten
Taxi, um dem Taxi-Chauffeur beim Ausladen der Koffer und Reisetaschen zu
helfen.
Tante Frieda eilte auf uns zu, nahm jeden von uns in den Arm, ließ sich küssen,
küsste zurück und sprach, wie immer, unentwegt.
„Mein Gott, Kinder seid ihr groß geworden, eure Frisuren sind ja aus dem
vorigen Jahrhundert! Martha Dein Kleid ist scheußlich und viel zu eng! Paul, Du
bist noch immer ein stattlicher Mann, aber Du rauchst leider auch noch immer!“
Der Einzige, der ohne jeden Tadel davonkam und der deshalb auch erfreut mit
dem Schwanz wedelte, war Hektor der Hund!
Das mit den Frisuren empfanden wir auch so, aber Mama war da anderer
Meinung.
Die Koffer und Reisetaschen türmten sich inzwischen am Gehsteig und die
drei Männer bemühten sich, sie ins Haus zu tragen.
Aber…. wo blieb denn der Zirkusdirektor auf seinem weißen Pferd? Wir
blickten ratlos die Gasse auf und ab. Enttäuschung machte sich breit.
Da bemerkten wir, dass der Beifahrer des ersten Taxis die beiden Chauffeure
bezahlte, diese sich in die Autos setzten und davonfuhren. Übrig blieb der
kleine rundliche Beifahrer mit dem Borsalino. Dann dreht er sich zu Tante
Frieda, küsste galant ihre Hand, bot ihr seinen Arm und verneigte sich vor
Mama.
„Gestatten, mein Name ist Giorgio de la Pisa, ich danke für die Einladung!“
Das war also der Zirkusdirektor, wir waren nun wirklich enttäuscht. Nur
Anna, die Älteste begann leise zu kichern. Mama war wieder einmal einer
Ohnmacht nahe und Papa lächelte amüsiert!
Die nächsten Tage waren mehr als aufregend. Von unseren Fenstern konnten
wir morgens auf der Terrasse Tante Frieda und ihren Giorgio sehen, wie sie
Morgengymnastik machten, Giorgio im Trainingsanzug seine Runden um das Haus zog
und beim Vorbeijoggen Kussmündchen an Tante Frieda sandte, die ihm dann immer
mit ihrem weißen Taschentuch dankend zuwinkte.
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