Surreale Zeitenwende
Von Joana Angelides
Wir leben in einer Zeit, in der
der Schulterschluss von politischen Machthabern und Superreichen neue
Dimensionen erreicht hat.
Über den
Surrealisten Luis Buñuel geistert eine amüsant-sonderbare Geschichte umher.
Angeblich habe der spanische Weltregisseur testamentarisch verfügt, dass sein
Nachlass an die milliardenschwere amerikanische Industriellenfamilie Getty
gehen solle. Zweck der Übung: erstens die Nachkommen noch posthum so zu
vergrätzen, dass sie ihm am liebsten aufs Grab spucken würden, und, zweitens,
dafür zu sorgen, dass die Reichsten der Reichen noch reicher werden.
Eine recht surreale Zeitenwende
also, die sich anbahnt. Vielleicht wäre es angezeigt, sich schnell anzupassen
und Musk, Zuckerberg und Bezos als Erben einzusetzen. Man
stelle sich folgende Szene vor: In einer staubigen Kanzlei irgendwo in Madrid
liest ein Notar mit buschigem Schnurrbart und randloser Brille das Testament
des berühmten Surrealisten Luis Buñuel vor. "Ich, Luis Buñuel, setze
hiermit die Familie Getty als meine Alleinerben ein. Sollte ich einmal im Grab
rotieren, so möge das zumindest mit der Geschwindigkeit einer Geldpresse
geschehen." Die anwesenden Verwandten sinken in ihre Stühle, unfähig,
zwischen Empörung und Lachen zu entscheiden. Die Gettys hingegen lassen
sogleich die Korken knallen – Champagner schmeckt eben besser, wenn er mit der
bitteren Träne der Enterbten gewürzt ist.
Ob diese Geschichte nun wahr ist oder nicht,
sei dahingestellt. Doch ihr surrealistischer Geist ist unbestreitbar. Buñuels
angeblicher letzter Wille ist nicht nur ein Streich, sondern ein poetisches
Stück Gesellschaftskritik: Warum nicht die Reichsten der Reichen noch reicher
machen? Schließlich gilt doch: Wer hat, dem wird gegeben. So steht es zumindest
in den Heiligen Schriften des Neoliberalismus.
Doch was würde Buñuel wohl zu unserer
heutigen Welt sagen, in der die wahre Macht in den Händen von Tech-Milliardären
liegt? Während Zuckerberg und Musk sich auf Twitter (oder wie auch immer diese
Plattform inzwischen heißen mag) überlegen, ob sie ihren Kampf im Cage oder im
Metaverse austragen, wird hinter den Kulissen die Demokratie filetiert wie ein
Thunfisch. "Das Ende der Demokratie? Kein Problem!" ruft der
MAGA-Influencer Curtis Yarvin. "Staaten sollten wie Start-ups geführt
werden." Klar, warum nicht? Eine Keynote hier, ein bisschen Downsizing
dort – und wenn die Rendite nicht stimmt, wird das Land einfach abgestoßen wie
ein unrentables Unternehmen.
In dieser absurden neuen Welt wäre es wohl am
besten, sich schnell anzupassen. Warum nicht schon zu Lebzeiten Musk, Bezos und
Zuckerberg als Erben einsetzen? Die können dann alles zu ihrem eigenen Wohl
umdeuten, natürlich im Namen des Fortschritts. Hat man nicht immer gesagt, dass
Geld in den richtigen Händen Gutes bewirken kann? Und wer wäre besser geeignet,
das Wohl der Menschheit zu sichern, als ein paar altruistische Milliardäre mit
Weltraumplänen und Social-Media-Monopolen?
Die Ironie daran: Während die Tech-Lords sich
öffentlich gegenseitig an die Gurgel gehen, schalten ihre Algorithmen in aller
Stille die Realität auf "Easy Mode" für die Reichen und
"Hardcore Survival" für alle anderen. Fake News, Datenhandel,
digitale Enklaven – das alles wird als "Innovation" verkauft. Wer das
nicht versteht, ist einfach nur zu rückständig, um mit der schönen neuen Welt
Schritt zu halten.
Doch vielleicht ist das alles gar nicht so
schlimm. Vielleicht könnte man sich an diesen surrealistischen Zeitgeist
gewöhnen. Die nächste Generation wird ja ohnehin in einer Welt aufwachsen, in
der es normal ist, dass Kinder ihre Eltern nicht mehr fragen: "Was willst
du später mal werden?", sondern: "Welcher Milliardär soll dein
Vormund sein?" Schulen könnten Patenschaften von Tech-Giganten annehmen.
"Die Jeff-Bezos-Oberschule präsentiert stolz: Wirtschaftskunde mit
Schwerpunkt Monopolbildung."
Am Ende bleibt uns vielleicht nur der Humor. Ein Lachen über die Absurdität einer Welt, die sich selbst so ernst nimmt, dass sie keine Zeit mehr hat, zu merken, wie surreal sie geworden ist. Luis Buñuel würde sich freuen. Und wenn nicht, dann lässt er sich vielleicht von Musk klonen, um persönlich dafür zu sorgen, dass niemand sein Grab schändet.
Denn
eins ist sicher: Selbst in der surrealstischen aller Welten bleibt die Ironie
unser schärfstes Schwert.
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