DER ORGASMUS
Der Begriff "Orgasmus" leitet sich vom griechischen Wort
"orgon" ab und bedeutet "etwas heftig verlangen". Gemeint
ist der Höhepunkt des sexuellen Erlebens. Es ist ein sehr intensives Gefühl,
bei dem sich Spannung und Erregung abrupt auflösen und in Entspannung,
Wohlbehagen und Zufriedenheit übergehen. Bei Frauen kann die Orgasmusphase
länger anhalten als bei Männern, manchmal sogar bis zu einer Minute. Zudem sind
Frauen in der Lage, mehrere Orgasmen kurz hintereinander zu bekommen.
Die Art, wie der Orgasmus
empfunden wird, kann von Mal zu Mal variieren und ist von verschiedenen
Faktoren abhängig. Die Orgasmusfähigkeit steigt bei Frauen mit zunehmenden
Alter an. Sie lernen im Verlauf der sexuellen Entwicklung, wie sie zum Orgasmus
kommen.
Was
passiert im Körper?
Sexuelle Erregung und
Orgasmus finden in verschiedenen Phasen statt. Man spricht vom „sexuellen
Reaktionszyklus“. Wenn Frau erregt ist, wird die Schleimhaut der Vagina innerhalb
von weniger als einer halben Minute feucht, die Schamlippen werden stärker
durchblutet, die Körpertemperatur steigt leicht an. Auch Atemfrequenz, Puls und
Blutdruck steigen an. Während der so genannten Plateauphase schwellen die
Schamlippen weiter an, der Scheideneingang verengt sich, die Klitoris zieht
sich unter die Vorhaut zurück.
Am Höhepunkt der sexuellen Erregung ziehen sich die
Muskeln von Vagina, Gebärmutter und Anus rhythmisch zusammen. Je nach Stärke
des Orgasmus kontrahieren die Muskeln zwischen drei und zwölf Mal.
60 Sekunden Hochgefühl
Frauen beschreiben diesen raschen
Wechsel von Spannung und Entspannung oft als Wellen, die durch den ganzen
Körper gehen. Der weibliche Höhepunkt kann bis zu einer Minute dauern. Nach dem
Orgasmus entspannt sich die Muskulatur, nach wenigen Minuten ist der
Ausgangszustand erreicht.
Nach einer „Refraktärperiode“, die auch sehr kurz
sein kann, ist Frau wieder bereit, einen Orgasmus zu haben. Manche Frauen sind
schon nach sehr kurzer Zeit wieder startbereit, dann spricht man von „multiplen
Orgasmen“.
Was passiert im
Gehirn?
Sexuelle Erregung zeigt sich auch
in der Neurotransmitter-Situation im Gehirn. Neurotransmitter sind
Botenstoffe, die für die Signalübertragung zwischen Nerven zuständig sind und
vielfältige Aufgaben haben. Wenn eine Frau sexuelle Erregung empfindet, nimmt
die Konzentration anregender Botenstoffe wie Phenetylamin und Dopamin zu.
Beim Orgasmus ändert sich die Hirnchemie schlagartig:
Die anregenden Neurotransmitter machen beruhigenden Botenstoffen Platz, das
Gehirn wird etwa mit Serotonin, Vasproessin und Oxytocin geflutet. Diese
Botenstoffe werden mit Beruhigung, Glück und Bindungsfreude in Zusammenhang
gebracht.
Gibt es verschiedene Orgasmen?
Über den weiblichen Orgasmus ist
im Lauf der Geschichte vieles gesagt und geschrieben worden. Vor allem von
Männern. Meist waren diese Erklärungsmuster von sozialen und gesellschaftlichen
Vorstellungen und weniger von wissenschaftlichen Fakten geprägt. Freuds
Psychoanalyse unterscheidet zwischen dem klitoralen Orgasmus, der als „unreif“
galt, und dem „reifen“ vaginalen Orgasmus.
Medizinisch physiologische
Forschung ist jedoch zum Ergebnis gekommen, dass es – medizinisch betrachtet –
nur einen weiblichen Orgasmus gibt. Auch beim vaginalen Orgasmus ist es
letztlich die Klitoris, die stimuliert wird. Nun gibt es
Frauen, die eher eine direkte Stimulation benötigen, und andere, denen die
indirekte Stimulation der Klitoris reicht. Egal wo und wie die Stimulation
stattfindet – das messbare Ergebnis ist dasselbe.
Ebenso viele Mythen und Thesen
gibt es zum Thema „G-Punkt“. Dabei handelt
es sich um eine sensible Region entlang der Harnröhre, die einige Zentimeter
vom Scheideneingang entfernt im Inneren der Scheide liegt. Irreführend ist
dabei vor allem die Bezeichnung Punkt.
Vielmehr bilden Klitoris, Harnröhre und Vagina eine
funktionelle Einheit. Sexuelle Erregung und Orgasmus entstehen aus dem
Zusammenwirken dieser Strukturen und Nervenenden. Manche Frauen können diese
sensible Zone genau lokalisieren, andere finden ihren „G-Punkt“ nicht – was
jedoch nicht bedeutet, dass die Orgasmusfähigkeit eine andere ist.
Frauen berichten subjektiv
jedenfalls von verschiedenen Formen des Orgasmus. Ob durch eine Stimulation der
Klitoris, vaginale Penetration, Stimulation des Anus oder der Brustwarzen – ein
Orgasmus ist generell auf verschiedene Arten möglich. Manchen Frauen gelingt es
sogar, nur durch ihre Phantasie einen Orgasmus auszulösen, einige Frauen
erleben sexuelle Höhepunkte auch im Schlaf. Was eine Frau zum Orgasmus bringt,
ist individuell sehr unterschiedlich.
Freuds Sichtweise von verschiedenen Qualitäten des
Orgasmus ist heute widerlegt. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass ein
Orgasmus, der durch vaginale Penetration ausgelöst wird, besser, „reifer“ oder
erstrebenswerter wäre.
Sollten Mann und
Frau gleichzeitig zum Höhepunkt kommen?
Der Gedanke, dass nur ein
gemeinsamer Orgasmus "wertvoll" und erstrebenswert ist, spukt noch
immer in vielen Köpfen herum. Tatsache ist: Eine solche "Auflage"
kann sich auf das lustvolle Erleben hinderlich auswirken. Vielmehr ist es eher
der Normalfall, dass der Höhepunkt nicht immer gleichzeitig erreicht wird.
Männer und Frauen haben diesbezüglich oft unterschiedliche Rhythmen - und das
hat mit Sicherheit nichts mit mangelnden Gefühlen füreinander zu tun.
Wichtig ist es, nicht eine Norm zu suchen, der man
entsprechen muss, sondern einen gemeinsamen Weg, um erfüllten Sex zu haben.